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Die Begegnung des deutschen Außenministers Heiko Maas mit dem Hongkonger Demokratie-Aktivisten Joshua Wong am 9. September sorgt weiterhin für Unstimmigkeiten zwischen Berlin und Peking.

Foto: dpa / Michael Kappeler

Bei der UN-Generalversammlung in New York sprechen die Teilnehmer nicht nur über Klimawandel und Krisendiplomatie. Am Rande der Plenarsitzungen finden ebenso wichtige informelle bilaterale Treffen statt. Seit Jahren gehört das gemeinsame Arbeitsfrühstück zwischen den beiden Außenministern Chinas und Deutschlands dazu. Doch dieses Jahr muss Heiko Maas (SPD) alleine essen. Peking sagte den Termin mit Außenminister Wang Yi ab.

Das sei mit Absicht geschehen, als Folge der "Verärgerung" über Berlin, wie dem STANDARD aus Kreisen in Peking bestätigt wurde, die Chinas Regierung nahestehen. Maas hatte vor zwei Wochen in Berlin Hongkonger Oppositionelle, darunter den Studentenführer Joshua Wong, getroffen. Wong ist ein rotes Tuch für Chinas Führung. In ihm sieht diese einen der Aufrührer der inzwischen mehr als 100 Tage anhaltenden Hongkonger Proteste, die kommendes Wochenende zu eskalieren drohen – unmittelbar bevor die Volksrepublik am 1. Oktober ihre 70-Jahr-Feiern zur Staatsgründung zelebrieren will. Peking unterstellt Wong, die Abspaltung der seit 1997 zur Volksrepublik gehörenden Verwaltungszone zu betreiben, auch wenn der 22-jährige Student das selbst immer wieder bestritten hat.

"Falsches Signal"

Chinas Außenministerium warf Berlin nach dem Treffen sofort "Einmischung in die inneren Angelegenheiten Hongkongs" vor und bestellte den deutschen Botschafter in Peking zum Protest ein. Weil Außenminister Maas ein Vertreter der Bundesregierung sei, habe er mit seinem Treffen mit den Oppositionellen einen Präzedenzfall geschaffen. In den USA, wohin diese nach dem Besuch in Berlin weiterfuhren, habe sie "niemand von der Administration empfangen", hieß es. Auf das von Berlin gesetzte "falsche Signal" reagiere Peking nun mit einer Reihe von Konsequenzen, erfuhr DER STANDARD exklusiv in Peking: "Wir machen keine leeren Worte."

So fehlte Chinas Vertreter vergangenen Dienstag beim internationalen Libyen-Treffen im Kanzleramt in Berlin, zu dem sich hohe außenpolitische Berater der fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats trafen. In der zweiten Oktoberhälfte wird Außenminister Maas zudem vergeblich auf seinen chinesischen Amtskollegen warten. China hat seine Teilnahme am chinesisch-deutschen Strategischen Außen- und Sicherheitspolitischen Dialog verschoben. Außenminister Wang Yi wird zwar nach Europa reisen und Frankreich besuchen, doch Berlin dabei auslassen.

Strafzölle für Autoimporte

Gravierend ist außerdem die "unbefristete Aussetzung" des geplanten chinesisch-deutschen Menschenrechtsdialogs. Kanzlerin Angela Merkel hatte auf ihrer Chinareise Anfang September mehrfach öffentlich bekundet, sie hoffe, dass er wieder stattfindet.

Obwohl Pekings Führung der deutschen Kanzlerin hoch anrechnet, die Oppositionellen aus Hongkong selbst nicht empfangen zu haben, nimmt sie die Berliner Republik insgesamt in die Verantwortung. Erstmals könnte auch die deutsche Wirtschaft von der diplomatischen Verstimmung beeinträchtigt werden, obwohl der beiderseitige Handel 2018 mit seinen fast ausgeglichenen Importen und Exporten in Höhe von 200 Milliarden Euro einen neuen Rekord aufstellte.

Bei ihrem Chinabesuch hatte sich Merkel dafür eingesetzt, dass deutsche Autofirmen, besonders Daimler und BMW, die Premiumwagen aus ihren US-Werken nach China exportieren, von Pekings Strafzöllen auf alle Importe aus den USA ausgenommen werden. China sei bereit, diesen Wunsch wohlwollend zu prüfen, habe man der Kanzlerin damals gesagt.

Diese Sprachregelung habe sich geändert, hieß es nun in Peking: "Angesichts der unbedachten Handlungen von Außenminister Maas fällt es China jetzt schwer, die deutschen Anliegen zu berücksichtigen." (Johnny Erling aus Peking, 25.9.2019)