Sicher verwahrt: Akten im Staatsarchiv hinter Gittern, Sinnbild für die jahrzehntelange Debatte über ein Informationsfreiheitsgesetz für Österreich.

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Wer ist schon gegen Informationsfreiheit? Gut, Hans-Jörg Jenewein von der FPÖ sorgt auch zu diesem Punkt im STANDARD-Fragebogen über die künftige Medienpolitik für Abwechslung. Aber: In seltener Einhelligkeit wollen die fünf übrigen Mediensprecher Auskunftspflicht statt Amtsgeheimnis schon lange umgesetzt haben.

Sie hätten schon eine Weile Gelegenheit dazu gehabt: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, vorerst auch Mediensprecherin, erinnert: "Der Antrag für ein Informationsfreiheitsgesetz war im Übrigen der allererste Antrag, den Neos überhaupt im Parlament eingebracht hat." Die Partei sitzt immerhin schon seit 2013 im Nationalrat. Verfassungssprecher Nikolaus Scherak nahm im Februar den jüngsten Anlauf in Pink. Die SPÖ, bis 2017 Kanzlerpartei, brachte den Letztstand der Verhandlungen darüber im Juni erneut ein.

Thomas Drozda, SPÖ.
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SP-Mediensprecher Thomas Drozda: "Obwohl die Junge ÖVP unter ihrem Obmann Sebastian Kurz vor Jahren auch die Einführung der Informationsfreiheit forderte, scheiterte die Umsetzung bisher am Widerstand der ÖVP." Drozda vermutete, sie wolle lieber keine Auskunft über "Umfärbungen im staatsnahen Bereich" geben müssen.

ÖVP und FPÖ stimmten denn auch im Juni gegen die Fristsetzung für die Anträge zur Informationsfreiheit. Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ) versicherten, sie wollten sich in der nächsten Gesetzgebungsperiode sehr ausführlich und ernsthaft mit einem Informationsfreiheitsgesetz befassen. Das tut der Gesetzgeber schon viele Jahre ohne Ergebnis.

Mittwoch immerhin, drei Tage vor der Wahl und nach der Elefantenrunde auf Puls 4, stimmten bis auf die FPÖ alle Parlamentsfraktionen einem Entschließungsantrag der Neos für ein Infofreiheitsgesetz zu. Er fordert die Bundesregierung allerdings nur auf, "tatsächlich" ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten, das die Amtsverschwiegenheit zur Ausnahme macht.

"Stets gegen Amtsgeheimnis"

Karl Nehammer, Mediensprecher der ÖVP, im STANDARD-Fragebogen zu einem Informationsfreiheitsgesetz nach dem Vorbild Hamburgs: "Wir haben uns als Volkspartei stets für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die verfassungsrechtliche Verankerung eines Grundrechts auf Zugang zu Information ausgesprochen."

Karl Nehammer, ÖVP.
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FPÖ-Mediensprecher Jenewein ist indes "hier sehr vorsichtig. So eine Forderung klingt sehr modern und hip und kaum jemand wird sagen, dass er gegen mehr Transparenz und Informationsfreiheit ist. Auf der anderen Seite sind gerade Behörden heute vielfach in direkter Konkurrenz mit privaten Firmen. Und bei einer sehr liberalen Auslegung eines Informationsfreiheitsgesetzes schießt man sich dabei selbst ins Knie. Das Gegenteil von gut ist immer noch gut gemeint."

Die drängendsten Themen

Auskunftspflicht und Informationsfreiheit zählen für keinen der sechs Mediensprecher zu den drängendsten Themen.

Sicherung österreichischer Medien und ihre Zusammenarbeit gegen Onlineriesen drängt für Nehammer (ÖVP). Digitale Bewegungsfreiheit für den ORF mit einem neuen Gesetz nennt Jenewein (FPÖ). Neos und SPÖ sorgen sich nach eineinhalb Jahren Türkis-Blau vor allem um die Medienfreiheit in Österreich. Drozda will die Unabhängigkeit von Redaktionen gesetzlich verankern und "faire Arbeitsbedingungen" sowie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk "stärken". Meinl-Reisinger will Parteienvertreter dort in der Minderheit, öffentliche Inserate gekürzt und Medienförderungen von einer unabhängigen Expertenkommission vergeben wissen. Die Liste Jetzt wünscht sich unabhängige Finanzierung und Kontrolle des ORF. Für Werner Kogler (Grüne) drängen Medienförderungen auch für Onlinemedien und Unabhängigkeit für den ORF.

Werner Kogler, Grüne.
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Amtsblatt

Die bisher wichtigste Finanzierungsquelle der republikseigenen Wiener Zeitung will die ÖVP weiterhin abschaffen. Ein "Zukunftskonzept" sei "in Ausarbeitung", in Auftrag gegeben noch von Gernot Blümel als Medienminister. Drozda und Jenewein wollen das Republiksorgan jedenfalls, anders finanziert, fortführen. Meinl-Reisinger fragt sich, "warum der Staat in einer offenen, demokratischen Gesellschaft eine eigene Zeitung besitzt". (Harald Fidler, 27.9.2019)

Beate Meinl-Reisinger, Neos.
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Die Antworten der Mediensprecher im Wortlaut

1.
Welches medienpolitische Thema ist am drängendsten – und wie lösen Sie es?

Karl Nehammer, ÖVP:

Die tatsächliche Herausforderung im Medienbereich: Wie können wir gewährleisten, dass es auch noch in zehn oder 15 Jahren relevante österreichische Medien und damit österreichische Inhalte und heimische Identität gibt – insbesondere im digitalen Raum?

