Keine Messestände wie auf der Vienna Contemporary, sondern ganze Räume werden bei der Parallel Vienna bespielt – hier das durchweg pinke "Artist Statement" der jungen Künstlerin Olivia Altmann.

Foto: Thomas Eisl

Johanna Chromik ist neue Leiterin der Vienna Contemporary.

Kristina Kulakova

Zum siebenten Mal veranstaltet Stefan Bidner die Parallel.

Parallel Vienna

Johanna Chromik, die neue Leiterin der Vienna Contemporary, und Stefan Bidner, einer der Chefs hinter der Parallel Vienna, sind sich einig: Die beiden Veranstaltungen zusammenzulegen ist kein Thema. Denn Wien ist – glaubt man den beiden – groß genug für zwei zeitgenössische Kunstmessen. Auch dass sie gleichzeitig stattfinden, belebe das Geschäft eher, als dass es ihm schade. Beim ersten Doppelinterview herrscht daher Eintracht.

STANDARD: Vienna Contemporary und Parallel Vienna wirkten immer wie Messe und Gegenmesse. Rücken die Profile näher zusammen?

Bidner: Es überschneiden sich mittlerweile einige Galerien, das wirkt vielleicht wie ein Zusammenrücken. Vor sieben Jahren gab es keine Plattform für junge Künstler ohne Galerie. Diese Lücke wollten wir füllen und haben deshalb die Parallel Vienna gestartet. Da ging es nie um eine Gegenmesse, das sehe ich auch bis heute nicht.

Chromik: Die Parallel erinnert mich vom Auftreten her an das Berlin vor zehn, fünfzehn Jahren. Da gab es Orte, an denen die Künstler direkt verkauften. Wir haben ein anderes Profil. Wir sind der Ort, der die Galerien aufnimmt. Bei uns ist es wichtig, dass wir die Akteure aus Zentral- und Osteuropa dabeihaben, um Interessenten von außen reinzubringen.

STANDARD: Die Eintrittspreise gleichen sich jedenfalls an. Bei der Vienna Contemporary kostet das Tagesticket im Vorverkauf 12,50 Euro, bei der Parallel zehn. Herr Bidner, früher war's billiger.

Bidner: Die Parallel ist ein Unternehmen, und die Subventionen, die wir bekommen, decken bei uns zehn Prozent der Kosten ab. Bei 90 Prozent Eigenfinanzierung muss man von den Besuchern einen Beitrag erwarten können. Am Anfang hatte ich starke Skrupel – ich wollte keine Barriere schaffen. Von den jungen Künstlern, die wir das erste Mal zeigen, verlangen wir kein Geld. Die Offspaces zahlen 480 Euro, die Galerien 1500 – das ist ein Bruchteil davon, was es bei üblichen Messen kostet. Dazu kommen die Partys als Teil der Finanzierung, auch wenn ich die eigentlich nicht will. Wir haben 10.000 Quadratmeter an Kunst und 150 Teilnehmer. Ich habe also kein schlechtes Gewissen mehr, weil wir zehn Euro Eintritt verlangen.

STANDARD: Wien oder Österreich hat nicht den größten Kunstmarkt. Wie viele Messen vertragen wir?

Bidner: Der Kunstmarkt ist ziemlich klein, es gibt eine überschaubare Dichte an Sammlern, und es herrscht nicht dieselbe Tradition für das Sammeln von zeitgenössischer Kunst wie in Deutschland.

Chromik: Die Wiener Szene hat in den letzten Jahren einen Energieschub erlebt und ist sehr agil. Dahingehend kann man nicht von Sättigung sprechen. Was die Sammler betrifft: Wir haben da längst nicht alles abgeschöpft. Es ist auch meine Aufgabe, diese Netzwerke zu erweitern, besonders in den Bundesländern.

STANDARD: Große Institutionen wie das Belvedere 21 docken mit Ausstellungen wie "Über das Neue" an die Offspace-Szene an ...

Bidner: Diese Szene ist ja genau deswegen entstanden, weil die großen Ausstellungshäuser die jungen Künstler davor nicht berücksichtigt hatten. Sie haben es einfach verschlafen. Wir haben dieses Vakuum schon vor Jahren erkannt.

STANDARD: Wir sprachen vorher von einer agilen Szene. Welche anderen Faktoren müssen für einen funktionierenden Markt stimmen?

Bidner: Die großen Häuser müssen mitspielen, denn über sie bekommt man Bestätigung. Es braucht aber auch den politischen Willen und eine Person, die das Potenzial dieser Szene erkennt. Und es braucht auch Geld.

STANDARD: Wofür?

Chromik: Für Ankaufsetats zum Beispiel. Aber auch wie sich Wien nach außen präsentiert, ist wichtig. Da geht es um Tourismusstrategien für die Stadt. Man kann da nicht nur die eine Schiene mit Klimt und Schiele fahren, auch wenn das nachvollziehbar ist. Wir brauchen ein stärkeres Commitment zu zeitgenössischer Kunst.

Bidner: Die großen Häuser machen Touristenausstellungen. Da geht so viel verloren, so viel wird vergessen. Wir bilden die jungen Künstler um sehr viel Geld aus, die Drop-out-Quote ist superhoch. Am Schluss bleiben zehn Prozent übrig – das kann es doch nicht sein!

STANDARD: Auf der Parallel können sich auch weniger gut betuchte Kunstinteressierte etwas leisten – was tut die Vienna Contemporary in dieser Hinsicht?

Chromik: Man kann sich auch bei uns etwas leisten! Wir ziehen gerade Editionen mehr ins Zentrum. Sicherlich ein klassischer Zugang, aber wo und wie bekommt man sonst einen Ruscha für einen annehmbaren Preis? Unsere Kernklientel sind mittelständige und junge Galerien, viele aus Osteuropa. Da kann man preislich ganz gut fahren.

STANDARD: Das Internet stellt auch den Kunstmarkt vor neue Herausforderungen, man kann Kunst auf Instagram kaufen usw. Wie arbeiten Sie mit diesen Entwicklungen?

Chromik: Ein wichtiges Thema! Wir arbeiten zum Beispiel mit Artsy (Online-Plattform zum Sammeln von Kunst, Anm.) zusammen, weil wir Visibilität und Partner brauchen. Instagram ist eines der notwendigen Tools, um die jüngeren Sammler zu erreichen.

Bidner: Heuer versuchen wir ein neues Konzept namens Parallel-Shop, wo die Aussteller etwas beisteuern können. Wir wollen dann eine ganzjährige Online-Plattform etablieren. Noch vor ein paar Jahren hielt es niemand für möglich, Kunst online zu (ver)kaufen. (Amira Ben Saoud, 24.9.2019)