Christian Felbers vor einigen Jahren in Buchform gegossene Vision einer "Gemeinwohlökonomie", die auf Kooperation statt Konkurrenz setzt, kann durchaus erfolgreich genannt werden. Von vielen Seiten hagelte es begeisterte Rezensionen und Reaktionen. Das Buch wurde in ein Dutzend Sprachen übersetzt und ging zeitweise weg wie die warmen Semmeln. Der dahinterstehenden Initiative für ein neues Wirtschaftssystem schlossen sich tausende von Personen, Unternehmen und Organisationen an, und auch als Felbers Projekt einer Gemeinwohlbank letztes Jahr spektakulär scheiterte, blieben seine Anhänger ihm treu.

Die an den heimischen Universitäten tätigen akademischen Volkswirte jedoch wollten in die anschwellenden Jubelchöre so gar nicht miteinstimmen. Die wenigen öffentlichen Stellungnahmen vonseiten der von Felber sogenannten Mainstream-Ökonomen waren durchwegs negativ, die vorherrschende Reaktion aber war zugleich wohl die vernichtendste: "Ned amol ignorieren." Erst als vor drei Jahren Felbers Konterfei neben Bildern von Keynes, Marx, Friedman und Hayek als Begründer bedeutender Wirtschaftstheorien in einem Schulbuch auftauchte, machten die Volkswirte ihrem Unmut Luft. Nach einem offenen Brief an die Unterrichtsministerin erreichte die akademische Opposition, dass Christian Felber aus dem Schulbuch eliminiert und durch Amartya Sen ersetzt wurde.

Dieser "Lehrbuchposse" ist ein eigenes Kapitel in Felbers neuem Werk mit dem etwas holprigen Titel "This is not economy" gewidmet, und gleich in der Einleitung des Buches erzählt er auch die Geschichte, wie die harschen Reaktionen der Mainstream-Ökonomen ihn dazu gebracht hatten, sich näher mit den Hintergründen der Mainstream-Ökonomik zu beschäftigen. Gefunden hat der Autor seinen eigenen Worten nach "vernichtende Kritik", und die schickt er sich an, auf den ersten 240 Seiten seines Buches auszubreiten. In einem Werbevideo prognostiziert Felber, das Buch werde "einige Mainstream-Ökonomen in eine Sinnkrise stürzen", und er wolle der Bewegung für plurale Ökonomik "mit profunden und überzeugenden Argumenten den Rücken stärken".

Von "Märchenonkeln" und "neoklassischen Ökonomen"

Die Chronologie der Ereignisse, der Fokus auf die Kritik der an Universitäten gelehrten Ökonomik und der stellenweise etwas selbstmitleidige Duktus des Erzählers lassen schnell den Verdacht aufkeimen, dass es sich bei Felbers neuem Werk in erster Linie um die Rache eines verschmähten Liebeswerbers handelt. Und tatsächlich: Während Felber in einem Abschnitt über Diskursethik eine Art Sprachpolizei für Ökonomen einfordert, die Ausdrücke wie "Verbalschwurbler" und "politischer Aktivist" mit den angemessenen "disziplinären Konsequenzen" ahnden sollte, übt er selbst nicht gerade noble Zurückhaltung. Die "neoklassischen Ökonomen", auf die er es abgesehen hat und die er mit dem ökonomischen Mainstream identifiziert, werden bei Felber zu "Märchenonkeln", die in ihren Modellen "anmaßend" sind, eine "mechanistische Denke" pflegen, ihre asozialen Werte "schamlos verbreiten", "gebrochene Menschen" produzieren und damit eine "permanente Gefahrenquelle" für die Politik darstellen.

Man merkt: Hier regiert nicht die feine Klinge, sondern die grobe Keule. Doch weder die Motivation des Autors noch der Stil des Buches sollten vorrangig zu dessen Beurteilung herangezogen werden, sondern der Inhalt der Kritik. Wer hier präzise argumentierte neue Ansätze erwartet, wird allerdings enttäuscht. Felber hat vielmehr auf recht eklektische Art und Weise eine Art Sammelwerk der Kritik am angeblich neoklassischen Mainstream geschaffen. In oft kurzen und gerafften Abschnitten werden dabei die innerhalb der Zunft sattsam bekannten Kritikpunkte in die Arena geschleudert, angereichert durch eigene Ideen, die, wohl Felbers Studium der Philologie geschuldet, meist als kritische Ausflüge in die Linguistik daherkommen. Ansonsten reiht sich streckenweise Zitat an Zitat, und bekannte und weniger bekannte Ökonomik-Kritiker der letzten paar Jahrzehnte geben sich verbal die Klinke in die Hand.