Deshalb muss unser oberstes Ziel sein, den Medienstandort Österreich nach vorne zu bringen und fit für den Wettbewerb mit den Internetgiganten zu machen. Diese profitieren nämlich von einem völlig asymmetrischen Wettbewerb: Insbesondere sind diese kaum reguliert und müssen keine kostspieligen Redaktionen führen. Geht das so weiter, können österreichische Medien nicht weiterbestehen beziehungsweise haben wir bald nur noch staatlich finanzierte Medien. Beides wäre katastrophal für den Standort und die Demokratiepolitik. Der Medienstandort muss deshalb anders gesehen werden: Weniger im Klein-Klein gegeneinander, sondern stattdessen miteinander für den Standort Österreich gegen die globale Konkurrenz. Dazu braucht es eine funktionierende und pluralistische Medienlandschaft.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Der ORF als "größte Medienorgel des Landes" steht vor großen Herausforderungen, und gerade die digitale Konkurrenz von Amazon, Netflix & Co ist drauf und dran, den Öffentlich-Rechtlichen völlig abzuhängen. Um dem entgegenzuwirken, braucht der ORF ein neues Gesetz, ein Gesetz, das gerade den digitalen Notwendigkeiten entspricht. Derzeit kann der ORF gar nicht reagieren, weil die gesetzlichen Grundlagen nicht gegeben sind.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ.
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Thomas Drozda, SPÖ:

Eine große Herausforderung für den Medienbereich stellt die Digitalisierung dar. Eine Gefahr für eine vielfältige österreichische Medienlandschaft geht dabei von internationalen Plattformen aus. Diese erzielen enorme Gewinne, besitzen aber gleichzeitig durch lückenhafte Regulierung (Abgaben, Steuerrecht, Datenschutz, Medienrecht et cetera) einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber traditionellen Medienunternehmen. Hier braucht es einerseits regulatorische Maßnahmen und Beschlüsse gegen Steuervermeidung auf europäischer Ebene (zum Beispiel digitale Betriebsstätte) und andererseits die Stärkung der Medienkompetenz der Nutzerinnen und Nutzer, Anpassung der Medienförderung an das Digitalzeitalter und stärkere Unterstützung von Qualitätsjournalismus.

Ebenfalls ein ganz drängendes Thema ist die Sicherung der Pressefreiheit: In vielen Staaten Europas haben in den letzten Jahren Angriffe auf die Pressefreiheit und JournalistInnen stattgefunden. Österreich hat sich in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen massiv verschlechtert und fiel von Platz elf auf 16. Die Pressefreiheit ist eine wesentliche Säule der Demokratie und muss unbedingt gesichert sein. Wir messen daher alle medienpolitischen Maßnahmen daran, ob sie die demokratische Kraft der Medien stärken und zu mehr Vielfalt, Unabhängigkeit und qualitativ hochwertiger Berichterstattung führen. Als konkrete Maßnahmen treten wir für die gesetzliche Verankerung der Unabhängigkeit von Redaktionen, die Sicherung von fairen Arbeitsbedingungen für JournalistInnen und die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Medienpolitik ist bei Neos ganz klar Chefinnensache. Das drängendste medienpolitische Thema ist zugleich ein zutiefst gesellschaftspolitisches: Die Freiheit der Medien muss sichergestellt und ausgebaut werden. Jeder Angriff auf eine/n Journalist_in oder auf ein ganzes Medium ist zugleich ein Angriff auf die Demokratie und den Rechtsstaat selbst. Österreich hat hier unter Türkis-Blau den falschen weg eingeschlagen, nämlich weg von der Freiheit, hin in Richtung eines Viktor Orbán, der die Medienlandschaft Ungarns kontrolliert und öffentlich zur Jagd auf die letzten unabhängigen Medien bläst. Wie können wir es schaffen, dass die österreichischen Medien noch unabhängiger werden? Inseratenausgaben müssen runter, die Medienförderung muss grundlegend reformiert und deutlich erhöht werden und von einer unabhängigen Kommission – bestehend aus Fachleuten – vergeben werden. In den Gremien des ORF sollen Parteienvertreter_innen in Zukunft eine Minderheit darstellen. Unsere konkreten Vorschläge liegen dazu auf dem Tisch.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Das drängendste Thema ist die Unabhängigkeit des ORF. Wenn Stiftungsratschef Norbert Steger, der kritischen Journalisten mit Entlassung gedroht hat, und FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein ein neues ORF-Gesetz planen, ist das zum Fürchten. Der ORF ist das letzte verbindende Leitmedium, das alle Bürgerinnen und Bürger erreicht. Wird seine Unabhängigkeit bedroht, gerät dadurch nicht nur die Funktion der Demokratie, sondern auch der gesellschaftliche Zusammenhalt in echte Gefahr. Als Lösung schlagen wir eine unabhängige Finanzierung und Kontrolle des ORF vor.

