Es waren harte Zeiten für das junge Land im Osten Europas, als sich Hunter Biden, damals 43 Jahre alt und Sohn des amtierenden US-Vizepräsidenten, geschäftlich für die Ukraine zu interessieren begann: Ende 2013 standen sich EU-Befürworter und -Gegner auf dem Kiewer Maidan unversöhnlich gegenüber. Wenig später sollte der prorussische Präsident Wiktor Janukowitsch Hals über Kopf flüchten, im Osten und Süden brach, von Russland befeuert, ein Bürgerkrieg aus, der bis heute anhält.

Kein Land also, in dem man sich als prominenter US-Politikersohn allzu gerne niederlässt. Aber eines, in dem sich für Hunter Biden offenbar gutes Geld verdienen ließ.

Schon gehört?

Im Mai 2014 holte der Erdgasproduzent Burisma den studierten Juristen und Wirtschaftslobbyisten Hunter Biden in seinen Verwaltungsrat – so wie übrigens auch Aleksander Kwaśniewski, den ehemaligen Präsidenten Polens. Laut seinen eigenen Worten, die auf dem Onlineauftritt des Unternehmens zu finden sind, fühlte sich Biden der "Transparenz, der guten Unternehmensführung, der Verantwortlichkeit und der internationalen Expansion" verpflichtet.

Seine Hilfe, war sich der Politikersohn aus dem fernen Washington sicher, werde dem ukrainischen Volk zugutekommen. Erfahrung im Gassektor brachte er keine mit.

Fast fünf Jahre danach ist aus Hunter Bidens Engagement in der Ukraine ein Politikum erster Güte geworden. Weil Donald Trump in einem Telefonat Ende Juli seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen Konkurrenten Joe Biden gedrängt hat, fordern die Demokraten die Amtsenthebung des US-Präsidenten. Trump wirft Joe Biden vor, auf die Absetzung eines Kiewer Generalstaatsanwalts gedrängt zu haben, weil dieser gegen den Arbeitgeber seines Sohnes ermittelte.

"Dem ukrainischen Volk nutzen"

Schon kurz nach dessen Einstieg bei dem in Zypern registrierten Burisma wurde spekuliert, er versuche seinen Status zu nutzen, um die US-Politik zugunsten Kiews zu beeinflussen. Konservative Kreise in den USA orteten zudem den Versuch des Unternehmens, über den Sohn des Vizepräsidenten für sich Vorteile in Washington herauszuschlagen.

Auch Devon Archer und David Leiter, ehemals zwei enge Mitarbeiter von Außenminister John Kerry, standen als Lobbyisten auf Burismas Gehaltsliste. Die Obama-Regierung wies einen Interessenkonflikt freilich stets zurück. Auch um das Drängen der US-Regierung auf die Absetzung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin rankten sich Gerüchte, dies hänge mit dessen Ermittlungen gegen Burisma zusammen, wo Hunter Biden nunmehr in prominenter Position tätig war.

Lukrativ war das Engagement jedenfalls. Berichten zufolge ließ sich Burisma Hunter Bidens Mitwirkung bis zu 45.000 Euro im Monat kosten. Im April 2019, als sein Mandat endete, verließ er den Erdgasproduzenten wieder, trotz des Angebots, eine zweite Amtszeit anzuhängen, wie es heißt – aus Rücksicht auf die politischen Ambitionen seines Vaters.

Präsident Barack Obama, dessen Vize Joe Biden und Hunter Biden bei einer Sportveranstaltung 2010.
Foto: imago images/UPI Photo

Keine Beweise

Fest steht, dass Hunter Bidens Vater Joe zu ebenjener Zeit Druck auf die Ukraine ausübte, entschlossener gegen Korruption aufzutreten. Einen Beweis, dass Hunter Biden sein Engagement in Kiew nutzte, um die US-Außenpolitik zu beeinflussen, blieben seine Kritiker aber schuldig – bis heute.

Das Unternehmen, 2002 gegründet, produziert seit 2006 mittels aktuell 35 Lizenzen Kohlenwasserstoff, vor allem für den ukrainischen Markt. Insgesamt deckt der größte private Gasproduzent der Ukraine ein Zwanzigstel des Gesamtverbrauchs des Landes ab. Umgerechnet mindestens 365 Millionen Euro sollen Experten zufolge dabei allein 2018 umgesetzt worden sein.

Gründer Mykola Slotschewskyj gilt als umtriebig und politisch äußerst gut vernetzt – jedenfalls mit jenen Kreisen, die 2014, als Biden bei Burisma einstieg, von der Revolution hinweggefegt wurden. Von 2010 bis 2012 war der heute 53-Jährige als Parteigänger des prorussischen Präsidenten Janukowitsch Umweltminister, ab 2012 zudem Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine.

Politisch und juristisch besonders brisant: In seine Zeit als Minister fiel auch die Vergabe der profitträchtigen Erdgaslizenzen an Burisma, das daraufhin seine Produktionsmenge fast verzehnfachte. Kurz nach Janukowitschs Sturz verließ auch Slotschewskyj die Ukraine.

Ermittlungen

Erstmals auffällig wurde Burisma 2014, als die Kiewer Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung gegen das Unternehmen einleitete. 2016 wurden die Untersuchungen ergebnislos eingestellt, ein Jahr darauf zahlte Burisma umgerechnet 6,7 Millionen Euro Steuern nach.

Die Präsidenten Selenskyj (links) und Trump beim Handschlag.
Foto: SAUL LOEB / AFP

Wiktor Schokin, der 2015 zum Generalstaatsanwalt der Ukraine ernannt wurde und heute im Zentrum der Ukraine-Affäre rund um Donald Trump steht, war beauftragt, die Vorgänge rund um die Lizenzvergabe an Slotschewskyj zu überprüfen. Mehrere westliche Regierungen, darunter US-Vizepräsident Biden, hatten kurz darauf die Abberufung Schokins gefordert, nicht etwa, wie von Trump suggeriert, weil sie eine Untersuchung von Burismas Geschäftsgebaren verhindern wollten, sondern, im Gegenteil: weil sie Schokin als zu lasch im Kampf gegen Korruption betrachteten. Der Fall Burisma etwa war zu diesem Zeitpunkt dem Vernehmen nach schon ein Jahr lang von Schokins Büro ad acta gelegt worden.

Schokins Nachfolger Juri Luzenko, dessen Amtszeit im August endete, attestierte Hunter Biden schon im Mai in einem Interview eine weiße Weste: "Wir sehen zumindest jetzt keinerlei Fehlverhalten. Ein Unternehmen kann seinem Verwaltungsrat so viel zahlen, wie es möchte." (Florian Niederndorfer, 26.9.2019)