Im Gefolge der Ukraine-Affäre, in der Donald Trump dem Vernehmen nach Militärhilfe mit Ermittlungen gegen seinen Widersacher Joe Biden verknüpft hat, werden in den USA erneut Rufe nach einer Amtsenthebung des 45. Präsidenten laut. Nicht zum ersten Mal: Schon im Zuge der Ermittlungen von Sonderermittler Robert Mueller zu möglichen Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zu Russlands Regierung hatten die Demokraten ein Impeachment des Republikaners gefordert. Und überhaupt haben Trumps Gegner zeit seiner Präsidentschaft mehr oder weniger laut über eine solche Möglichkeit nachgedacht. Auch diesmal dürften die Bemühungen der Demokraten kaum von Erfolg gesegnet sein. DER STANDARD hat einige der wichtigsten Fragen für Sie beantwortet:

Frage: Was genau wird Trump eigentlich vorgeworfen?

Antwort: Anlass für den Impeachment-Prozess sind die Vorwürfe gegen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij zu Ermittlungen gegen Joe Biden und seinen Sohn Hunter gedrängt zu haben und diese mit einer US-Militärhilfe für das finanziell klamme Land im Osten Europas verknüpft zu haben. Trump hat dies – zumindest in Bezug auf die zeitliche Koinzidenz – bereits zugegeben. Die Demokraten orten darin massiven Amtsmissbrauch und Verrat. Für Sprecherin Nancy Pelosi habe Trump damit seinen Amtseid gebrochen und die nationale Sicherheit gefährdet. Im Gesetz steht ein Impeachment an, wenn sich ein Präsident des "Verrats, der Bestechung oder anderer schwerer Verbrechen und Vergehen" schuldig gemacht hat. Genau die beiden letzten Punkte stehen seit jeher im Mittelpunkt erbitterten Streits. Fest steht aber, dass ein Präsident kein Gesetz gebrochen haben muss, um angeklagt werden zu können.

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Vor dem Weißen Haus haben Trump-Gegner Position bezogen.
Foto: AP Photo/Carolyn Kaster

Frage: Welche Mehrheiten braucht es für ein Impeachment im Kongress?

Antwort: Im Repräsentantenhaus reicht eine einfache Mehrheit. Dort haben die Demokraten mit 235 zu 198 Sitzen die Oberhand, eine Abstimmung dürfte dort also in ihrem Sinne ausgehen. Der abtrünnige Republikaner Justin Amash aus Michigan könnte ebenfalls mit den Demokraten stimmen, er ist wegen des Kurses Donald Trumps aus der republikanischen Fraktion ausgetreten. Wenn das "House" beschließt, Trump seines Amtes zu entheben, kann wiederum der Senat Anklage erheben und schließlich darüber abstimmen. Im Senat sieht die Sache aber gänzlich anders aus. Dort haben die Republikaner mit 53 zu 45 Sitzen die Mehrheit – und für ein Impeachment wäre eine Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen notwendig. Die beiden Unabhängigen schon eingerechnet, müssten sich also 20 republikanische Senatoren gegen ihren eigenen Präsidenten stellen, um das Impeachment durch das Repräsentantenhaus zu bestätigen. Dann erst wäre Trump sein Amt los. Wahrscheinlich ist das nicht.

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Nancy Pelosi verkündete den Schritt.
Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Frage: Welche formalen Schritte werden nun eingeleitet?

Antwort: Anders als in den beiden jüngsten Impeachment-Verfahren stimmt diesmal nicht das versammelte "House" über die Einleitung des Prozesses ab. Einzelne Abgeordnete können eine Resolution zur Amtsenthebung einreichen, oder die Kammer kann den Prozess über eine Resolution starten. Pelosi hat die sechs Ausschüsse des Repräsentantenhauses kraft ihres Amtes angewiesen, ihre ohnehin laufenden Untersuchungen zu Trump ab sofort unter Impeachment-Kriterien fortzuführen. Erst wenn alle sechs Gremien ihre Vorwürfe formuliert haben, wird darüber abgestimmt.

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Bill Clinton überstand das Verfahren 1998.
Foto: AP Photo/Doug Mills, File

Frage: Gab es in der Geschichte schon Amtsenthebungen von US-Präsidenten?

Antwort: Nicht wirklich. Im Jahr 1868 wurde der 17. Präsident der USA, der Demokrat Andrew Johnson, kurz nach Ende des Bürgerkriegs wegen Unstimmigkeiten über den Wiederaufbau des Südens angeklagt, sein Parteifreund Bill Clinton 1998 im Zuge der Lewinsky-Affäre. In beiden Fällen stimmte der Senat der vom Repräsentantenhaus beschlossenen Amtsenthebung nicht zu, sie blieben im Amt. Der Republikaner Richard Nixon hingegen trat im Zuge der Watergate-Affäre 1974 zurück, bevor das Verfahren gegen ihn beendet werden konnte.

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Richard Nixon trat von selber zurück.
Foto: AP Photo/File

Frage: Wie lange dauert ein solches Verfahren?

Antwort: Führende Demokraten haben das Jahresende als Frist angesetzt. Die Geschichte zeigt gleichwohl, dass ein solcher Prozess durchaus länger dauern kann. Bei Clinton waren es 127 Tage, bei Nixon 184 und bei Johnson 94 Tage.

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Auch Joe Biden kommen die Ermittlungen wahlkampftechnisch nicht zwingend zupass.
Foto: REUTERS/Bastiaan Slabbers

Frage: Wie wirkt sich ein solcher Prozess auf den Wahlkampf aus?

Antwort: Das ist schwer zu sagen. Eine aktuelle Umfrage von Yougov ortet eine Mehrheit in der US-Bevölkerung, die für ein Impeachment-Verfahren ist. Üblicherweise sind die US-Bürger mehrheitlich gegen einen solchen Prozess. Doch auch Joe Biden könnte ein sich in die Länge ziehendes Verfahren schaden, auch er gerät durch die Ermittlungen ins Gerede. In Iowa, wo im Februar die erste demokratische Vorwahl stattfindet, ist er bereits hinter seine linke Rivalin Elizabeth Warren zurückgefallen. (flon, 25.9.2019)