1. Obwohl die Zahl der Anzeigen zurückgeht, steigt die subjektive Verunsicherung. Wie kann dieses Phänomen entschärft werden?

Sebastian Kurz, ÖVP: Nicht zuletzt die Auswirkungen der Flüchtlingskrise 2015 sowie steigende terroristische Bedrohungen haben viele Menschen verunsichert. Wir wollen daher die sichtbare Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum erhöhen, um der Bevölkerung wieder mehr Sicherheit zu geben.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Offene Aufklärung und Information mit der gebotenen Sachlichkeit anstatt Desinformation und Angstrhetorik!

Norbert Hofer, FPÖ: Innenminister Herbert Kickl hat in seiner Amtszeit viele Wahlversprechen umgesetzt. Konsequente Abschiebung straffällig gewordener Ausländer hat unser Land wieder sicherer gemacht. Die FPÖ hat 2000 zusätzliche Polizeiplanstellen und weitere 2000 Ausbildungsplätze erkämpft

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl entgegen allen Fakten verschlechtert hat, ist das Ergebnis verantwortungsloser türkis-blauer Demagogie. Wir stehen für rationale Sicherheitspolitik, die auf Probleme angemessen reagiert. Xenophobie oder plumper Nationalismus haben keinen Platz.

Peter Pilz, Liste Jetzt: Wir treten klar gegen die Politik der Angst durch Rechtspopulisten wie FPÖ und ÖVP auf. Wir nehmen Probleme und Ängste der Bürger und Bürgerinnen ernst. Im Zentrum steht für uns die Bekämpfung des Rechtsextremismus von Neonazis und Burschenschaften und des politischen Islams.

Werner Kogler, Grüne: Wir schlagen eine Ausweitung von Betreuungsangeboten für vulnerable und sozial benachteiligte Gruppen sowie mehr Hilfe bei häuslicher Gewalt vor. So werden Konfliktpotenziale rechtzeitig erkannt und entschärft. Tatsache ist aber, dass Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist.

Die Parteien haben zum Teil konträre Lösungsansätze gegen die subjektive Verunsicherung in der Bevölkerung.
Foto: APA/Herbert Pfarrhofer
2. Was sind die größten sicherheitspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre?

Kurz: In den nächsten Jahren werden verstärkt Cyberkriminalität, aber auch Hetze gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unsere Polizei herausfordern. Darauf wollen wir unsere Polizistinnen und Polizisten bestmöglich personell und materiell vorbereiten und ihnen das nötige Werkzeug geben.

Rendi-Wagner: Der Bereich der Cyber-Security. Hier brauchen wir bestens qualifiziertes Personal.

Hofer: Neben der Massenzuwanderung und der damit verbundenen verfehlten Politik der Europäischen Union sind sicher der islamistische Extremismus und der Terrorismus die größten sicherheitspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Meinl-Reisinger: Ein Hotspot ist sicher die Cyberkriminalität. Bei einem Anstieg von Delikten von zuletzt fast 17 Prozent entstand ein Schaden von über 60 Millionen Euro. Die Aufklärungsquote ist schlecht (34 Prozent). Darum brauchen wir mehr Ressourcen in den Cyberfachabteilungen der Polizei.

Pilz: Steigende Terrorgefahr und Radikalisierung. Rechtsextreme Burschenschaften müssen verboten, salafistische Moscheen geschlossen und Hassprediger ausgewiesen werden. Neben Schäden durch Cybercrime droht politische Destabilisierung durch Propaganda und Fake-News.

Kogler: Cyberkriminalität, Korruption und Steuerbetrug, familiäre und häusliche Gewalt.

3. Es war nie einfacher als heute, Polizist zu werden. Sollen die gelockerten Aufnahmekriterien wieder angehoben werden?

Kurz: Um die Sicherheit zu garantieren, haben wir in der letzten Bundesregierung beschlossen, stufenweise über 4000 zusätzliche Planstellen und Ausbildungsplätze zu schaffen. Kriterien bei der Rekrutierung wurden tatsächlichen Erfordernissen angepasst, dabei qualitativ keinerlei Abstriche gemacht.

