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Pro
von Doris Priesching

Da, wo ich herkomme, schoppten die Damen. Jeden Sonntagvormittag, pünktlich nach dem Ende der Messe, versammelten sich die Kirchgängerinnen beim Dorfwirten.

Sie nahmen am Stammtisch Platz, der Ober brachte Traubensaft und Almdudler. Die Frauen tranken und redeten über die Themen der Woche. Meistens ging es hoch her, denn die Frauen hatten viel zu besprechen.

Die Männer blieben zu Hause und widmeten sich ihren Sonntagsbeschäftigungen, im Hintergrund grüßte Heinz Conrads auf Ö-Regional die "Madln und Buam", danach kam der Radio-Frühschoppen. Am Weiberstammtisch hatten die Männer, genauso wie die Kinder, nichts verloren.

Natürlich haben sie es probiert, aber an der Frühschopperinnen-Wand prallten alle ab. Unerwünschte Gäste wurden hartnäckig hinausignoriert. Pünktlich zum Zwölfuhrläuten waren die Frauen zu Hause und übernahmen erholt und selbstbestimmt wieder Versorgungsjobs. Kaum etwas hat mich mehr geprägt.

Kontra
von Michael Möseneder

Der Frühschoppen ist ja wohl wirklich eine der größeren Stumpfsinnigkeiten, die die Menschheit im Zusammenhang mit Alkoholkonsum erfunden hat.

Man darf ja nicht vergessen, dass der Homo sapiens diesbezüglich auch recht gute Erkenntnisse gewonnen hat: "Kein Bier vor vier" etwa, oder: "Kein Alkohol, ehe die Sonne über der Rah steht", sollte man gerade keinen festen Boden unter den Füßen haben.

Gemeinsam ist diesen Sinnsprüchen, dass man sich uhrzeitmäßig mit dem ersten Bier oder Spritzwein beschränken sollte. Das konterkariert der Frühschoppen. Er dient als billige Ausrede, bereits um elf Uhr das erste Glas zu heben – für jene, die nicht die Klasse eines Profialkoholikers wie Ernest Hemingway haben.

Der brauchte keine gesellige Runde, um sich in Key West und Havanna schon vor Mittag auf seinen Spiegel zu trinken. Freund des Vormittagsrauschs war er aber auch keiner. Sein einziges eigenes Cocktailrezept nannte er: "Death in the Afternoon". (RONDO, 12.11.2019)