Werner Kogler, Grüne:

Eines der drängendsten Themen ist die Neuordnung der Presse- und der Publizistikförderung, mit Augenmerk auf Onlinemedien. Nicht die Auflagenhöhe soll für die Förderung relevant sein. Außerdem wäre die Zusammensetzung der Presseförderungskommission zu ändern. Ein weiteres zentrales Thema ist die Änderung des ORF-Gesetzes. Hier muss die Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Stärkung des unabhängigen Journalismus und die Neukonzeption der Gremien (Stiftungsrat/Publikumsrat) im Mittelpunkt stehen. Insgesamt streben wir eine Neuorganisation der Medienförderungen an.

2.
Unterstützen Sie die langjährige Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz, etwa nach dem Vorbild Hamburgs, das Behörden zur Auskunft und Veröffentlichung von Verträgen, Dokumenten, Daten verpflichtet. Wäre das sinnvoll und, wenn ja, in welcher Form?

Karl Nehammer, ÖVP:

Wir haben uns als Volkspartei stets für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die verfassungsrechtliche Verankerung eines Grundrechts auf Zugang zu Information ausgesprochen.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Ich bin hier sehr vorsichtig. So eine Forderung klingt sehr modern und hip, und kaum jemand wird sagen, dass er gegen mehr Transparenz und Informationsfreiheit ist. Auf der anderen Seite sind gerade Behörden heute vielfach in direkter Konkurrenz mit privaten Firmen. Und bei einer sehr liberalen Auslegung eines Informationsfreiheitsgesetzes schießt man sich dabei selbst ins Knie. Das Gegenteil von "gut" ist immer noch "gut gemeint".

Thomas Drozda, SPÖ:

Für die SPÖ sind seit Jahren die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes und die Abschaffung der antiquierten Amtsverschwiegenheit ein wichtiges Anliegen. Wir haben auch den Letztstand der Verhandlungen in der letzten Gesetzgebungsperiode im Juni 2019 nochmals im Nationalrat eingebracht, doch scheiterte die Beschlussfassung einer Fristsetzung an den Stimmen der ÖVP und der FPÖ. Obwohl die Junge ÖVP unter ihrem Obmann Sebastian Kurz vor Jahren auch die Einführung der Informationsfreiheit forderte, scheiterte die Umsetzung bisher am Widerstand der ÖVP. Vielleicht auch deshalb, weil die türkise ÖVP durch die Umfärbungen im staatsnahen Sektor verhindern wollte, dass die Öffentlichkeit über die Vorgänge in den staatsnahen Sektoren Informationen erhält.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Ja! Das Informationsgefälle zwischen Staat und Bürger_innen muss endlich beseitigt werden, und die Republik muss sich zur umfassenden Transparenz des staatlichen Handelns bekennen. Unser Motto ist "Gläserner Staat statt gläserner Bürger". Seit der Gründung von Neos ist eine unserer Kernforderungen ein bundesweites Informationsfreiheitsgesetz nach dem Vorbild Hamburgs. Der Antrag für ein Informationsfreiheitsgesetz war im Übrigen der allererste Antrag, den Neos überhaupt im Parlament eingebracht hat. Personen sollten, auch ohne direkt betroffen zu sein, das Recht haben, Informationen über Angelegenheiten des Wirkungsbereichs der jeweiligen Behörde zu erhalten. Natürlich muss es gewisse Bereiche geben, die von dieser Informationspflicht ausgenommen werden. Darunter fallen zum Beispiel Datenschutzinteressen Dritter nach der DSGVO, militärische Landesverteidigung, Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder wichtige außenpolitische Interessen der Republik.

Peter Pilz, Liste Jetzt.
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Peter Pilz, Liste Jetzt:

Jetzt will den "gläsernen Staat", nicht den "gläsernen Bürger". Wie vom Forum Informationsfreiheit gefordert, setzen wir uns für drei zentrale Aspekte von Informationsfreiheit ein:

1. Klarheit: Offenlegungspflicht von Spenden und Wahlkampfausgaben vor der Wahl; Transparenz bei der Vergabe von Staatsaufträgen und dem Verkauf von Staatseigentum; Unvereinbarkeitsregeln gegen die Vermischung von Staatsdienst, Parteiarbeit und wirtschaftlichen Interessen.

2. Kontrolle durch Prüfer und Bürger: Abschaffung des Amtsgeheimnisses – jeder Bürger muss das Recht haben, über jeden Verwaltungsvorgang, der ihn betrifft, zeitnah und lückenlos informiert zu werden; umfassende Prüfrechte für den Rechnungshof bei politischen Parteien.

3. Konsequenzen bei Gesetzesbruch: Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung/Spendenwäsche; Strafhöhe muss Wahlkampfkostenüberschreitung unrentabel machen; disziplinarische Maßnahmen für Verstoß von Beamten gegen das Informationsfreiheitsgesetz.

Werner Kogler, Grüne:

Ja, ein Informationsfreiheitsgesetz ist sinnvoll und eine langjährige Forderung der Grünen. Dabei müssen jedenfalls Daten- und Personenschutz gewährleistet sein, dürfen jedoch nicht – wie heute oft der Fall – als Ausrede für fehlende Informationen dienen. Amtsgeheimnis und Auskunftspflicht in ihrer derzeitigen Form müssen in Bezug zu einem neuen Informationsfreiheitsgesetz gesetzt werden, in dem die Rechte der BürgerInnen gegenüber dem Staat normiert werden.