Rendi-Wagner: Diese Behauptung stimmt so nicht. Sowohl bei intellektuellen Testungen als auch bei physischen Kriterien gab es keine Nivellierung nach unten, sondern nur Änderungen bei Abläufen. Für noch mehr gute Bewerber und Bewerberinnen sollten Anreize (Aufstieg, Bezahlung) geschaffen werden.

Hofer: Die Kriterien für den Aufnahmetest wurden nicht herabgesetzt, sondern das Aufnahmeverfahren als solches modernisiert. Die sportlichen Anforderungen zum Beispiel wurden an die Erfordernisse des polizeilichen Einsatzes angepasst.

Meinl-Reisinger: Gut war es, gewisse Hürden wie Tattoos zu streichen. An Kriterien zu Fitness, Stressresilienz, Sozial- und Sprachkompetenz und Rechtsverständnis sollte man nicht rütteln. Man sollte vernünftiger rekrutieren – weniger bei Partyreisen und nicht über Inserate in rechten Medien.

Pilz: Ja, deutlich, aber auch Einstiegsgehälter müssen verbessert werden. Unter Kickl wurde auf Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen in rechtsextremen Medien gesetzt. Diese toxische Mischung führt dazu, dass Polizisten vermehrt mit rechtsextremen Aktivitäten und Gewalt auffallen.

Kogler: Die Anforderungen sollen angehoben werden. Gleichzeitig sollen etwa Schnupperwochen potenziellen Bewerbern und Bewerberinnen helfen zu entscheiden, ob ein Job bei der Polizei auch wirklich der richtige ist. Unabdingbar ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung.

Durch modernisierte Aufnahmekriterien und bessere Einstiegsgehälter sollen junge Leute für den Polizeidienst gewonnen werden.
Foto: APA/Hans Punz
4. Bei Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei ermittelt de facto die Polizei. Warum gibt es keine unabhängige Instanz?

Kurz: Bei Vorwürfen von Gewalt durch Polizistinnen und Polizisten ermittelt die Staatsanwaltschaft. Diese ist als Behörde der Justiz bereits jetzt vollkommen unabhängig von der Polizei.

Rendi-Wagner: Die Polizei hat das Gewaltmonopol und muss es äußerst sensibel und gesetzeskonform wahrnehmen. Zur Überprüfung allfälliger Überschreitungen wäre die Volksanwaltschaft geeignet, da sie auch jetzt für die Kontrolle der Menschenrechtslage zuständig ist.

Hofer: Die bestehenden Behörden sind ausreichend. "Body-worn cameras" können hier viel zur Aufklärung beitragen.

Meinl-Reisinger: Weil sich das Innenministerium seit Jahrzehnten dagegen wehrt. Die Statistik zeigt, dass unverhältnismäßige Polizeigewalt selten Konsequenzen hat. Ein transparentes, unabhängiges Verfahren würde die Polizei vor dem Vorwurf der Befangenheit bewahren.

Pilz: Weil sich ÖVP, FPÖ und SPÖ seit Jahren gegen eine unabhängige Kommission wehren. Wir fordern im Einklang mit allen Menschenrechtsexperten eine Spezialeinheit, die außerhalb der Weisungskette des Innenministeriums angesiedelt ist, aber zugleich alle polizeilichen Befugnisse hat.

Kogler: Führende Politiker und Politikerinnen betrachten eine unabhängige Prüfungsinstanz leider immer noch als Angriff auf Polizisten und Polizistinnen. Tatsache ist aber, dass eine unabhängige Prüfung die Polizei entlasten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizeiarbeit erhöhen würde.

(Michael Simoner, 23.9.2019)