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Nancy Pelosi will Donald Trump seines Amts entheben.

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Donald Trump hat angekündigt, das Protokoll des Telefonats demnächst veröffentlichen zu wollen.

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Washington – Der US-Kongress hat in der Nacht auf Mittwoch erste Schritte für eine Amtsenthebung von Präsident Donald Trump eingeleitet. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Abgeordnetenhauses, teilte in der Nacht auf Mittwoch mit, sie habe mit dem Beginn formaler Untersuchungen die erste Stufe jenes Prozesses gestartet, der in ein Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten münden könnte.

Hintergrund sind die jüngsten Vorwürfe gegen Trump, er habe in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Wiederaufnahme aus dem US-Budget bezahlter Militärhilfen von der Erfüllung ihm persönlich und politisch dienender Bedingungen abhängig gemacht. Konkret soll Trump den Beginn von Korruptionsermittlungen gegen den Sohn seines möglichen demokratischen Wahlgegners Joe Biden gefordert haben.

"Lächerliche Hexenjagd"

Nach Sicht der Demokratin Pelosi habe Trump damit Verfassungsbruch begangen. Der Präsident habe seinen Amtseid verletzt. Im Gegenzug zu möglichen Ermittlungen soll Trump dem Ukrainer auch ein unangemessenes "Versprechen" gegeben haben – zu dessen Inhalt ist indes nichts bekannt. US-Medien berichteten, Trump habe vor dem Telefonat persönlich angeordnet, der Ukraine zugesagte Hilfsgelder von 391 Millionen US-Dollar (355 Mio. Euro) zunächst nicht auszuzahlen – und Selenskyj so unter Druck zu setzen.

Berichtet hatte darüber bereits im August ein bisher anonymer Whistleblower, mutmaßlich aus dem Geheimdienstapparat. Dieser hatte sich an den Generalsinspekteur der Geheimdienste, Michael Atkinson, gewandt. Atkinson hatte daraufhin versucht, gesetzesgemäß die Abgeordneten über den Vorfall zu informieren. Der amtierende Geheimdienstdirektor Joseph Maguire hingegen habe ihn laut Medienberichten genau daran hindern wollen.

"Freundliches und angemessenes Gespräch"

Demokraten sehen in dem Vorfall versuchte Beeinflussung der im November 2020 anstehenden Präsidentenwahl mithilfe einer ausländischen Regierung und möglichen Amtsmissbrauch. Trump hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. Er sprach am Dienstag in New York von einer "lächerlichen Hexenjagd". Diese habe nur das Ziel, seinen Besuch bei der Uno-Generalversammlung zu sabotieren.

"So viel Arbeit und so viel Erfolg, und die Demokraten mussten das mutwillig zerstören", twitterte er. Zudem erklärte er, die Veröffentlichung der Mitschrift des strittigen Telefonats genehmigt zu haben. Die Öffentlichkeit werde dann sehen, "dass es ein sehr freundliches und absolut angemessenes Gespräch war", twitterte Trump. Allerdings hat die Ukrainer bisher eine Veröffentlichung nicht zugestimmt.

Der US-Präsident soll angesichts der möglichen Ermittlungen in der Nacht auch Kontakt zu Pelosi aufgenommen und die Bitte geäußert haben, einen Deal abzuschließen. Wie Pelosi laut einem Bericht des US-Senders MSNBC in einer Besprechung der Demokraten sagte, habe Trump mit den Worten "Können wir nicht etwas in dieser Whistleblower-Angelegenheit tun, können wir nicht eine Lösung finden?" eine Vereinbarung in Aussicht gestellt. Angaben Pelosis zufolge habe sie ihm darauf beschieden, er könne "seinen Leuten sagen, sie sollen das Gesetz einhalten".

"Druck auf Biden"

Trump wehrt sich zumindest öffentlich weiterhin vehement gegen die Anschuldigungen. Er erklärte in New York, er habe Selenskyj nicht unter Druck gesetzt. Bei der Zurückhaltung der Hilfsgelder sei es ihm darum gegangen, zu sehen, ob andere Staaten wie Deutschland und Frankreich mehr zahlen könnten. Allerdings räumte Trump ein, es sei Druck in Sachen Biden ausgeübt worden: "Sie haben Druck bekommen in Bezug auf Joe Biden. Was Joe Biden für seinen Sohn gemacht hat, das ist etwas, was sie prüfen sollten", sagte Trump. Er wirft Biden vor, die Ukraine als Vizepräsident unter Druck gesetzt zu haben, um Korruptionsermittlungen gegen seinen Sohn Hunter Biden, einen Geschäftsmann, zu verhindern. Biden hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Tatsächlich könnte die Affäre auch für den demokratischen Kandidaten gefährlich werden. Zwar gibt es kaum Belege für die Vorwürfe gegen seinen Sohn oder gar gegen ihn – doch politisch ist das Gerede über mögliche Korruption schädlich. Biden steht erstmals in landesweiten Umfragen unter Druck. Im Staat Iowa, wo im Februar die erste Entscheidung der demokratischen Vorwahlen fällt, ist er in einer Umfrage hinter seine Konkurrentin Elizabeth Warren zurückgefallen. Dennoch hat nun erstmals auch er eine Amtsenthebung des Präsidenten gefordert. Ebenso sagte Hillary Clinton, sie sei für ein Impeachment.

US-Senat entscheidet

Bisher war ein Impeachment-Verfahren auch bei den Demokraten umstritten. Im Zuge der neuen Ukraine-Vorwürfe sprachen sich aber immer mehr demokratische Parlamentarier für ein Amtsenthebungsverfahren aus: US-Medien bezifferten die Zahl der Befürworter auf rund 150. Mindestens 218 Stimmen sind nötig. Die Demokraten haben im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit von 235 der 435 Stimmen.

Pelosi stand einem Amtsenthebungsverfahren bisher sehr skeptisch gegenüber. In der Vergangenheit verwies sie immer wieder auf die hohen Hürden und die damit verbundenen Risiken. Kritiker weisen darauf hin, dass das Amtsenthebungsverfahren die Chancen der Demokraten schmälern könnte, Trump bei der Wahl im November 2020 aus dem Amt zu jagen.

Ein Impeachment-Verfahren könnte zwar mit der Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus angestrengt werden. Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung findet aber im Senat statt, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Für eine Absetzung ist dort eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. An dieser Hürde waren Ende der 1990er-Jahre die Republikaner gescheitert, als sie in der Lewinsky-Affäre ein Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton eingeleitet hatten.

250.000 Dollar in 15 Minuten

Bisher ist noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben worden. Zudem könnte ein Verfahren auch die Basis des US-Präsidenten befeuern. Eigenen Angaben zufolge nahm seine Wiederwahlkampagne innerhalb von 15 Minuten nach der Ankündigung Pelosis 250.000 US-Dollar ein.

Laut einer Umfrage steht jedoch bisher auch eine Mehrheit der US-Amerikanerinnen und Amerikaner hinter einem Impeachment-Verfahren. 55 Prozent aller Befragten hielten eine solches Vorgehen für richtig, wenn Trump tatsächlich Militärhilfen suspendiert habe, um so einen Vorteil im Wahlkampf zu erlangen, ergab am Mittwoch eine Erhebung des Instituts YouGov. Nur 26 Prozent waren dagegen. (mesc, APA, Reuters, 24.9.2019)