3.
Braucht es künftig unabhängigen Journalismus und professionelle Journalistinnen und Journalisten? Wenn ja: Soll die Medienpolitik diese Funktion und Aufgabe unterstützen/sicherstellen/fördern – und wenn ja, wie?

Karl Nehammer, ÖVP:

Möglichst viele Menschen sollen mit möglichst hochwertiger Information erreicht werden, um den demokratischen Diskurs in der Gesellschaft zu stärken. Es braucht jedenfalls eine funktionierende und pluralistische Medienlandschaft mit unabhängigen Journalisten. Dazu bekennen wir uns explizit. Aufgabe der Medienpolitik ist es, dafür die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Einerseits muss der asymmetrische Wettbewerb gegen die Onlinegiganten bekämpft sowie die Kooperationsmöglichkeit österreichischer Medien gefördert werden.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Unabhängiger Journalismus ist die Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Jeder, der diese Unabhängigkeit infrage stellt, stellt damit unser Gemeinwesen infrage! Durch gezielte finanzielle Förderung soll die Politik diese Form des Journalismus auch unterstützen.

Thomas Drozda, SPÖ:

Die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit von JournalistInnen sind für uns zentral, und es ist die zentrale Aufgabe von Medienpolitik, diese zu schützen. Wir messen daher alle medienpolitischen Maßnahmen daran, ob sie die demokratische Kraft der Medien stärken. Als konkrete Maßnahmen treten wir unter anderem für die gesetzliche Verankerung der Unabhängigkeit von Redaktionen, die Sicherung von fairen Arbeitsbedingungen für JournalistInnen und die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Ja, definitiv. Unabhängige Medien sind die vierte Macht im Staat. Journalist_innen schauen der Politik auf die Finger und machen Missstände für die Öffentlichkeit sichtbar. Die Ibiza-Affäre hat einmal mehr gezeigt, wie sehr es unabhängigen Journalismus braucht. Eine gut ausfinanzierte Medienförderung kostet weniger als Korruption und Freunderlwirtschaft. Daher treten wir jedenfalls für eine nachhaltige Reform und eine massive Erhöhung der Medienförderung ein. Unser Modell soll die aktuelle direkte und indirekte Medienförderung ersetzen und somit der Schieflage entgegenwirken, die aktuell in Österreich besteht. Die öffentliche Hand fördert Medien in Form von Inseratenschaltungen mit rund 200 Millionen Euro, die Presseförderung dagegen ist nicht einmal zehn Millionen Euro schwer. Wir sprechen uns für eine höhere Medienförderung aus, die kanalunabhängig und entlang klar definierter Kriterien von einer unabhängigen Stelle vergeben wird. Sie soll allen Medien offenstehen, egal ob es sich dabei um traditionelle Printmedien handelt oder neuere Formate wie Nachrichtenblogs oder Podcasts. Uns geht es dabei vor allem darum, Inhalte von gesellschaftlichem Mehrwert und nicht den Erhalt von Infrastruktur zur Produktion und Verbreitung zu fördern. Außerdem sollen eigene Töpfe zur Förderung von Innovation und Entwicklung neuer Technologien im Journalismus und für die Aus- und Weiterbildung von Journalist_innen bereitstehen.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Selbstverständlich. Ohne unabhängigen Journalismus kann Demokratie nicht funktionieren, weil Bürgerinnen und Bürger nicht in die Lage versetzt werden, informierte Wahlentscheidungen zu treffen und am politischen Leben teilzunehmen. Medienpolitik kann das leisten, indem sie Gesetze beschließt, die Oligopolbildungen am Medienmarkt verhindern, unabhängige Medien wirtschaftlich fördern und die Unabhängigkeit staatlicher Medien wie des ORF von Parteipolitik gewährleisten.

Werner Kogler, Grüne:

In Zeiten von "Fake-News" und Verschwörungsszenarien braucht es unabhängigen Journalismus und professionelle JournalistInnen mehr denn je. Um das zu garantieren, ist auch eine berufsgerechte Bezahlung nötig, die JournalistInnen nicht länger als unterbezahlte Content-LieferantInnen behandelt, denen eine fachgerechte Recherche nicht mehr möglich ist. Die Medienpolitik muss dies unterstützen, etwa durch gezielte Presseförderung, Unterstützungen von Ausbildungen und Stipendien für JungjournalistInnen.

4.
Braucht es künftig österreichische Inhalte – insbesondere unterhaltende abseits der Information – und österreichische Produktion? Wenn ja, wie soll die Medienpolitik das unterstützen/sicherstellen/fördern?

Karl Nehammer, ÖVP:

Österreichisches Programm und damit Wertschöpfung in Österreich sind von entscheidender Bedeutung für den Standort, den Erhalt unserer Identität und die Wertschöpfung. Unser Ziel und Anspruch ist es, auch in Zukunft österreichische Identität und österreichische Inhalte sicherzustellen. Die Gründung einer gemeinsamen digitalen Vermarktungsplattform der österreichischen Medienlandschaft, an der sowohl ORF als auch Private teilnehmen, würde die österreichische Relevanz im digitalen Raum stärken und wettbewerbsfähiger machen.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Diese Frage ist ganz klar mit Ja zu beantworten. Österreichische Inhalte gerade in der Unterhaltung, im fiktionalen Bereich kommen durch die Vormachtstellung der Big Player mehr und mehr unter die Räder. Hier ist gerade der ORF mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gefragt, der auch klar und deutlich in einem neuen Gesetz formuliert sein muss.

