Sie mag auf den ersten Blick harmlos wirken, tatsächlich aber ist Euderus set durchaus perfide, wenn es um die Versorgung ihres Nachwuchses geht.

Foto: Ryan Ridenbaugh/Miles Zhang

Eine erst vor kurzem entdeckte parasitäre Wespe scheint außerordentliche Fähigkeiten zur Gedankenkontrolle zu besitzen: Sie ist offenbar dazu in der Lage, das Verhalten von mindestens sieben anderen infizierten Spezies zu steuern – bisher war man davon ausgegangen, dass die Art nur auf einen Wirt spezialisiert ist.

Viele Parasiten manipulieren das Verhalten ihrer Opfer in besonderer Weise. So beeinflussen beispielsweise Sackkrebse der Gattung Sacculina ihre Wirte, ebenfalls eine Krebsart, hinsichtlich ihres Geschlechts. Ist die befallene Krabbe männlich, so verwandelt der Parasit sie in ein Weibchen, damit es sich in entsprechender Weise um den invasiven Nachwuchs von Sacculina kümmern kann.

Vielseitiger Parasit

Eigentlich sollten derartige Parasiten nach bisheriger Auffassung ausschließlich auf eine Opfer-Art spezialisiert sein. Doch die Wespe Euderus set erweist sich aufgrund aktueller Beobachtungen als bedeutend vielseitiger.

Diese Spezies konzentriert sich auf sogenannte Gallwespen, eine ihrerseits parasitäre Wespenart, die ihre Eier in Pflanzen legt, was zu charakteristischen Gewächsen, sogenannten "Gallen", führt. Innerhalb der Gallen wachsen die Gallwespenlarven heran, bis sie sich im Adultstadium nach außen nagen und fortfliegen.

Euderus-Wespen wiederum parasitieren an solchen Gallwespen und legen ihre Eier in deren Kammern. Die geschlüpften Larven machen sich dann an die Gallwespenjungen heran, was letztlich interessante Effekte zur Folge hat: Die infizierten Gallwespenlarven nagen sich zunächst wie gewohnt einen Ausgang. Sobald jedoch ein kleines Loch freigelegt wurde, verharren die infizierten Larven der Gallwespenlarven in dieser Position und blockieren mit ihrem Kopf den Ausgang, um die Euderus-Nachkommen, die sich noch in Entwicklung befinden, zu isolieren und zu schützen.

Rätselhafte Einflussnahme

Wie die im Englischen "Crypt-Keeper" benannten Wespen ihre Gallwespen-Opfer exakt zum richtigen Zeitpunkt vom Nagen abhalten können, ist bisher ein Rätsel. "Ich wüsste nur zu gerne, wie die das bewerkstelligen", meint Anna Ward von der University of Iowa, Hauptautorin der nun in den "Biology Letters" präsentierten Studie.

Ist die "Crypt-Kepper"-Wespe nach einigen Tagen ausgewachsen, beißt sie sich durch Körper und Kopf ihres Gallwespen-Wirtes hindurch in Richtung Freiheit. Bislang nahmen Biologen an, dass Euderus set nur auf eine einzige Gallwespenart spezialisiert ist – ein Irrtum, wie das Forscherteam um Ward nun festgestellt hat.

Überraschender Befund

Die Wissenschafter untersuchten 23.000 Gallen von zehn Eichenbaumarten und entdeckten dabei Überraschendes: Mindestens sieben unterschiedliche Gallwespenarten waren von derselben "Crypt-Keeper"-Spezies infiziert. "Wir stellten letztlich fest, dass Euderus set zahlreiche unterschiedliche Wirte befällt, die nicht näher miteinander verwandt sind", sagt Ward.

Die Entdeckung lässt nach Ansicht der Forscher darauf schließen, dass es wohl wesentlich mehr parasitäre Wespenarten gibt als gedacht – womöglich sogar mehr als Käfer-Spezies, die größte bekannte Insektengruppe. (tberg, 28.9.2019)