Es kann US-Präsident Donald Trump nicht schnell genug gehen, wenn es um eine Reise zum Mars geht. Im Juli stieß Trump die Nasa-Führung recht unverblümt vor den Kopf, indem er klarmachte, dass er eine weitere Mondmission – die seine Administration selbst beauftragt hatte – für unnötig halte und man sich doch direkt zum Mars begeben solle. Bei einem Treffen mit dem australischen Premierminister Scott Morrison letztes Wochenende ruderte er zurück: "Gut, wir machen den Mond. Aber in Wirklichkeit machen wir den Mars." Der Mond sei eben die Ausgangsbasis für eine Reise zum Mars.

"Ich denke, Mr. Trumps Anregung war dahingehend gemeint: Lasst uns den Mars nicht vergessen", kommentiert der Nasa-Forscher Bryan K. Smith diplomatisch. Smith leitet die Abteilung für Raumflugsysteme am Glenn Research Center der Nasa in Cleveland. Hier wurde das J-2-Triebwerk für die Mondrakete Saturn V entwickelt, ebenso wie der Ionenantrieb – einer von mehreren alternativen Antrieben, welche die Raumfahrt revolutionieren sollen.

Elektrische Antriebe, durch Solarenergie gespeist, verhelfen der Raumfahrt zu neuem Anschub – und sollen zukünftige Missionen im wahrsten Sinne des Worte erleichtern.
Nasa/Analytical Mechanics Associates

"Unsere Vision ist, dass die elektrischen Antriebe der nächsten Generation uns zum Mars bringen werden", sagt Smith im Gespräch mit dem STANDARD. Der Nasa-Forscher hielt einen Eröffnungsvortrag bei der International Electric Propulsion Conference, die vergangene Woche in Wien stattfand, organisiert von der Fachhochschule Wiener Neustadt und deren Forschungsgesellschaft Fotec. Mehr als 600 Forscher tauschten sich dabei über die neuesten Entwicklungen in der Raumfahrttechnik aus.

Spritsparend zu den Sternen

Klassische Raketenantriebe sind chemisch und basieren auf der Verbrennung riesiger Mengen an Treibstoff. Die Alternative sind elektrische Antriebe, zu denen auch Ionenantriebe gehören. Sie nutzen die Schubkraft, die entsteht, wenn Teilchen eines Treibstoffes mithilfe elektrischer Energie beschleunigt und in Form eines Strahls abgestoßen werden.

Bryan K. Smith leitet Abteilung für Raumflugsysteme am Glenn Research Center der Nasa in Cleveland.
Nasa

"Elektrische Antriebe sind viel effizienter als chemische", sagt Smith. "Dadurch muss man weniger Treibstoff ins All mitführen, was bedeutet, dass man mehr andere Dinge wie etwa wissenschaftliche Geräte mitnehmen kann. Kommerzielle Satelliten, etwa für die Telekommunikation, können damit profitabler arbeiten." Bei konventionellen Antriebssystemen machen Treibstoff und Triebwerk oft mehr als 50 Prozent der Masse von Sonden aus, insbesondere wenn sie erdnahe Umlaufbahnen verlassen sollen. Elektrische Antriebe kommen mit einem Zehntel des Treibstoffs aus, wodurch auch die Trägerraketen verkleinert werden können.

Das Prinzip des elektrischen Antriebs hatten bereits Raketenpioniere wie Robert Goddard und Hermann Oberth im frühen 20. Jahrhundert vor Augen. In den 1960er-Jahren wurde dann in ersten Versuchen mit Cäsium und Quecksilber als Treibstoff für Ionenantriebe experimentiert. Heute wird vor allem das Edelgas Xenon verwendet. Die Nasa-Sonde Deep Space 1, die 1998 startete, testete erstmals einen Ionenantrieb unter realen Bedingungen. Die nötige Energie wurde wie auch bei allen heute gängigen Elektroantrieben im All über Solarpaneele gewonnen.

