"Jemand, der Steine auf Polizisten schmeißt, ist nicht gut, wenn er links ist, und schlecht, wenn er rechts ist." Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in der Puls-4-Diskussion mit seinem ehemaligen Koalitionspartner Norbert Hofer von den Freiheitlichen jegliche politische Gewalt verurteilt – aber dann war es mit der Einigkeit der beiden Politiker aus dem (Mitte-)Rechts-Lager schon vorbei: Kurz verteidigte sein Anliegen, die Identitären zu verbieten.

Hofer ist dagegen – aber es fiel den beiden Politikern lange schwer, Differenzen herauszuarbeiten, so sehr ist die FPÖ darauf eingeschworen, die ÖVP wieder zur Kanzlerpartei zu machen. Um wenigstens bei eigenen Anhängern zu punkten, hat Hofer seinem Gegenüber einen Gutschein für eine Kutschenfahrt im Burgenland mitgebracht. Hofer-Fans werden verstanden haben, dass das bedeutet, dass Hofer mit Kurz "schlittenfahren" will – aber das ist dann doch nicht passiert.

Sachthemen nach 20 Minuten

Nicht einmal dann, als nach mehr als 20 Minuten Diskussion endlich Sachthemen angesprochen wurden.

Beim Thema Pflege waren sich beide einig, beim Thema Rauchen brachte Hofer die Argumente der Wirtschaftskammer (deren Präsident der ÖVP-Wirtschaftsbündler Harald Mahrer ist) zum Schutz der Interessen der Wirte. Kurz erinnerte daran, dass er beim Rauchverbot seinerzeit "schweren Herzens" dem Kompromiss mit der FPÖ zugestimmt, dann im "freien Spiel der Kräfte" aber das Rauchverbot wieder eingeführt hat. Die Probleme mit Rauchern vor Lokaleingängen müsse man aber lösen. Beim Bundesheer punktete Hofer als Vertreter einer wehrfreundlichen Linie und plädierte für eine Verlängerung des Grundwehrdienstes. Kurz bediente zwar das konservative Mantra "Schule der Nation", blieb aber hart, was Budget und Dienstzeitverlängerung betrifft.

Die Begegnung zwischen Kurz und Hofer lief harmonischer ab als jene von Hofer mit Rendi-Wagner.
Foto: APA/Georg Hochmuth

Rendi-Wagner greift an

Insgesamt war die Begegnung zwischen Kurz und Hofer aber viel harmonischer als jene von Hofer mit SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner: Diese warf Hofer sofort die "Einzelfälle", "Rattengedichte" und den Vergleich eines ORF-Studios mit dem NS-Volksgerichtshof vor. Bei den vermuteten Schnittmengen von Sozialdemokraten und Freiheitlichen sei sie enttäuscht worden, sagte Rendi-Wagner und warf der FPÖ einmal mehr Spaltung vor.

Hofer warf Rendi-Wagner umgekehrt "Angstmache" vor – und relativierte: Wenn andere vor den Folgen des Klimawandels warnten, dann gelte das nicht als "Angstmache". Hofer versuchte es dann dennoch konziliant und forderte Rendi-Wagner auf, gemeinsame Schnittmengen in der Sachpolitik zu suchen.

Rendi-Wagner warf Hofer Spaltung vor, Hofer der SPÖ-Spitzenkandidatin Angstmache.
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Zwölfstundentag und Vermögenssteuer

Diese ließ sich darauf aber nicht ein – und warf Hofer prompt eine Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas vor. Die Einführung des Zwölfstundentags kann Rendi-Wagner der früheren Koalition und natürlich auch der FPÖ nicht verzeihen. Sie sprach von einem Rückschritt ins 19. Jahrhundert – und mahnte ein, dass die versprochene Möglichkeit, eine Viertagewoche einzuführen, ausgeblieben sei. Hofer konterte, dass die vielen angekündigten Klagen gegen diese Arbeitszeitflexibilisierung ausgeblieben seien.

Rendi-Wagner wiederholte ihren Vorschlag, dass jene zwei Prozent der Bevölkerung, die ein Vermögen von über einer Million haben, davon jährlich ein halbes Prozent abführen müssten, während Hofer (wie auch davor Kurz) sich darauf festgelegt hat, dass es keine neuen Steuern geben dürfe.