Thomas Drozda, SPÖ:

Medienpolitik ist immer auch Standortpolitik. Um den Medienstandort Österreich auszubauen, braucht es Investitionen in die heimische Kreativwirtschaft. Wir unterstützen daher die Forderung nach einer angemessenen Quote in der Höhe von 30 Prozent für österreichische Inhalte in öffentlichen und privaten Medien.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Gefördert werden nach unserem Modell besonders Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert und die Vielfalt der Medien. Quoten für "österreichische Inhalte" halten wir für wenig zielführend. Es ist überhaupt fraglich, welche Kriterien "österreichische Inhalte" ausmachen. Die Förderung österreichischer Musik und vor allem die Filmförderung sollte vielmehr endlich gebündelt werden, damit die Förderung auch zielgerichtet funktionieren kann.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Bei Unterhaltungsformaten sollen österreichische Medien- und Kunstschaffende in die Lage versetzt werden, mit Angeboten größerer Medienmärkte zu konkurrieren. So kann eine lebendige und kritische Medien- und Kunstszene gedeihen. Medienpolitik muss also qualitativ hochwertige Produktionen fördern, um sie konkurrenzfähig zu machen.

Werner Kogler, Grüne:

Dieses Anliegen ist eher eine Frage der Kunst- und Kulturpolitik, weniger der Medienpolitik. Der ORF ist verpflichtet, diese "österreichischen" Inhalte zu produzieren. Hier sind jedenfalls anspruchsvolle Formate erwünscht, die auch zur Förderung der österreichischen Film- und Fernsehproduktion beitragen würden. Die Quote darf nicht das alleinige Kriterium sein.

5.
Medienförderungen: Derzeit fördert die Republik Medien über Presseförderung (rund 8,7 Millionen Euro pro Jahr), Publizistikförderung (340.000), kommerzielle Privatrundfunkförderung (20 Millionen), nichtkommerzielle Sender mit 3,5 Millionen Euro, Fernsehproduktionen (13,5 Millionen Euro); als nichtformelle Förderung gelten Teile der 177 Millionen Euro Inserate öffentlicher Stellen. Ist das aktuelle Fördersystem sinnvoll – oder haben Sie andere Vorstellungen, und welche?

Karl Nehammer, ÖVP:

Die Medienlandschaft befindet sich im Umbruch und die zunehmende Konvergenz der Mediengattungen erfordert einen neuen, zusätzlichen Zugang zum Thema Medienförderung. Wir haben uns daher bereits im Rahmen der Digitalsteuer dafür eingesetzt, dass die dadurch zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel für den digitalen Transformationsprozess österreichischer Medien zur Verfügung zu stellen sind. Aus diesen zusätzlichen Mitteln sollen insbesondere der Ausbau der Digitalangebote sowie deren konstante Weiterentwicklung an das sich stetig ändernde Nutzerverhalten gefördert werden.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Das gesamte Förderwesen ist – so wie derzeit aufgestellt – vollkommen irrational und muss völlig neu aufgestellt werden. Alleine die Diskrepanz zwischen Presseförderung und Inseraten ist absurd. Wir waren im Zuge der Regierungsverhandlungen mit der ÖVP soweit überein, dass das Medientransparenzgesetz völlig neu aufgestellt wird.

Meiner Meinung nach sollten die Inserate der öffentlichen Hand anhand eines Budgetplans transparent verteilt werden damit klar ist, wer was bekommt. Eine "Medienförderung neu" muss endlich angegangen werden.

Thomas Drozda, SPÖ:

Wir brauchen eine Anpassung der Medienförderung an das Digitalzeitalter. Dabei soll die journalistische Leistung förderungswürdig sein. Investitionen in redaktionell gestaltete Medien finden unabhängig vom spezifischen Modell der Herstellung technologieneutral statt. Entscheidend ist der Content und nicht die Vertriebsform. Voraussetzung für die Journalismusförderung sollen faire Arbeitsbedingungen (Journalisten-Kollektivvertrag) sein. Wir schlagen vor, dass alle Gelder, wie die GIS inklusive Umsatzsteuer, den Medien zur Verfügung gestellt werden sollen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

In einem kleinen Land wie Österreich ist staatliche Medienförderung definitiv sinnvoll. Ob das System wirksam ist, ist zu bezweifeln. In unserem Modell sollen die Förderungen gebündelt und kanalunabhängig vergeben werden. Für uns zählen der Inhalt und die Qualität, nicht jedoch die Produktions-und Verbreitungsstrukturen. Es braucht eine klare Definition dessen, was gefördert werden soll. In unseren Augen sind das Medienvielfalt, Qualität und Innovation. Diesen Parametern sind klare Kriterien zuzuordnen – je nach Erfüllen wird die Medienförderung (bis zu einem Sockelbetrag an Maximalförderung) ausgeschüttet. Und ja, wenn ein Medium diese Kriterien erfüllt, soll es grundsätzlich Zugang zur Förderung bekommen.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Regierungsinserate in Medien müssen verboten werden. Sie dienen dazu, Medien anzufüttern und zu beeinflussen. Dadurch wird die unverzichtbare Rolle der freien Presse als vierter Gewalt ausgehöhlt. Stattdessen sollen Förderungen, die nach transparenten Kriterien vergeben werden, erhöht werden. Weil viele – vor allem jüngere – Menschen sich hauptsächlich im Netz informieren, müssen neben Print- und Fernsehprodukten auch Onlinemedien gefördert werden.

