Noah Lyles hat das Zeug, Zuseher in seinen Bann zu ziehen. Der US-Amerikaner kann nicht nur sprinten, sondern auch tanzen und rappen.

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Die Britin Dina Asher-Smith, eine der schnellsten Frauen weltweit.

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Diese WM geht in die Leichtathletik-Geschichte ein, das steht fest, noch bevor sie begonnen hat. Wegen der Temperaturen um 40 Grad, wegen des großen Stadions, das um 15 Grad heruntergekühlt wird, und wegen der Marathons, die um Mitternacht beginnen. Auch ohne Kühlung würde das 40.000 Zuseher fassende Khalifa International Stadium kaum brodeln, der Kartenvorverkauf lief bis dato schleppend. Zuletzt berichtete der Guardian von 50.000 abgesetzten Tickets – für alle zehn Wettkampftage insgesamt.

Seit zwei Jahren, seit dem Rücktritt von Usain Bolt, heißt es ja, die Leichtathletik würde einen Superstar suchen, einen neuen Bolt. Der jamaikanische Sprinter hat ein Jahrzehnt lang für Furore gesorgt, acht Olympia- und elf WM-Titel gewonnen – und dabei stets eine Show abgezogen, eine Story geliefert. "Ich habe", sagte Bolt (33) einmal, "die Leute dazu gebracht, uns zuzusehen. Ich habe den Sport auf ein neues Niveau gehoben."

Coe: Bolt wie Muhammad Ali

Die erste WM ohne Bolt seit 2005 findet nun in der Wüste statt, ausgerechnet. Doch darbt die Leichtathletik tatsächlich ohne einen herausragenden Superstar? Der Brite Sebastian Coe, Präsident des Weltverbands (IAAF), macht kein Hehl daraus, dass er "hart daran arbeiten will, Profile und Charaktere hervorzuheben". Er habe, sagte Coe, "abgesehen von Muhammad Ali noch keinen Sportler erlebt, der die Menschen wie Bolt in seinen Bann gezogen hat. Solche Typen kannst du nicht ersetzen, das geht nicht."

Gregor Högler, Sportdirektor im österreichischen Verband (ÖLV) und Trainer des Diskus-EM-Dritten Lukas Weißhaidinger, sieht es wie Coe. "Einer wie Bolt ist selten", sagt Högler. "Aber die Leichtathletik lebt auch von der Abwechslung. Derzeit sind viele junge, interessante Erscheinungen unterwegs, Stars müssen auch nicht zwingend im Sprint daheim sein. Sergej Bubka, nur zum Beispiel, hat als Stabhochspringer die Leichtathletik geprägt." Freilich denkt auch Högler bei Stars in spe zunächst an den Sprint. Er denkt an Noah Lyles, den sie in den USA "the next big thing" nennen. Lyles (22) liefert nach Siegen Tanzeinlagen, er rappt, darüber hinaus malt er gut und gerne.

Die Allyson-Felix-Story

Der Stern der Britin Dina Asher-Smith (23) könnte in Doha ebenfalls hell leuchten. In der Sprintstaffel war sie schon Olympiadritte und WM-Zweite, vor einem Jahr in Berlin lief sie zu dreimal Gold. "Lyles und Asher-Smith sind tolle Typen, die haben was", sagt Högler und fügt hinzu: "Wir wollen gute Geschichten erzählen, darum geht's in der Leichtathletik, darum geht's im Sport."

Weitere (mögliche) Storyteller sind Karsten Warholm (400-m-Hürden) sowie die drei laufenden Ingebrigtsen-Brüder aus Norwegen. Oder der erst 19-jährige Stabhochspringer Armand Duplantis und Diskus-Seriensieger Daniel Stahl aus Schweden. Und mit Sicherheit die sechsfache Olympiasiegerin Allyson Felix (4×400-m-Staffel), die nach der Geburt ihrer Tochter zurückgekehrt ist und ihre neunte WM en suite bestreitet. Felix hatte ihren langjährigen Sponsor Nike, der ihr siebzig Prozent kürzen wollte, wegen seines Umgangs mit schwangeren Sportlerinnen kritisiert. Angesichts der Aufregung um Felix (33), die nun einen anderen Sponsor hat (Athleta), kündigte Nike neue Richtlinien im Umgang mit schwangeren Athletinnen an. Wenn das keine gute Geschichte ist. (Fritz Neumann, 24.9.2019)