Feintuning für Satelliten

Elektrische Antriebe haben zwar nicht genügend Schubkraft, um den Luftwiderstand zu überwinden, und können daher keine Rakete von der Erde durch die Atmosphäre bugsieren. Für das dauerhafte Fortkommen im Weltall und das Feintuning unter vakuumähnlichen Bedingungen sind sie jedoch perfekt geeignet. Das hat sich in den vergangenen Jahren auch in der kommerziellen Raumfahrt herumgesprochen, wo in den letzten Jahren ein Boom elektrischer Antriebe verzeichnet wird – was wiederum die Forschung anfeuert.

"Anfangs waren die Satellitenhersteller skeptisch", sagt Smith. "Mittlerweile wird die Technologie breit genutzt, etwa um Satelliten in andere Umlaufbahnen zu bringen." Während die Industrie an kleinen Systemen für flexible Minisatelliten in erdnahen Umlaufbahnen interessiert ist, arbeiten Wissenschafter an langlebigen Hochleistungsantrieben, die es ermöglichen, immer weiter ins All vorzudringen. "Dazu müssen wir die Technologie auf ein ganz neues Level bringen", sagt Smith.

Das Lunar Gateway, ein Tor zum Mond und zum Mars: Ab 2022 wird die Raumstation in einer Umlaufbahn des Mondes aufgebaut.
Foto: Nasa

Ihren ersten Auftritt in der bemannten Raumfahrt sollen elektrische Hochleistungsantriebe in der Raumstation Lunar Gateway haben, einem Gemeinschaftsprojekt der großen Raumfahrtagenturen unter der Leitung der Nasa. Ab 2022 soll in einem Mondorbit die Station nach und nach aufgebaut werden, bis sie ab 2024 dazu dienen soll, "den nächsten Mann und die erste Frau auf den Mond zu bringen", so die Nasa-Parole.

"Anstatt Menschen direkt zum Mond und wieder zurück zu bringen wie bei Apollo 11, ist hier die Idee, in Mondnähe zu bleiben und dort ein nachhaltiges Basislager, einen Außenposten aufzubauen", schildert Smith. "Ein Hochleistungselektromotor hilft dabei, die Station in einer optimalen Umlaufbahn zu halten, in der die Sonne ständig als Energiequelle verfügbar und eine konstante Kommunikation mit der Erde möglich ist." Das bei einem privaten Unternehmen in Auftrag gegebene Antriebselement wird nach bisherigen Plänen eine Leistung von 60 Kilowatt haben, ein Vielfaches bisheriger Elektroantriebe im All.

Sprungbrett zum Mars

Der Mondorbit soll in der Folge als Sprungbrett für Flüge zum Mars dienen. "Elektrische Antriebe werden vermutlich keine Menschen transportieren können, das würde zu lange dauern. Sie können aber Versorgungsschiffe antreiben, und es sind auch Hybridvarianten vorstellbar", sagt Smith.

Zunächst werden Elektroantriebe aus dem Glenn Research Center Forschungssonden zu Asteroiden führen. Ab 2021 wird im Double Asteroid Redirect Test erprobt, ob durch einen gezielten Zusammenstoß mit einem Asteroiden dessen Umlaufbahn geändert werden kann – als Test für den Fall, dass ein Asteroid auf die Erde zufliegen sollte. In der Mission Psyche soll ab 2022 der gleichnamige metallische Asteroid – möglicherweise der Kern eines Protoplaneten – untersucht werden.

Weil die Technologie so effizient ist, verspricht sie auch Reisen zu äußeren Planeten unseres Sonnensystems und darüber hinaus zu bewältigen. Weil dann zu wenig solare Energie vorhanden ist, könnten kleine Reaktoren an Bord von Sonden die nötige Energie liefern. "Nukleare Elektroantriebe werden eine neue Ära für die Erforschung des Deep Space eröffnen", sagt Smith. "Doch das liegt noch in ferner Zukunft." (Karin Krichmayr, 27.9.2019)