Werner Kogler, Grüne:

Ein System mit einer intransparenten Medienförderung, in dem ein Vielfaches an Mitteln über Inserate verteilt wird, ist einer entwickelten Demokratie unwürdig und ermöglicht es Regierungsparteien, Druck auszuüben und Berichterstattung zu steuern. Das aktuelle Förder- und Inseratensystem ist generell neu zu ordnen, unter Einbeziehung digitaler und sozialer Medien, die bisher kaum Berücksichtigung finden. Im Vordergrund dieser Neuordnung muss die Sicherstellung eines qualitätsvollen, unabhängigen Journalismus, die Erhaltung der Printförderung sowie die Regelung des digitalen Mediensektors stehen.

6.
Aufsicht und Kontrolle: Soll es bei der Aufsicht durch die Medienbehörde KommAustria als unabhängige, von der Bundesregierung besetzte Aufsichtsbehörde bleiben, haben Sie andere Vorstellungen für die Medienaufsicht und welche?

Karl Nehammer, ÖVP:

Die KommAustria leistet als weisungsfreie Kollegialbehörde insbesondere als Rechtsaufsichtsorgan sowie bei der Vergabe der Presse- und Publizistikförderung einen unerlässlichen Beitrag für die österreichische Medienlandschaft. Gerade in Zeiten großer werdender Herausforderung im Bereich der Medien ist die KommAustria als unabhängige Medienbehörde unverzichtbar.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Die KommAustria hat sich als Behörde durchaus etabliert, aber auch hier bin ich der Ansicht, dass die Bestellung der Mitarbeiter viel zu sehr regierungslastig ist. Derzeit "besetzen" die jeweiligen Medienminister streng nach Parteifarbe. Das halte ich im Jahr 2019 für einen Anachronismus, zumal ja – je nach Zustand Regierung/Opposition – dann wieder laufend über die "Verpolitisierung" der Medien und deren vorgelagerte Behörde lamentiert wird. In dieser Behörde werden aber eine Menge an Förderungen vergeben. Und damit wird jedenfalls Medienpolitik gemacht.

Thomas Drozda, SPÖ:

Eine unabhängige Medienbehörde ist zentral für die Regulierung der österreichischen Medienlandschaft.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Auf die KommAustria als Medienbehörde werden in den nächsten Jahren neue, kritische Aufgaben zukommen, da im Zuge der Novellierung der "Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie" nun auch dieselben Regeln auf Videoplattformen anzuwenden sein werden, wie sie jetzt schon für Fernsehen und Radio gelten. Bereits jetzt kommen die vier Mitglieder der KommAustria kaum damit nach, die "Fernsehähnlichkeit" von Youtube-Kanälen zu überprüfen. Wir fordern daher eine finanzielle und personelle Aufstockung für die Medienbehörde, damit sie auch in Zukunft ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen kann. Um die größtmögliche Unabhängigkeit der KommAustria zu gewährleisten, sollten sich neue Mitglieder in Zukunft einem Hearing im Parlament stellen.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Die KommAustria ist als weisungsunabhängiges Organ gut als Aufsichtsbehörde geeignet. Gegen Bescheide der KommAustria stehen Rechtsmittel bei BVwG, VwGH und VfGH offen. Das sind ebenso wie die Bestellung durch den Bundespräsidenten sinnvolle Einrichtungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der KommAustria. Anstelle des Vorschlags der Mitglieder durch die Bundesregierung schlägt Jetzt einen Vorschlag durch den Nationalrat vor. Das gewährleistet größtmögliche Transparenz durch parlamentarische Kontrolle.

Werner Kogler, Grüne:

Die Politik muss die Rahmenbedingungen für einen Interessenausgleich des öffentlich-rechtlichen ORF und der privaten Anbieter definieren. Der KommAustria wurden dafür im ORF-Gesetz wichtige Kontrollaufgaben übertragen. Gerade im international stark vernetzten, innovativen und komplexen Medienbereich ist eine eigene Behörde mit großem Know-how eine gute Voraussetzung für sachlich fundierte Entscheidungen.

Die Fragestellung zeigt schon die Problemstellung: Eine von der Bundesregierung ohne Hearing besetzte Behörde steht immer im Verdacht, nicht unabhängig zu agieren. Die Bestellung sollte dem Nationalrat nach einem öffentlichen Hearing übertragen werden.

Die Behörde hat in der Vergangenheit oft auf Basis unsinniger Bestimmungen des ORF-Gesetzes – etwa im Social-Media-Bereich – rational schwer nachvollziehbare Entscheidungen treffen müssen. Hier liegt die Verantwortung bei jenen Parteien, die im Parlament solchen Bestimmungen zugestimmt haben.

Das ORF-Gesetz 2011 ist ein unrühmliches Beispiel. Über Monate wurde im Parlament unter Einbindung aller Parteien über ein neues ORF-Gesetz verhandelt. In letzter Minute haben sich hingegen Zeitungsherausgeber und ORF-Führung hinter verschlossenen Türen auf Beschränkungen im Onlinebereich für den ORF geeinigt, die angesichts damals schon absehbarer Entwicklungen absurd waren und zulasten der GebührenzahlerInnen gegangen sind. Dem ORF wurden im Gegenzug ein paar Millionen mehr Werbeeinnahmen zugestanden.

