Beziehung in Auflösung: Bill (Peter Simonischek) und Janet (Dörte Lyssewski) in "The Party".

Matthias Horn

Man hätte sie gerne zu Gesicht bekommen, diese Frau namens Marianne, die als "genetischer Volltreffer" bezeichnet wird und die in Sally Potters Film (2017) und jetzt Stück The Party neben ihrer Ehe mit Tom noch zwei weitere Liebesbeziehungen zu Menschen ihres engsten Freundeskreises unterhält. Wie macht die das? Gut, es gibt heute Smartphones mit allerlei Fernliebezubehör, aber lassen sich Menschen im fortgeschrittenen Erwachsenenalter mit SMS-Nachrichten auf Dauer wirklich bei Laune halten?

Okay, eine weitere Freundin aus dem innersten Kreis (Barbara Petritsch) hat ihre Wohnung als Liebesnest zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich eine Alt-68erin, heute jedenfalls Gender-Studies-Professorin, die nun, kurz vor der Pensionierung, mit ihrer jungen Frau (Katharina Lorenz) eine Familie gründet: Nach der In-vitro-Fertilisation stehen Drillinge ins Haus.

Linksliberale, gehobene Mittelschicht

Wir sind also mitten im Lebenskosmos einer hochgebildeten, linksliberalen, gehobenen Mittelschicht, die nun die Früchte ihres jahrzehntelangen feministischen, gesellschaftsverändernden Kampfes ernten kann: Janet (Dörte Lyssewski), die Hauptfigur und Gastgeberin des Abends, ist soeben zur Gesundheitsministerin ernannt worden. Ihr Mann Bill (Peter Simonischek) sitzt zur Feier des Tages deprimiert im senfgelben Sandsack vor seinem ganzen Lebenstrost: 3000 präzise angeordnete Schallplatten.

Im Burgtheater, wo Anne Lenk die deutschsprachige Erstaufführung von The Party inszeniert hat, ragen über diesem Wohnzimmer noch zwei weitere Etagen in die Höhe. Sie ergeben keinen realen Querschnitt durch ein Haus, doch ermöglicht die Anordnung der Zimmer rasche szenische Schnitte, wie sie der Film mühelos zu wege bringt: Flur, Bad, Küche, Eingangstür etc. Dabei kommt es vor, dass ein Raum zweifach, nämlich aus zwei Perspektiven einsehbar ist. Die Eingangstür, die in diesem Puppenhaus mittig frontal zum Publikumssaal aufgeht, durchschreiten die Gäste zugleich seitlich im rechten oberen Eck des Bühnenbildes (Bettina Meyer).

Sitzschauspieler

Das ist, wenngleich unentschlossen ausgeführt, auch schon das Interessanteste an diesem müde dahinplätschernden, verschwenderisch besetzten Abend. Gewinnt das zu Gast seiende Ehepaar April (Regina Fritsch) und Gottfried (Markus Hering) durch ihre witzige Sadomaso-Beziehung sowie ein Fernostfaible Kontur (sie als Möchtegern-Geisha, er mit Eso-Gymnastik), so muss sich Janet (Lyssewski) mit Synchronslapstick begnügen. Peter Simonischek mit Künstlermähne und im taubenblauen Anzug wird zum Sitzschauspieler degradiert.

Das schwer konstruierte Kammerspiel – Bill (Simonischek) lässt vor versammelter Runde gleich zwei Bomben platzen: Er ist unheilbar krank, und er liebt Marianne – kommt weder inhaltlich noch sprachlich an Yasmina Rezas Edelboulevardkomödien heran und wirkt in seiner Oberflächlichkeit im Burgtheater arg deplatziert. Ein Satz aber klingt mit bernhardesker Wucht dann doch nach: "Man reizt den Aromatherapeuten und enttarnt einen Faschisten." Merke! (Margarete Affenzeller, 22.9.2019)