Eine knappe Zweidrittelmehrheit für die Schuldenbremse im Verfassungsrang: Die SPÖ traute dem Auge von Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka nicht und forderte eine namentliche Abstimmung.

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Bei der Ablehnung des Gewaltschutzpakets waren sich die Oppositionsparteien einig. Sie erhielten auch unerwartete Unterstützung von Justizminister Clemens Jabloner.

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Die frühere ÖVP-Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (links) stimmte für das Paket, das von der ehemaligen Staatssekretärin für Inneres, Karoline Edstadler, maßgeblich mitgestaltet wurde. Sie vertritt derzeit die ÖVP im EU-Parlament.

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Für die Kritiker war das Thema Schuldenbremse eine Einladung zu Wortspielereien. Jörg Leichtfried kann mit der Verankerung der Schuldenbremse nichts anfangen, der stellvertretende SPÖ-Klubobmann legte der FPÖ eine Spesenbremse und der angeblich in rote Zahlen geratenen ÖVP eine Schuldenbremse nahe. Und Peter Pilz, der womöglich seinen letzten Parlamentstag bestritt, forderte gar eine Korruptionsbremse für Türkis-Blau.

Die Fronten sind schnell geklärt. ÖVP, FPÖ und Neos haben den Antrag auf Schuldenbremse gemeinsam eingebracht, für die notwendige Verfassungsmehrheit war auch noch die Stimme eines der vier wilden Abgeordneten notwendig. Efgani Dönmez, der 2018 nach sexistischen Äußerungen aus der ÖVP ausgeschlossen worden war, brachte die fehlende Stimme.

"Kein Teufelszeug"

Für die ehemaligen Regierungsparteien ist die Schuldenbremse im Verfassungsrang dringend notwendig. Sie priesen naturgemäß ihre Politik und sangen ein Loblied auf das Nulldefizit. In einer Doppelmühle befanden sich die Neos als Mehrheitsbeschaffer. Sie fordern die Schuldenbremse schon seit Jahren, dass sie jetzt aber mit Türkis und Blau mitstimmten, wollte Klubchefin Beate Meinl-Reisinger nicht als Anbiederung missverstanden wissen. Sie teilte in gewohnter Manier in alle Richtungen aus und erinnerte die Abgeordneten von Türkis, Blau und Rot an ihre Beschlüsse von vergangener Woche. Mit einer Schuldenbremse hätte es diese erst gar nicht geben können, ist sie überzeugt. Diese Maßnahmen würden in den kommenden zehn Jahren Mehrkosten von 40 Milliarden Euro verursachen. Die FPÖ warne zwar ständig vor einer linken Mehrheit, aber diese Beschlüsse wären selbst "den schwedischen Sozialdemokraten zu links gewesen".

Auch die ÖVP rühme sich damit, keine neuen Schulden gemacht zu haben, "ist aber beim Geldverteilen vorne mit dabei". Und der SPÖ richtete Meinl-Reisinger aus, dass die Schuldenbremse gewiss "kein Teufelszeug" sei, wie von dieser behauptet.

Neuer Versuch für Bargeld in Verfassung

Tatsächlich verrissen die roten Abgeordneten das Vorhaben. Leichtfried warnte davor, dass dann keine Investitionen in den Klimaschutz getätigt werden können, Sonja Hammerschmid sah darin gar das Ende einer antizyklischen Konjunkturpolitik, und für Jan Krainer ist es eine Sackgasse, denn Schulden seien immer nur in Krisenzeiten gestiegen. Wie solle dann etwa Kurzarbeit finanziert werden?, fragte Krainer.

Doch selbst nach Beschluss der Schuldenbremse, die Abstimmung wurde spontan namentlich durchgeführt, ist diese noch nicht fixiert. Die SPÖ kündigte schon im Vorfeld an, ein Veto im Bundesrat einzulegen.

Die Freiheitlichen starteten einen neuerlichen Versuch, Bargeld in der Verfassung zu verankern. Das rief den anwesenden Justizminister Clemens Jabloner auf den Plan, der die antragstellenden Abgeordneten inständig bat, dieses Ansinnen "bitte woanders, aber nicht ins Staatsgrundgesetz von 1867" zu schreiben. Das entwerte die Grundrechte. Sie könnten eine Staatszielbestimmung formulieren, aber das Ansinnen sei "überschießend". Der Antrag fand keine Mehrheit.

"Zivilisatorischer Rückschritt"

Das umstrittene Gewaltschutzpaket, das noch von ÖVP und FPÖ paktiert wurde, fand keinen Anklang bei der Opposition. Die rote Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek sah eine dramatische Entwicklung: "Wir brauchen keine Scheinsicherheit", Sicherheit gebe es nicht, indem man nur die Strafen verdoppelt. Opferschutzeinrichtungen müssten gefördert werden, sagte Heinisch-Hosek. Die ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker konterte: "Harte Strafen müssen hart bleiben", deswegen sei die Ausweitung wichtig gewesen.

Auch hier schaltete sich der Justizminister ein: Er betonte seine reservierte Haltung, da das Gesetz auf dem türkis-blauen Regierungsprogramm basiere. Jabloner zeigte sich besorgt: "Die gesamte Fachwelt lehnt die Strafverschärfung ab", man müsse die Einwände ernst nehmen, sonst entstehe der Eindruck, Kritik sei unerwünscht. Die Straferhöhungen für Jugendliche bezeichnete Jabloner als "zivilisatorischen Rückschritt". Er forderte die Abgeordneten auf, seine Einwände zu bedenken. Für Irmgard Griss, scheidende Justizsprecherin der Neos, ist das Gesetz eine "Mogelpackung", die Maßnahmen könnten keine Gewalttat verhindern. Es sei "Stammtischpolitik in Reinkultur". Jabloners Appell fand keinen Anklang, das Paket wurde mit türkis-blauer Mehrheit beschlossen.

Schließung türkischer Vereine, Klimanotstand und Ökostrom-Offensive

Bei der Marathonsitzung des Nationalrats am Mittwoch kam es auch zu einem seltenen Antrag von dem JETZT-Abgeordneten Peter Pilz gemeinsam mit der ÖVP und der FPÖ. Pilz brachte erfolgreich einen Entschließungsantrag ein, der auf eine Schließung der türkischen Verbände Atib und Milli Görüs in Österreich abzielt. Die Regierung ist aufgefordert die Verein zu prüfen und bei Verstößen gegen Strafgesetze eine behördliche Auflösung einzuleiten. Beschlossen ist mit dem Entschließungsantrag freilich nichts. Er ist einzig eine Empfehlung an die Regierung.

Außerdem hat sich der Nationalrat in einem Entschließungsantrag dazu bekannt, einen Climate Emergency, also Klimanotstand, zu erklären und damit die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe höchster Priorität anzuerkennen. Abgelehnt wurde das nur von der FPÖ.

Einigkeit herrschte bei einer Ökostrom-Offensive, die von den Abgeordneten einstimmig beschlossen wurde. (red, Marie-Theres Egyed, 25.9.2019)