Golden Shiners sind gut zum Studium des Schwarmverhaltens geeignet.
Foto: Sean Fogenburg

Berlin – Werden sie verletzt, sondern verschiedene Fischarten aus der Verwandtschaft der Karpfen den sogenannten Schreckstoff (Hypoxanthin-3-N-oxid) ab. Ein internationales Forscherteam hat sich diese Substanz zunutze gemacht, um das Verhalten von Fischschwärmen im Gefahrenfall zu untersuchen. Denn während das Verhalten von Individuen bei veränderten Umwelteinflüssen bereits gut erforscht sei, gäben die Reaktionen von Schwärmen immer noch Rätsel auf, berichtet die Humboldt-Universität (HU) Berlin.

Fluchtkaskaden

Laut der Studie, die die Berliner Forscher zusammen mit Kollegen der Princeton University, der Arizona State University und vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie durchführten, sind die Reaktionen der "geschreckten" Fische fast vollständig durch die Anpassung des Schwarms bestimmt. Es kommt zu kollektiven Fluchtkaskaden, bei denen sich das Verhalten blitzartig durch den Schwarm ausbreitet. Die einzelnen Tiere im Schwarm rücken näher zusammen, werden aber nicht schreckhafter.

Je enger die Tiere beieinander sind, desto schneller breiten sich den Wissenschaftern zufolge soziale Informationen aus. Dadurch wird auch die kollektive Reaktion stärker – ohne dass der einzelne Fisch aufmerksamer sein muss. Als Versuchstiere dienten den Forschern Golden Shiners (Notemigonus crysoleucas), in Nordamerika beheimatete Verwandte des Karpfens.

"Schwarmintelligenz entsteht aus dem Zusammenspiel zwischen dem Verhalten einzelner Individuen und der dynamischen, veränderlichen Struktur des Schwarms", sagt Pawel Romanczuk, Leiter der Arbeitsgruppe "Kollektive Informationsverarbeitung" am Institut für Biologie der HU. "Die Risikowahrnehmung wird quasi an die Schwarmstruktur ausgelagert."

Mögliche technische Verwertbarkeit

Die in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlichten Erkenntnisse könnten auch für technische Entwicklungen genutzt werden. "Sie könnten helfen, neuartige, intelligente Roboterschwärme zu entwickeln, die bei autonomen Aufgaben unter gefährlichen Umweltbedingungen zum Einsatz kommen – sei es im Katastrophenfall oder bei der Erkundung der Tiefsee", so Romanczuk. (red, 29. 9. 2019)