Neymar kann sich glücklich schätzen. Der brasilianische Fußballprofi schießt nicht nur Traumtore, er nennt auch einen echten Kowalski sein Eigen. Der Filigrantechniker von Paris Saint-Germain bekam das Porträt an seinem 27. Geburtstag überreicht. "I love it", soll er gesagt haben. Kowalski flog auf Einladung von Red Bull zur Sause in den Pavillon Gabriel an den Champs-Élysées und fertigte das Gemälde in sechs Stunden vor Ort an. Eine Herausforderung, eine Drucksituation. Aber mit Druck kann Kowalski umgehen. Er kickte für Red Bull Salzburg und die Wiener Austria. Er wurde mit dem FC Tirol dreimal österreichischer Meister. Er spielte unter Hans Krankl als Flügelflitzer im Nationalteam. Kowalski ist Wolfgang Mair.
"Sport und Kunst sind gar nicht so verschieden, wie man zunächst vermuten würde", sagt Mair, "beides genießen Menschen in ihrer Freizeit, beides weckt Emotionen, und beides macht im besten Fall glücklich." Der 39-Jährige malt mit Acryl, widmet sein Leben der Kunst, dem Fußball ist er verbunden geblieben. Zuletzt sah man ihn beim Champions-League-Match zwischen Salzburg und Genk, Mair war begeistert: "Als Zuseher bin ich noch nie so oft gestanden." Als Spieler marschierte der nun in Salzburg lebende Osttiroler zumeist auf der rechten Seite: "Ich wollte immer wissen, ob ich Profi werden kann. Aber ich habe mich nie über den Fußball definiert. Erfolge oder Misserfolge machen mich nicht zu einem besseren oder schlechteren Menschen."
Seinen ersten großen Auftritt hatte Mair 1997 bei der U17-Weltmeisterschaft in Ägypten. Auftaktgegner Brasilien lief mit Ronaldinho auf. Trainer Paul Gludovatz wollte den Nachwuchs der Seleção mit einer offensiven Aufstellung überraschen. "Hat nicht ganz geklappt, Endstand 0:7. Wir sind ins offene Messer gelaufen." Auch die Partien gegen den Oman und die USA gingen verloren. Österreich wurde Gruppenletzter, Brasilien Weltmeister und Ronaldinho später zweimal Weltfußballer.
Mair streicht das Positive hervor: "Wir waren nicht die schlechteste Mannschaft des Turniers, Neuseeland war noch schlechter. Man hat gesehen, wo man steht. Lernen auf die harte Tour."
In Innsbruck lief es für Mair deutlich besser. Neben drei Meistertellern blieben vor allem seine Treffer im Uefa-Cup in Erinnerung. Am 28. September 2000 trat der FC Tirol nach einem 3:1-Erfolg zum Rückspiel der ersten Runde beim AC Florenz an. "Sie hatten eine irrsinnig starke Mannschaft mit Predrag Mijatovic, Rui Costa und Francesco Toldo im Tor." Die Tifosi im Stadio Artemio Franchi sehnten eine Aufholjagd herbei. Und was geschah? In der achten Minute sprintet Mair in den Strafraum der Fiorentina, versenkt den Ball per Kopf und versetzt die mitgereisten Fans in Ekstase. Mit einem 2:2 wurde schließlich der sensationelle Aufstieg fixiert: "ein absolutes Highlight". In der zweiten Runde setzt Mair noch eins drauf. Gegen den VfB Stuttgart trifft er am Tivoli zum 1:0-Sieg. Erst im Rückspiel folgte mit einer 1:3-Niederlage die Ernüchterung.
Als Fußballer hätte sich Mair eine technische Ausbildung, wie sie mittlerweile an den österreichischen Akademien angeboten wird, gewünscht. Als Künstler ist er Autodidakt: "Ich habe keine Angst vor Materialien. Vielleicht breche ich Konventionen, weil ich sie gar nicht kenne." Die Liebe zur Malerei entstand nicht erst nach der Profikarriere: "Ich wollte schon als Kind in diese Richtung, dann ist mir der Fußball dazwischengekommen." Als Hobby betrieb Mair die Kunst auch während seiner Laufbahn: "Ich habe das als Ausgleich gebraucht. So bin ich weggekommen. Ich habe Musik aufgelegt und gemalt."
Die Verbindung zwischen Musik und Malerei beeinflusst Mair, also Kowalski, bis heute. Er porträtiert Jimi Hendrix, David Bowie, Prince. Der Hintergrund zur Hommage an Prince besteht aus einer Collage von Paracetamol- und Fentanyl-Beipackzetteln. Der Musiker ist 2016 an einer Überdosis Schmerzmittel verstorben. "Ich habe mich über ein Jahr damit beschäftigt. Zwischendurch hatte ich keine Muße weiterzumachen. Ich habe im Kopf gearbeitet, das Werk aber nicht angefasst. Irgendwann habe ich mich drei Wochen eingesperrt und es fertiggemacht. Ich habe damals ausschließlich Prince gehört."
Bei einer Ausstellung wurde das Bild verkauft, Kowalski ist nicht frei von Trennungsschmerz: "Aber wenn das Werk geschätzt wird, ist es gut aufgehoben. Es wäre purer Luxus, ein gefragtes Bild zu behalten. Von Luft und Liebe kann ich nicht leben." Und von der Kunst? "In diesem Jahr komme ich durch."
Über Anerkennung freut sich der Künstler Kowalski wie einst der Fußballer Mair: "Ich weiß, was ich will. Ich mache nichts, um zu gefallen. Ich male kein Bild, um es zu verkaufen. Aber wenn sich ein guter Galerist für meine Werke begeistern kann, bin ich auch nicht unglücklich."
In einem Präsentationsvideo sagt Kowalski: "Es war klar, dass es mich zweimal gibt. Einmal, was die Welt erwartet, einmal, wie mich niemand vermutet." Ist dem tatsächlich so? "Das sind Zeilen aus der Zeit über das Asperger-Syndrom. Ich habe daraus ein Selbstporträt gemacht. Es war irgendwie stimmig." Als Kicker oder Maler sei man mit Vorurteilen konfrontiert: "Der Fußballer ist ein Idiot, der viel Geld verdient. Der Künstler ist versoffen und kriegt nichts auf die Reihe. Aber ich habe kein Tattoo, keine Millionen, und ich habe auch kein Alkoholproblem." (Philip Bauer, 23.9.2019)