Aus diesem Grund haben die Grünen dem ORF-Gesetz nicht zugestimmt. Die später kritisierten Entscheidungen der KommAustria haben ihre Ursache in einem unzulänglichen Gesetz.

7.
Ist die Wettbewerbsaufsicht durch Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwalt – auch für den Medienbereich – sinnvoll organisiert? Haben Sie andere Vorstellungen?

Karl Nehammer, ÖVP:

Für den österreichischen Medienstandort wird in Zukunft unerlässlich sein, dass österreichische Medien kooperieren (können). Dazu braucht es einerseits die gesetzlichen Rahmenbedingungen und andererseits ein unbürokratisches Verfahren, das schnelle Handlungsmöglichkeit gewährleistet ohne dabei die Interessen einzelner Marktteilnehmer zu übergehen.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Diese Frage blieb unbeantwortet.

Thomas Drozda, SPÖ:

Im Prinzip ja. Wesentlich scheint uns, das Kartellrecht dahingehend zu prüfen, ob es auch für das Digitalzeitalter passend ist. Im Medienbereich gibt es beispielsweise für traditionelle Medienunternehmen zahlreiche kartellrechtliche Beschränkungen, während im Internet digitale Monopole internationaler Plattformen bestehen, die kartellrechtlich als unbedenklich gelten.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Es ist eine gute Sache, dass für Medienfusionen sehr strenge Regeln gelten. Bereits im EU-Wahlkampf haben wir im Hinblick auf neue Medien und Plattformen gefordert, das Wettbewerbs- und Kartellrecht auf europäischer Ebene neu zu denken. Junge Unternehmen machen oft wenig Umsatz/Gewinn, besitzen aber große Mengen an Nutzerdaten und sind daher für größere Unternehmen attraktiv. Instagram oder Whatsapp machen zum Beispiel keine nennenswerten Umsätze und wurden für Facebook aufgrund ihrer Nutzerdaten und der Technologie, die dahinter steckt, attraktive Käufe. Für die Datenwirtschaft und den digitalen Binnenmarkt braucht es also eine Anpassung des Wettbewerbsrechts, die den Wert von Daten und den Umgang mit ihnen als wichtige Ressource künftig berücksichtigt.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Die Medienkonzentration in Österreich ist unter anderem durch die Aktivitäten deutscher Medienhäuser und privater Investoren mit Nähe zu politischen Parteien bereits zu hoch. Dadurch sind Meinungsvielfalt und Unabhängigkeit der Presse bedroht. Eine unabhängige und weisungsfreie Behörde, die dem entgegenwirkt, ist daher von großer Bedeutung für die Rolle der Medien als vierter Gewalt.

Jetzt schlägt vor, in der Bundeswettbewerbsbehörde eine Doppelspitze einzurichten und beide Behörden – Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwaltschaft – aus den jeweilen Ministerien zu lösen und als unabhängige Bundesbehörden einzurichten.

Werner Kogler, Grüne:

Für eine entwickelte Demokratie ist die Konzentration von Medien im Einflussbereich einiger weniger nicht wünschenswert. Österreich ist mit seinem zehnmal größeren Nachbarn Deutschland in einer besonders schwierigen Situation. Für Medienkonzerne ist es sehr interessant, mit den für Deutschland produzierten Inhalten auch in Österreich Werbeeinnahmen zu lukrieren, ohne viel für eigene Formate ausgeben zu müssen. Es braucht klare wettbewerbsrechtliche Bestimmungen, um die Medienvielfalt in Österreich abzusichern.

8.
ÖVP und FPÖ haben 2017 in ihrem Regierungsprogramm angekündigt, die Pflichtinserate für Unternehmen in der "Wiener Zeitung" zu streichen. Ist das sinnvoll? Und wenn ja: Wie soll die derzeit republikeigene "Wiener Zeitung" künftig erscheinen und finanziert werden? Oder soll die Zeitung in ihrer bisherigen Form eingestellt werden?

Karl Nehammer, ÖVP:

Unser Ziel ist es, unnötige Bürokratie in Österreich abzubauen. Die kostenpflichtige Pflichtveröffentlichung in der "Wiener Zeitung" soll daher entfallen. Die Entwicklung des Zukunftskonzepts und der künftigen Geschäftsgrundlage der "Wiener Zeitung" wurde von Medienminister Blümel beauftragt und ist in Ausarbeitung.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Die Zeitung soll nicht eingestellt werden. Die "Wiener Zeitung" ist eine kulturelle Institution, und es wird auch an der Regierung liegen, diese im Staatseigentum stehende Zeitung durch eine Übergangsregelung in neue wirtschaftliche Fahrwasser zu bringen. Ich gehe davon aus, dass man sich im neuen Bundeskanzleramt dieser Verantwortung bewusst sein wird.