Im Verlauf der Diskussion bemühte sich die SPÖ-Chefin aber auch, ein paar positive Aspekte bei der FPÖ zu finden, um sich deren Anspruch entgegenzustellen, die erfolgreichere Arbeiterpartei zu sein.

Harte Bandagen bei Rendi-Kurz

"Ganz fundamentale Unterschiede" gab es in den Worten des als Kanzler abgewählten ÖVP-Chefs Kurz dann in seinem Gespräch mit Rendi-Wagner zu begutachten – im Inhalt, im Stil wie auch auf persönlicher Ebene. Abseits der Präsente zu Beginn – ein Wien-Paket samt "I ♥ Vienna"-T-Shirt für Kurz, ein Buch über Meidling sowie eines über das Waldviertel für Rendi-Wagner – hatten die beiden einander dabei nur wenig zu schenken. Über weite Strecken verlief die Diskussion angespannt und persönlich, mehrfach versuchte Moderatorin Corinna Milborn Kurz und Rendi zu neuen Themen zu bewegen. Oft blieben diese Versuche wegen anhaltender Reden und Gegenreden aber vergeblich.

"Fundamentale Unterschiede" zwischen Sebastian Kurz und Pamela Rendi-Wagner.
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Nicht zuletzt die Debatte über die wahre Herkunft Kurz' bot dabei auch skurrile Züge. Der Ex-Kanzler forderte Rendi-Wagner auf, "auf meiner Facebook-Seite" ein altes Wahlkampfvideo nachzusehen, in dem er betone, sowohl in Meidling wie auch im Waldviertel aufgewachsen zu sein: "Ich bin doch nicht irre", er wisse, wo er herkomme. Rendi-Wagner glaubte ihm dennoch seine Beteuerung nicht, "das halbe Jahr" in Niederösterreich verbracht und gleichzeitig in Wien die Schule besucht zu haben.

Migration und kein Ende

Lange Strecken der Debatte boten erneut Gelegenheit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Thema Migration zu verfolgen – einerseits, weil Kurz geschickt die Diskussionen zu Gesundheit, Sicherheit, Sozialsystem und Bildung mit "Fehlentwickungen" beim Zuwanderungsthema verknüpfte. Andererseits auch, weil Milborn die Meinung ihrer Gäste zur EU-Einigung auf ein neues provisorisches Flüchtlingsverteilungssystem ausloten wollte. Kurz betonte dabei seinen Standpunkt, Österreich werde keine zusätzlichen Migranten aufnehmen, Rendi-Wagner gab ihm in dieser Frage recht – wollte zur EU-Einigung mangels verfügbarer Informationen aber noch kein Urteil abgeben. Zudem warf die SPÖ-Chefin ihrem Gegenüber vor, in seiner Regierung sei in Sachen Migrationspolitik nichts weitergegangen, etwa bei der Schaffung einer Frontex-Truppe oder bei Rücknahmevereinbarungen. Die ÖVP wolle hier keine Lösungen finden, so Rendi-Wagner, weil das Thema sich gut im Wahlkampf nutzen lassa.

Als Beispiel dafür nannte sie später auch das Thema Mindestsicherung: "Sie schreien immer nach Ausländern, aber in Wahrheit treffen Ihre Maßnahmen auch Österreicher", so der Vorwurf an Kurz. Relativ wenig Zeit blieb dann noch für die Themen Gesundheit und Wohnen. Dabei tauschten die beiden erneut unterschiedliche Ansichten zur Fusion der Sozialversicherungen aus, die Rendi-Wagner als teure Zerschlagung eines gut funktionierenden Systems und Kurz als gelungene Sparaktion charakterisierte. Weitgehend einig gaben sich die Parteichefs beim Ende der Maklergebühren für Mieter.

Kann es angesichts der offenkundigen Antipathie trotzdem eine Koalition der beiden Parteien geben? Das werde sich sein Team nach der Wahl überlegen, so Kurz, der vor allem vor einer "linken Mehrheit" warnte, die laut Umfragen derzeit freilich kaum über 40 Prozent der Stimmen käme. Rendi-Wagner wiederum nannte als Ziel, eine "Fortsetzung der Ibiza-Koalition zu verhindern". (cs, mesc, 23.9.2019)