Die neoklassischen Ökonomen, so Felber gleich zu Beginn, hätten nicht nur die Krise nicht vorausgesagt, sondern auch nicht den Klimawandel, das Artensterben, Pegida, die Gelbwesten und Trump. Man reibt sich verwundert die Augen. Doch aus Felbers Sicht sollte Ökonomik, die ihren Namen verdient, offenbar eine Art Universalwissenschaft sein und die Ökonomen deren Auguren. Auffällig ist dabei, dass Felber nicht nur mit den Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mit einigen anderen auf Kriegsfuß zu stehen scheint. Wie sonst ist es zu erklären, dass er auch, wenn er Naturwissenschafter zu Wort kommen lässt, vor allem "heterodoxe" Außenseiter wie Fritjof Capra, Gerald Hüther oder Joachim Bauer zu seinen Kronzeugen macht?

Eine ahistorische und weltfremde Ideologie?

Der Mainstream der Ökonomik, so lesen wir, sei reduziert auf die neoklassiche Ökonomik, die primär ein Wertesystem sei und genau genommen eine im Grunde neoliberale Ideologie in ein wissenschaftliches Mäntelchen kleide. Sie sei ahistorisch und weltfremd, fokussiere ausschließlich auf Märkte, hantiere mit absurden Annahmen und leide unter Physikneid, weswegen sie das Publikum absichtlich mit unverständlicher Mathematik verwirre und sich darüber hinaus erdreiste, "Wirtschaftsnobelpreise" zu verleihen und entgegenzunehmen, die gar keine echten Nobelpreise sind. Alles in allem stünde es um die Mainstream-Ökonomik so schlecht, dass sie nicht zu reparieren, sondern besser ganz zu eliminieren sei.

Die Kritik folgt dabei einem bewährten Muster: Zuerst wird eine Reihe von Zerrbildern und Strohmännern aufgebaut, auf die dann genüsslich eingedroschen wird. Zum Beispiel die vielgeschmähte "Nutzenmaximierung". Die mikroökonomische Theorie ist laut Felber von "dauerrechnenden" egoistischen Eigennutzenmaximierern bevölkert, und dieses "Menschenbild" sei nicht nur ein falsches Abbild, sondern diene dem Mainstream sogar als erstrebenswertes Vorbild.

Sämtliche dieser Behauptungen sind falsch. Die mikroökonomische Theorie geht davon aus, dass Individuen subjektive Präferenzen besitzen und in Entscheidungssituationen diesen Präferenzen entsprechend auswählen. Über den Inhalt der Präferenzen schweigt sich die Theorie aus. Sie können egoistisch sein, altruistisch oder sonstwas. Da Präferenzen als Objekte schwer handhabbar sind (formal sind es Mengen von Paaren von Alternativen), benutzt man ein mathematisches Hilfsmittel, um sie zu repräsentieren, die sogenannte Nutzenfunktion. Dass ein Individuum "seinen Nutzen maximiert", heißt also nichts anderes, als dass es seinen Präferenzen entsprechend entscheidet.

Die Präferenzen des Individuums

Der "Homo oeconomicus", der Gottseibeiuns aller Ökonomik-Kritiker, entsteht erst dann, wenn man die zusätzliche Annahme trifft, dass die Präferenzen des Individuums lediglich den eigenen Konsum von Gütern beinhalten. Dies ist nicht Bestandteil der Theorie, sondern eine Modellannahme, die in vielen Modellen tatsächlich getroffen wird – und in anderen wieder nicht. Unter welchen Umständen und in welchem Kontext eine solche Annahme gerechtfertigt ist oder nicht, lässt sich trefflich diskutieren, und das tun Mainstream-Ökonomen seit Jahrzehnten. In vielen Fragestellungen hat sich diese Annahme bewährt. So werden etwa auch die sozialsten und warmherzigsten Menschen selten dabei beobachtet, wie sie an der Supermarktkasse die Einkäufe von anderen bezahlen. Im normativen Sinn – dass man diese Art von Präferenzen haben sollte – versteht ohnehin kein Ökonom ein solches Modell; diese Behauptung ist schlicht lächerlich. Bei Felber aber ist von derlei Differenzierung nichts zu spüren. Theorie, Modell, Wirtschaftssystem – alles ist sowieso eins, und alles ist falsch und Unsinn.

