Wer nach Horn kommt, der besucht zwei Städte. Zumindest dem alltäglichen Treiben nach, das die Stadt an einem Samstag erfüllt. Auf dem Hauptplatz vor der Georgskirche ist es ruhig. Hin und wieder parkt ein Auto ein, zwei Männer kommen aus dem Stadtcafé und essen ein Eis, auf einer Bank neben dem Florianibrunnen sitzt eine Frau und lässt sich die Sonne aufs Gesicht scheinen.

Im Zentrum von Horn gibt es nur sieben Prozent Leerstand, hier haben die Dienstleister übernommen.
Foto: Redl

Gegenüber hat eine Boutique geöffnet, viele der anderen Erdgeschoßlokale haben geschlossen, es sind vor allem Dienstleister – Versicherungen, Rechtsanwälte, Optiker, Orthopädietechniker. Kaum eine Erdgeschoßfläche steht leer. Was noch auffällt: Hier gibt es sechs Banken. Auch sie haben freilich an einem Samstag geschlossen. Anders als die Friseurgeschäfte. Vor einem stehen ein paar Jugendliche und unterhalten sich, in der Bäckerei nebenan ist schon länger kein Kunde mehr durch die Tür gekommen. Es ist noch früh am Tag, könnte man vermuten, zumindest hier im Stadtzentrum.

EKZ am Stadtrand

Bis man sich ins Auto setzt und zur "Goldenen Meile" fährt, wie der Retail-Park zwei Kilometer westlich der Altstadt auch genannt wird. Vorbei an einer Fachmarktagglomeration führt der Weg auf einen Parkplatz für mehr als 850 Autos. Rundherum ist angeordnet, was das Schnäppchenjägerherz begehrt – von C&A über Fressnapf bis Media Markt und Obi. Der Parkplatz ist bummvoll an diesem Samstagmittag. In den Geschäften stehen die Menschen an den Kassen an, in der Bäckerei ist fast jeder Tisch mit Kunden besetzt, die vom Shoppen eine Pause brauchen.

Das EKZ Horn ist eines der ältesten und größten in Österreich. Horn sei schon immer früh dran gewesen, sagt Bürgermeister Jürgen Maier von der ÖVP, "sowohl bei negativen als auch bei positiven Entwicklungen". Vor 30 Jahren sei Hofer als erster Handelsbetrieb vom Zentrum an den Stadtrand gezogen. Viele alteingesessene Handelsbetriebe seien damals gegen den Standort am Hauptplatz Sturm gelaufen, erzählt Maier. ",Der muss raus! Der nimmt uns die Parkplätze weg!', hieß es damals." Als Frequenzbringer habe ihn niemand gesehen.

Wie ausgestorben

Zahlreiche Geschäfte folgten in die Peripherie. Wie ausgestorben sei daraufhin die Horner Altstadt gewesen, erzählen Ortskenner. Mittlerweile ist das anders. Das Beratungsunternehmen Standort+Markt nennt Horn ein Vorzeigemodell, weil im Zentrum nur die Hälfte der Flächen von Einzelhändlern genutzt wird, der Rest von Gastronomie und Dienstleistern, und das bei einer geringen Leerstandsquote von 7,4 Prozent.

Finanzielle Anreize für die Vermietung der Erdgeschoßzonen vonseiten der Stadtgemeinde Horn gibt es nicht, sagt der Bürgermeister. Lediglich einen guten Dialog mit den Hausbesitzern und indirekte Unterstützung, etwa durch die Kurzparkzone im Zentrum. Ein Optiker habe ihm einmal gesagt, erzählt der Bürgermeister, er brauche diese "Billigschiene" nicht. Und "da draußen" sei er "automatisch billig", auch wenn er hochpreisig sei. Qualität, so seine Meinung, passe einfach besser in die Innenstadt.

