Gabyschew kam durch den Schmerz nach dem Tod seiner Frau zum Schamanentum und will im Kreml die "Kräfte der Finsternis" austreiben.

Foto: Facebook/Gabyschew

Vor sechs Monaten begann der Schamane Alexander Gabyschew seine Mission: Im ostsibirischen Jakutsk, mehr als 8.000 Kilometer von Moskau entfernt, zog er zu Fuß los, um die "Kräfte der Finsternis" und namentlich Wladimir Putin, den er als Dämonen bezeichnete, aus Russland zu vertreiben. Ausgerechnet im Dunkel der Nacht endete seine Reise nun – zumindest vorläufig – an der Südspitze des Baikalsees. Ein Einsatzkommando der Polizei stürmte das Zeltlager Gabyschews und seiner ihn inzwischen begleitenden Anhänger und verschleppte den Schamanen.

Erst später tauchte Gabyschew wieder auf. Die Polizei bestätigte seine Festnahme. Der 60-Jährige habe eine Straftat in seiner Heimatrepublik Jakutien begangen, hieß es zur Begründung. Dann wurde bekannt, dass Gabyschew in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Auch wenn Gabyschews Exorzismusmission von den meisten Russen belächelt wird, so rufe seine Einlieferung in die Psychiatrie "sehr unangenehme Assoziationen wach, die mit den dunklen und schmutzigen Kapiteln unserer Geschichte verbunden sind, als Psychiater dabei halfen, Regimegegner zu quälen und zu isolieren", klagte Ilja Schablinski vom Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Kremlsprecher Dmitri Peskow distanzierte sich eilig von der Festnahme. Der Kreml habe damit nichts zu tun und sei auch nicht im Bilde, was Gabyschew vorgeworfen werde, sagte er.

Friedliche Austreibung

Gabyschew, der eigenen Angaben nach durch den Schmerz nach dem Tod seiner Frau zum Schamanentum kam und einige Zeit als Eremit in den Wäldern gelebt haben soll, sprach stets von einer friedlichen Austreibung. Die wahre Volksdemokratie wolle er ohne blutige Revolution herbeiführen, sagte er. Doch auf seinem Protestmarsch kam es mehrfach zu Konflikten mit der Obrigkeit. "Putin ist euch kein Gesetz – lebt frei", rief er rund 700 Anhängern bei einer Demo im sibirischen Tschita zu.

Zur Eskalation kam es in der Baikalrepublik Burjatien: Oppositionelle, unzufrieden mit den ihrer Meinung nach manipulierten Wahlen, und Anhänger Gabyschews vereinigten sich zu einer mehrtägigen Protestaktion in der Gebietshauptstadt Ulan-Ude, die erst mit massivem Gewalteinsatz der Polizei aufgelöst werden konnte. Zumindest für die örtlichen Behörden war Gabyschew spätestens dann wohl kein armer Irrer mehr, sondern zu einem gefährlichen politischen Gegner geworden. (André Ballin, 20.9.2019)