Ähnlich Felbers Urteil über die "Mathematisierung" der Ökonomik seit den 1950er-Jahren. Moderne ökonomische Modelle beschäftigen sich mit dem Wert und der Veränderung von quantitativen Größen und bedienen sich deshalb selbstverständlich der Sprache der Mathematik. Tatsächlich gab und gibt es immer wieder Auswüchse der ökonomischen Theorie, die einen so hochkomplexen mathematischen Apparat bedienen, dass sie nur noch von einer kleinen Gruppe von Spezialisten nachvollzogen werden können, während ihre Implikationen für die reale Welt eher bescheidener Natur sein dürften.

Die "typische" Mathematik in ökonomischen Zeitschriften betrifft das aber keineswegs, und schon gar nicht die Mathematik, die in Lehrbüchern zum Einsatz kommt. Christian Felber aber ist offenbar jede Formel ein Graus. Statt über reale ökonomische Institutionen zu reden, produziert der Mainstream laut Felber nicht nur Zahlen, sondern – horribile dictu – sogar "endlose Buchstabenketten", was anscheinend das Privileg der Naturwissenschafter sein sollte. Felbers Feldzug gegen die Mathematik gleitet dabei mitunter ins Absurde ab, etwa wenn er ausgerechnet dem (mathematischen) Ökonomen Léon Walras gegen die Mathematisierung gerichtete Worte in den Mund legt, mit denen Walras aber tatsächlich nur seine akademischen Gegenspieler zitierte.

Parallelen zur Frage des menschengemachten Klimawandels

"Sozialwissenschaftliche Untersuchungsgegenstände eignen sich prinzipiell nicht für die 'Erklärung' mit mathematischen Modellen", so Felbers seltsam dogmatisch anmutendes Urteil, und als Begründung führt er an, dass "zwischenmenschliche Beziehungen" irgendwie nicht berechnet werden könnten. Wie ist das dann zum Beispiel mit dem "Gesetz der Nachfrage", also dem regelhaft auftretenden Phänomen, dass die Nachfrage nach einem Gut mit steigendem Preis sinkt? Die Nachfrage ist immerhin eine quantitative Größe, und dass sie tatsächlich dieser mathematisch fassbaren Regelhaftigkeit unterliegt, ist nicht nur in der Mikroökonomik theoretisch, empirisch und experimentell bestens belegt, sondern gehört auch zum Grundverständnis jedes Unternehmers. Jedoch: Alles Quatsch, wenn es nach Felber geht. Denn Individuen könnten etwa ihre Präferenzen ändern, und flugs "löst sich das 'Gesetz' der Nachfrage in Luft auf". Tatsächlich: Wenn der Preis für laktosefreie Milch steigt, Anna aber gleichzeitig eine Laktoseunverträglichkeit diagnostiziert bekommt, dann wird sie vermutlich mehr statt weniger von diesem Produkt nachfragen als zuvor. Dass es sich dabei um Ausnahmefälle handelt, die auf individueller Ebene liegen und im Aggregat keine Rolle spielen, ist für Felber irrelevant, meint er doch, mit seinem Gegenargument ein angebliches "Gesetz" widerlegt zu haben.

"This is not economy": Gegen die Mainstream-Ökonomik?
Foto: Getty Images/iStockphoto/Foryou13

Vom Begründer der Gemeinwohlökonomie sollte man erwarten können, dass er sich zumindest am Rande auch mit dem Wohlfahrtsbegriff der Ökonomik beschäftigt hat. Mit dem zentralen wohlfahrtsökonomischen Konzept der Pareto-Effizienz kann Felber jedoch gar nichts anfangen. Nicht nur, dass er den Begriff falsch erklärt, er präsentiert ihn auch noch als das zentrale "Gerechtigkeitskonzept" der Mainstream-Ökonomik, was schlicht und ergreifend Unsinn ist.

Vollends grotesk wird es, wenn sich Felber den Effekt von Handel auf das Wirtschaftswachstum vorknüpft. Dass dieser Effekt positiv ist, ist durch eine dermaßen große Fülle unterschiedlichster Evidenz belegt, dass man eine Parallele zur Frage des menschengemachten Klimawandels ziehen kann: Es gibt in der Fachwelt einen überwältigenden Konsens, dem ein paar vereinzelte konträre Positionen gegenüberstehen. Die pseudowissenschaftliche Argumentationsstrategie der Klimawandelleugner ist bekannt: Sie stützt sich auf das selektive Zitieren von negativen Resultaten und auf die Falschdarstellung von positiven Studien.