Große Pläne

Weniger Leerstand im Ortskern, das will auch eine Stadt in der Obersteiermark schaffen. Seit fast fünf Jahren versucht Trofaiach sein Zentrum zu beleben. "Wir wollten den Menschen in Erinnerung rufen, dass es unsere Hauptstraße noch gibt", sagt Bürgermeister Mario Abl von der SPÖ. Er hat große Pläne. Mit Unterstützung des Wiener Architekturbüros Nonconform wird Trofaiach umgekrempelt.

In Trofaiach gibt es jetzt eine Begegnungszone, geplant von Stingl-Enge Architekten.
Foto: Freisinger

Bisher wurde die Hauptstraße zur Begegnungszone gemacht, in der Feste und Konzerte stattfinden, und die Musikschule vom Stadtrand mitten ins Zentrum verlegt, in ein Haus, das zuvor zehn Jahre lang leerstand. Tausend Menschen haben in der 12.000-Einwohner-Gemeinde an einem Bürgerbeteiligungsverfahren teilgenommen. Sie wünschen sich Begegnungsorte und weniger Anonymität, wollen sich mit ihrer Stadt wieder identifizieren, sei dabei rausgekommen, so der Bürgermeister. Heute wird auf den Grünanlagen der Stadt gemeinsam Gemüse gezüchtet.

Zwar hat Trofaiach kein Einkaufszentrum am Stadtrand, dennoch hat man sich, wie in Horn, von dem Gedanken verabschiedet, den Handel zurück in die Innenstadt holen zu können. "Vergessen Sie das, haben Experten uns gesagt", erzählt Abl. Auch weil der Onlinehandel massiv zunimmt. Im Zentrum hat mittlerweile ein Wirt wieder aufgesperrt, es gibt einen Bauernladen und einen Tandler mit Upcycling-Produkten. Zudem ist Wohnen im Erdgeschoß ein großes Thema, so Abl.

Keine Parkplätze vor der Musikschule

Auch an der Mobilitätsschraube hat Trofaiach gedreht, trotz großer Widerstände gibt es vor der Musikschule keine Parkplätze, in der Begegnungszone sind höchstens 20 km/h erlaubt. "Wir versuchen bewusst, das Autofahren in der Innenstadt mühsam zu machen", sagt Abl. Dafür wurde der öffentliche Verkehr massiv gefördert, mit Erfolg. Unter der Woche nutzen ihn 20 Prozent und am Wochenende 70 Prozent mehr Fahrgäste. "Alle Gemeinden haben in der Vergangenheit zu viel für den Pkw gebaut, jetzt sind Fußgänger und Radfahrer dran", sagt Abl. Fast eine Million Euro hat die Gemeinde in den letzten fünf Jahren in den Prozess investiert.

Außerdem hat Trofaiach nun einen hauptberuflichen Kümmerer als Ansprechpartner für alle Fragen zur Ortskernbelebung. "Er ist das Gesicht des Prozesses, hat ein Büro im Zentrum, zieht die Fäden und holt jene Fördergelder ab, die für Zentrumsbelebungen vorgesehen sind", sagt Roland Gruber von Nonconform. Er weiß: Wenn ein paar Menschen auf politischer oder Verwaltungsebene einer Gemeinde einmal ein Bewusstsein für Ortskernbelebung entwickelt haben, ist schon viel geschafft.

In Trofaiach war es so weit, nachdem die letzte Bank im Zentrum zugesperrt hatte. Zwei Tage lang waren Gemeindevertreter danach in Waidhofen an der Ybbs, das Zentrumsbelebung "auf Champions-League-Niveau" betreibt, wie Gruber sagt. "Dort haben die Trofaiacher gesehen, dass es woanders auch gelungen ist, zehn Jahre durchzuhalten."

Rezept für mehr Leben

20 bis 30 Prozent aller betroffenen Orte in Österreich haben schon Wege der Ortskernbelebung beschritten, weiß Gruber. Und Bürgermeister Abl gibt ein Rezept mit auf den Weg: Es brauche viel Zeit und Geld, Spezialisten, immer einen Plan B, die Fähigkeit, mit Gegenwind umzugehen, und vor allem den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen. (Bernadette Redl, 28.9.2019)