Zugpendler aus Überzeugung: Niederösterreich-Kandidat Süleyman Zorba.

Foto: andy urban

Klopft der Chef um 20 Uhr an, hat er Pech gehabt. Da sitzt Süleyman Zorba schon in der U-Bahn. Die letzte Zugverbindung nachhause verlässt Wien um halb neun, danach ist Dienstschluss auf der Strecke Wien-Traismauer und somit zwangsläufig auch für den 26-Jährigen. Mit dem Auto wäre er schneller und flexibler, der IT-Techniker fährt trotzdem Bahn, "aus Überzeugung".

Do it Yourself

Überzeugung ließ ihn vor sechs Jahren zum Handy greifen und bei den Grünen anrufen. Die Frage, wie ein Leben aussehen kann, das nicht zu Lasten dieses Planeten geht, bewegten ihn. Bei den Grünen, so fand er, waren die Antworten auf diese Frage am stärksten im Programm verankert. "Ich hab im Landesbüro angerufen und gefragt, wie ich in Kontakt mit der grünen Ortsgruppe komme." Die Antwort: Es gebe gar keine. Also gründete er selbst eine.

In der damals rotblau regierten 6000-Seelen-Gemeinde stellte er sich als erster grüner Kandidat einer Wahl und schaffte auf Anhieb ein Mandat im Gemeinderat. Damals war er 22 Jahre alt. Seither sitzt er in der Ortsvertretung und diskutiert in Gremien über Müllabfuhr und Feuerwehrfeste, aber auch über E-CarSharing und energiesparende Straßenbeleuchtung.

Damals am Schwarzen Meer

Sein Engagement für den Umweltschutz hat auch biografische Hintergründe. Geboren wurde er in Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste. Dort habe sich die Katastrophe von Tschernobyl in einer höheren Krebserkrankungsrate niedergeschlagen, auch die Großmutter hatte Schilddrüsenkrebs.

Ob die langen Gemeindesitzungen nicht auch mühsam seien? Ja, auch, sagt Zorba, der auch bei der grünen Jugend engagiert ist. Er sehe aber die Vorteile der Lokalpolitik: "Alles geht schneller. Leute haben ein Anliegen, erzählen davon, dann landet es bald im Gemeinderat und wird dort gleich behandelt." Danach gibt es oft direktes Feedback. Auf Bundesebene dauere alles länger.

Pizzeria-Gespräche

Doch genau dort kandidiert er jetzt, wobei er mit dem dritten Platz auf der Landesliste geringe Einzugschancen hat. An einen Umzug nach Wien denkt er ohnehin nicht: "Ich bin Landei", sagt er. Eines seiner Anliegen als Politiker sei es, vor Ort mehr Angebote zu schaffen, "damit nicht alle Jungen wegziehen und wegpendeln müssen". Also Jobs, aber auch Kultur, Sport, Jugendangebote. Vor allem aber ein besseres Öffinetz. In seiner Gemeinde merke er, dass sich in kurzer Zeit vieles in den Köpfen verändert habe. "Plötzlich höre ich die Leute in der Stammpizzeria über Klimawandel reden, und darüber, dass man viel weniger Autofahren sollte."

Er selbst hat den Führerschein erst im Vorjahr gemacht und die Fahrprüfung beim ersten Mal vermasselt. "Mein Fahrlehrer hat gesagt: Du fahrst wie ein Grüner", grinst Zorba. Wenn andere vom neuesten Auto schwärmen, ist es die eher junge Bahnstation Tullnerfeld, die seine Augen zum Glänzen bringen. Dort lasse sich beobachten, wie neues Angebot auch neue Nachfrage schaffe, sagt Zorba. "Am Anfang war es nur eine Haltestelle." Jetzt gebe es dort einen Frisör, eine Abholstation für Onlinekäufe, bald auch eine Apotheke und ein großes Parkdeck – für jene Pendler, "die vorher mit dem Auto nach Wien gefahren sind und jetzt den Zug nehmen".

"Danke für nichts"

Sein zweites politisches Herzensthema ist Digitalisierung. Wobei er selbst auch auf Social Media gern Tachles spricht. So auch bei Eva Glawischnigs Wechsel zum Glücksspielkonzern Novomatic. Während andere ihren Missmut lieber off rechords äußerten, postete Zorba auf Twitter: "Eva, danke für nichts." (Maria Sterkl, 26.9.2019)