Felber agiert um nichts anders. Triumphierend präsentiert er eine Gegenposition zum ökonomischen Konsens in Form einer drei Jahre alten, unveröffentlichten Arbeit eines heterodoxen Wiener Volkswirts und kommentiert eine großangelegte Übersichtsarbeit über den Zusammenhang zwischen Handel und BIP-Wachstum mit den Worten, es lasse sich darin "kein eindeutiger Zusammenhang nachweisen". Tatsächlich schreiben die Autoren der Übersichtsarbeit in ihrem Fazit das genaue Gegenteil: Die Wachstumseffekte von Handel seien nicht nur positiv, sondern ihrer Größe nach auch "durchaus bedeutend". Während es Klimawandelleugnern vielfach schon ausreicht, mit ihren manipulativen Methoden unberechtigte Zweifel zu säen, geht Felber aber noch einen ganzen Schritt weiter. Der Konsens sei "erfunden", so urteilt er mit spürbarem Eifer, die Lehrbücher fehlerhaft, und überhaupt: "Ohne Freihandel wäre die Armutsreduktion stärker ausgefallen!", inklusive Rufzeichen.

Die "Erlösung" jenseits des Mainstreams

Auf diesem Niveau geht es über weite Strecken dahin, und als gelernter Ökonom schwankt man zwischen Lachen und Weinen. Freilich finden sich in dem Sammelsurium auch so manche Ansätze von berechtigter Kritik, doch diese stehen verloren zwischen all den Strohmännern und entwerten sich so von selbst. Am Ende enttäuscht dann auch noch der Ausblick auf angebliche Alternativen zur Mainstream-Ökonomik beziehungsweise -Ökonomie.

Die "pluralen" Ansätze, die im fünften und letzten Teil des Werks angeboten werden, müssen mit gerade einmal einem Zehntel des Textumfangs auskommen, das dem Mainstream-Bashing gewidmet ist. In erster Linie ist es natürlich die Gemeinwohl-Ökonomie, aber auch alle anderen heterodoxen Lehren sollen die ersehnte Erlösung von der verderbten Neoklassik bringen: Genderökonomik, historische Ökonomik, ökologische Ökonomik, marxistische und postkeynesianische Theorien, Systemwissenschaften und Komplexitätsökonomik et cetera. Also im Grunde quer durchs Gemüsebeet alles, was abseits des Mainstreams so gedeiht.

Diese "Theorien" seien irgendwie zu einem "pluralen Paradigma" zusammenzuführen – und alles werde gewiss besser. Dass diese heterodoxen Ansätze den Mainstream niemals ersetzen, sondern allenfalls ergänzen könnten, und dass sie sich teils gegenseitig heftigst widersprechen, ist Felber keine Diskussion wert. Als Methodik der Zukunft empfiehlt er statt mathematischer Modellierung und ökonometrischer Analyse etwa Fallstudien, Tiefeninterviews und Diskursanalysen sowie "einfache Statistik ohne hochraffinierte Ökonometrie". Am besten mit Federkiel auf Papyrus gekritzelt, möchte man unwillkürlich ergänzen bei so viel Rückschrittsglauben.

Er habe deshalb nicht Wirtschaftswissenschaften studiert, meint Felber, weil ihm diese zu wenig "ganzheitlich" erschienen seien. Nun, das muss man auch nicht, aber beim Verfassen einer ernst genommen werden wollenden Kritik an der Ökonomik hätte es wohl geholfen. In der Einleitung beklagt der Autor, vonseiten akademischer Ökonomen sei ihm vorgeworfen worden, er hätte grundlegende Prinzipien der VWL und die Funktionsweise von Märkten nicht verstanden. Dass sein jüngstes Werk dazu beitragen wird, diese Vorwürfe verstummen zu lassen, darf bezweifelt werden. (Ulrich Berger, 24.9.2019)

Ulrich Berger ist Professor am Department Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. Er arbeitet mit Methoden der evolutionären Spieltheorie an Themen wie der Entwicklung von Kooperation und Vertrauen und muss laut Felber damit wohl als "Pluralist" kategorisiert werden.
Foto: Studio Huger