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Das Warten hat heute ein Ende – auch für die Demonstranten vor dem britischen "Supreme Court" in London.

Foto: Reuters / Toby Melville

London – Sowohl Gegner wie auch Befürworter des Brexit zittern in Großbritannien einer weitreichenden Entscheidung des obersten britische Gerichts entgegen. Dieses will am Dienstag um 11.30 Uhr MESZ eine Entscheidung zu der von Premierminister Boris Johnson auferlegten Zwangspause des Parlaments treffen. Der STANDARD wird live berichten. Die elf Richter des Supreme Courts müssen entscheiden, ob sie in den Streit zwischen Parlament und Regierung eingreifen.

Der Oberste Gerichtshof in London will am Dienstag sein Urteil verkünden, ob die fünfwöchige Zwangspause des Parlaments rechtmäßig ist, die Premierminister Boris Johnson verordnet hat. Eva Pöcksteiner (ORF) berichtet aus London.
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Falls sie diesen Weg wählen, stünde ein Urteil darüber an, ob Johnson gegen das Gesetz verstoßen hat, als er bei Königin Elizabeth II eine fünfwöchige Parlamentspause erwirkte. Eine Niederlage wäre ein schwerer Schlag für Johnson und dürfte Rücktrittsforderungen nach sich ziehen.

Bei der dreitägigen Anhörung in der vergangenen Woche war über mehrere Klagen im Berufungsverfahren verhandelt worden, in denen Gerichte in erster Instanz auf den ersten Blick sehr unterschiedlich geurteilt hatten.

Zwei Klagen, zwei Urteile

Das oberste schottische Gericht hatte auf eine Klage der schottisch-nationalistischen Abgeordneten Joanna Cherry und Dutzender weiterer Mandatarinnen und Mandatare die Ansicht vertreten, Johnson habe die Königin über seine wahren Absichten für die Parlamentspause getäuscht. Ziel des Regierungschefs sei gewesen, die Abgeordneten kaltzustellen, damit er seine Pläne für einen möglicherweise ungeregelten Brexit durchziehen könne.

Der High Court in London hatte dagegen eine Klage der Geschäftsfrau Gina Miller gegen die Zwangspause abgelehnt. Demzufolge handelt es sich um eine rein politische Angelegenheit, in der Gerichte nicht zuständig seien. Neben der Frage der Zuständigkeit ging es bei der Verhandlung vor dem Supreme Court aber vor allem um einen Disput zu einem anderen Bereich der Rechtsauslegung, nämlich des Vorrangs des Parlaments und um dessen Recht, regelmäßig tagen zu dürfen.

Beide Urteile sollten nun vom Supreme Court überprüft werden – als möglich gilt, dass das Höchstgericht wegen der unterschiedlichen Rechtssprechung in Schottland und England beide Urteile für korrekt erklärt. Im englischen Bill of Rights aus dem Jahr 1689 ist vermerkt, das Parlament solle "regelmäßig zusammenkommen", im schottischen Claim of Rights aus dem gleichen Jahr finde sich der Zusatz "und muss dabei tagen dürfen". Würden beide Urteile bestätigt, Fall wäre die Zwangspause des Parlaments aber nach Ansicht von Rechtsexperten als Ganze betrachtet dennoch aufzuheben, da die strengeren parlamentarischen Grundsätze Schottlands Geltung für das gesamte Vereinigte Königreich haben müssten.

Viele offene Fragen

Was dann passieren würde, ist unklar: Möglich ist, dass die Richter der Regierung anordnen, das Parlament sofort wieder zusammenzurufen. In diesem Fall wäre die "Prorogation" selbst aber gültig, Gesetze müssten neu eingebracht werden. Denkbar ist aber auch, dass die Zwangspause als ganze für ungültig erklärt wird: Dann könnten Anträge, deren Debatte bereits begonnen hat, weitergeführt werden. In beiden Fällen ist nach Sicht des aktuellen britischen Kabinetts möglich, gleich eine neue Prorogation in die Wege zu leiten – ob man das auch tun werde, wollte die Regierung aber noch nicht sagen.

Aber auch ein Sieg für Johnson und Co ist denkbar: Dann nämlich, wenn alles anders kommt, als derzeit es Rechtsexperten derzeit für möglich halten und die Regierung Recht bekommt. In diesem Fall wäre die Zwangspause des Parlaments bis 14. Oktober fix – und Johnson seinem Ziel eines EU-Ausstiegs zum 31. des gleichen Monats einen guten Schritt näher. Das Parlament hätte dann mehrere Wochen weniger Zeit, ihm dabei Steine in den Weg zu legen. (mesc, APA, 24.9.2019)