Thomas Drozda, SPÖ:

Ein ersatzloses Streichen der Pflichtveröffentlichungen bedeutet die Zerstörung der finanzielle Grundlage der "Wiener Zeitung" und ist ohne Alternativkonzept das Ende der langen Geschichte dieser traditionsreichen Zeitung. Dagegen sprechen wir uns entschieden aus. Es braucht die Erarbeitung eines alternativen Finanzierungskonzepts. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, staatliche Angebote im Digitalbereich an die "Wiener Zeitung" auszulagern.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Für uns stellt sich grundsätzlich die Frage, warum der Staat in einer offenen, demokratischen Gesellschaft eine eigene Zeitung besitzt. Trotz ausgezeichneter redaktioneller Arbeit der Journalist_innen ist die verbreitete Auflage sehr niedrig. Die Eigentümerverhältnisse und Pflichtinserate schaffen eine mehrfache Problemlage: Erstens stellen die Pflichteinschaltungen im Amtsblatt eine Quersubvention der "Wiener Zeitung" dar und verschaffen ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privatwirtschaftlich agierenden Tageszeitungen. Zweitens ist die Veröffentlichungspflicht mit Kosten verbunden, also eine unnötige Belastung für Unternehmen und im digitalen Zeitalter ein Anachronismus. Drittens erfolgt die Bestellung des Geschäftsführers durch den Eigentümer, also den Bund und damit das Bundeskanzleramt; die des Chefredakteurs im Einvernehmen mit dem Eigentümer. Dass dieser Modus objektive und parteipolitisch unabhängige Personalentscheidungen zumindest nicht forciert, belegt die Diskussion um die Ernennung des Geschäftsführers im Jahr 2013: Die Bundes-Gleichbehandlungskommission kam im April 2016 zu dem Befund, dass dessen Bestellung aus "maßgeblich parteipolitischen Motiven" erfolgt sei. Aus medien- und demokratiepolitischer Perspektive ist jegliche politische Einflussnahme auf ein journalistisch unabhängiges Medium höchst problematisch. Die Eigentümerstruktur der "Wiener Zeitung" begünstigt diese jedoch. Darüber hinaus steht ein Medium, das sich im staatlichen Eigentum befindet und sich durch eine für Unternehmen belastende Abgabe finanziert, im Gegensatz zum medienpolitischen Ziel, Public Value zu produzieren und mit entsprechender Reichweite zu verbreiten.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Die "Wiener Zeitung" – gegründet 1703 – ist die älteste noch erscheinende Zeitung der Welt. Dass diese Institution nun einem parteipolitisch motivierten Schachzug zum Opfer fallen soll, ist eine Schande! Die Streichung der Pflichtinserate ist Teil einer Umfärbungsaktion in der "Wiener Zeitung", die unter Kontrolle der ÖVP gebracht oder zerschlagen werden soll. Man kann darüber reden, Unternehmen zu entlasten. Die republikeigene "Wiener Zeitung" müsste dann aber aus staatlichen Mitteln entschädigt werden. Das muss auf eine Art und Weise geschehen, die die Unabhängigkeit der "Wiener Zeitung" von Begehrlichkeiten der Parteien garantiert.

Die "Wiener Zeitung" muss fortgeführt werden. Die Republik braucht ein Organ, mit dessen Hilfe sie die Bürgerinnen und Bürger informieren kann. Die Medienlandschaft braucht ein Medium, das von ökonomischen Zwängen unabhängig ist. Natürlich darf die "Wiener Zeitung" diese besondere Verantwortung nicht nutzen, um andere Medien vom Markt zu drängen und dadurch die Medienvielfalt im Land zu gefährden – was sie in der Vergangenheit allerdings auch nicht getan hat.

Werner Kogler, Grüne:

Das ist nicht sinnvoll, da es ein wichtiges und nützliches Informationsangebot ist. Die "Wiener Zeitung", eine der ältesten Zeitungen der Welt, soll keineswegs eingestellt werden.

9.
Welche dieser Positionen ist für Sie Koalitionsbedingung?

Karl Nehammer, ÖVP:

Es ist jetzt nicht die Zeit, um Koalitionsbedingungen zu formulieren.

Hans-Jörg Jenewein, FPÖ:

Ich richte möglichen künftigen Partnern keine Bedingung über die Zeitung aus. Das mache ich im persönlichen Gespräch!

Thomas Drozda, SPÖ:

Wir stehen für Pressefreiheit, einen starken, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen Ausbau der privaten Medienförderung und gerechtere Spielregeln im internationalen Wettbewerb, verstärkte Medienerziehung und eine gezielte Medienpolitik im digitalen Raum. All diese Punkte sind wesentliche Ausgangspunkte im Medienbereich für eventuelle Koalitionsverhandlungen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:

Koalitionsbedingung ist für uns, dass in unserer offenen und demokratischen Gesellschaft die Unabhängigkeit, Freiheit und Vielfalt der Medien verteidigt und noch weiter ausgebaut wird.

Peter Pilz, Liste Jetzt:

Der nächste Kanzler wird mit Sicherheit Sebastian Kurz heißen. Als einzige Partei hat Jetzt sich dazu verpflichtet, keine Koalition mit der Kurz-ÖVP einzugehen. Gerade aus medienpolitischen Gründen braucht es einen Gegenpol zu Kur'zschen Orbánisierungsplänen. Im Rahmen allfälliger zukünftiger Regierungsbeteiligungen ist die Unabhängigkeit des ORF für uns unverrückbare Bedingung.

Werner Kogler, Grüne:

Der nächste Schritt für die Grünen ist, wieder in den Nationalrat zu kommen – wenn uns dies gelingt, entscheiden wir weiter. Jedenfalls muss die Medienpolitik in Österreich komplett neu, transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Der parteipolitische Einfluss muss zurückgedrängt werden.