Bedingt durch alte und kranke Verwandte habe ich die letzten Jahre ziemlich oft in Spitalsambulanzen bzw. auf Spitalsstationen in Wien verbracht. Beim Warten studiert man die Anschläge an der Wand, und da habe ich mir erlaubt, die Namen, die da unter "unser Pflegeteam" stehen, einmal anzusehen. Es sind serbische, bosnische, kroatische, also exjugoslawische Namen, ungarische, polnische, slowakische, rumänische, arabische, koreanische, philippinische Namen. Zu 70 bis 80 Prozent. Dass es bei den OsteuropäerInnen keine Zuwanderer von vor 100 Jahren sind, erkennt man an der noch nicht "eingedeutschten" Schreibweise der Vornamen.

Würden die wegfallen, könnten unsere Spitäler in der Sekunde zusperren.

Weiter: Dieser Tage hatten wir ein leckendes Abflussrohr im Bad. Die beiden Herren, die das schnell und sauber erledigten, waren offenkundig türkischer Abkunft, wobei der eine kaum Deutsch sprach und vermutlich erst seit kurzem hier ist. Einige Tage später ließen wir die jährliche Wartung der Gastherme vornehmen. Unser Installateur hat einen ungarischen Namen, aber einen anderen Akzent, wir haben ihn noch nie gefragt, wo er herkommt (vielleicht aus dem von Ungarn bewohnten Teil Serbiens).

Unangenehme Dienstleistungen

Meine Mutter hatte in ihren letzten Jahren mehrere 24-Stunden-Betreuerinnen aus Rumänien, wir waren mit 90 Prozent der Frauen, die da im Monatsturnus in Wien blieben, zufrieden. Ohne diese Frauen hätten wir die Mutter in ein Pflegeheim geben müssen, wo sie sich nicht wohlgefühlt hätte.

Sie ahnen, was ich damit sagen will. Relativ unangenehme schwere, schmutzige Dienstleistungen (von Hacklern am Bau reden wir gar nicht) werden inzwischen ganz überwiegend von Kräften ausländischer Herkunft erledigt, zum Teil bereits österreichische Staatsbürger, zum Teil nicht.

Die "angestammten" Österreicher (deren Vorfahren zum Großteil vor über 100 Jahren nach Wien gekommen sind) machen das einfach nicht (mehr). Es ist ihnen zu belastend und zu schlecht bezahlt.

Die Herausforderungen im Pflegebereich sind groß.
Foto: imago/Björn Hake

Interessant: Türkische Frauen findet man unter dem Pflegepersonal so gut wie nie. Persönliche Dienstleistungen (außer Putzen) sind bei ihnen offenbar nicht üblich. Dafür sind die beiden Obst- und Gemüsegeschäfte in unserer unmittelbaren Umgebung fest in türkischer Hand, und wir können zwischen zwei türkischen Änderungsschneidern (männlich!) wählen. Die letzte österreichische Änderungsschneiderin bei uns hat schon vor 15 Jahren zugemacht.

Was immer man über Migration und "Überfremdung" denken mag – die Realität ist so, dass man ohne die migrantischen Arbeitskräfte einfach nicht auskommt (das konnte Heinz Faßmann, als er noch nicht Minister war, schön anhand der Bevölkerungsstatistik vorrechnen).

Der Wohlstand, die Bildungsexplosion und der Sozialstaat haben sich so entwickelt, dass man unangenehme, schlecht(er) bezahlte Arbeiten nicht unbedingt annehmen muss.

Belogene Wähler

Die türkis-blaue Politik hat sich über diesen Umstand hinweggelogen und ihre Wähler belogen. Die FPÖ erweckte den Eindruck, sie könne alle Zuwanderer loswerden. Oder wenigstens die Muslime. Das ist schlicht und einfach verrückt. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Sebastian Kurz gebraucht immer den Stehsatz, man müsse die "Einwanderung in den Sozialstaat stoppen". Er meint damit eh nur die Flüchtlinge mit den vielen Kindern, die uns auf der Tasche liegen. Aber erstens verstehen ihn "die Menschen draußen" so, dass er überhaupt jede Zuwanderung stoppen will. Und zweitens hat er konkludente Handlungen gesetzt, die den "ordentlichen", arbeitenden Zuwanderern und ausländischen Arbeitskräften, aber nicht nur denen, sehr wohl geschadet haben. Die Kürzung des Kindergelds für Kinder, die im Ausland leben, ging vor allem zulasten der 24-Stunden-Pflegerinnen. Die Kürzung der Mindestsicherung für kinderreiche Zuwanderer trifft auch einheimische Alleinerzieherinnen. Ditto die Kürzung der SozialarbeiterInnen an Brennpunktschulen.

Das sind alles sinnlose Schikanen für "ordentliche" Ausländer. Dass überdies die ÖVP und die FPÖ die ausländischen 24-Stunden-Pflegerinnen draußen haben wollen, lässt sich a) aus ihren Äußerungen und b) dem Plan ablesen, die Pflege durch heimische Verwandte finanziell zu belohnen. Der "Pflege-daheim-Bonus" für Angehörige soll "bis zu" 1500 Euro betragen – im Jahr! Das kostet eine Rumänin im Monat (es gibt Pflegegeld).

Es ist nicht alles super mit den Migranten. Es ist aber völlig irreal, eine Welt zu erschaffen, in der die "echten Österreicher" zufrieden leben, weil ihnen nur eine "echte Österreicherin" die Leibschüssel bringt oder ein "echter Österreicher" das Klo repariert. (Hans Rauscher, 25.9.2019)