Die europäischen Buchpreisträger wollen von der neuen EU-Kommissionspräsidentin in einem Gastkommentar Klarheit zum geplanten Kommissar für die europäische Lebensart.

Wir haben das Organigramm der neuen EU-Kommission unter Ihrer Präsidentschaft entdeckt.

Sie haben einen Sinn für das Gewicht von Worten. Deshalb empört es uns umso mehr, dass aus dem früheren Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft der Kommissar für "den Schutz der europäischen Lebensart" wird. In dieser Amtsbezeichnung evoziert beinahe jedes Wort etwas, das wir Preisträger des Europäischen Buchpreises, Schriftsteller und und Essayisten, die der europäischen Idee tief verbunden sind, nur verurteilen können.

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Die zukünftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Foto: AP Photo/Jean-Francois Badias

Vom Schutz zu sprechen setzt eine Verteidigungshaltung voraus, als ob wir uns in einem zu einer Festung verwandelten Europa gegen eine Invasion von außen schützen müssten. Damit ebnen Sie, Frau Präsidentin, nicht nur den Weg für diejenigen, die solche Fantasien für Bewegungen einsetzen, die mit der Angst der Menschen groß werden. Angst vor wem? Was soll geschützt werden? Ein Geist? Eine Seele, vorausgesetzt, dass wir deren europäische Grenzen definieren können?

Nein, tatsächlich meinen Sie "unsere europäische Lebensart". Uns macht dieses "unsere" Sorgen, weil es sich von einem fremden "ihre" abhebt. Das Wort "Leben" lässt uns erschaudern, wenn im Mittelmeer und an den europäischen Grenzen Tag und Nacht Frauen und Männer sterben – ihrem Schicksal und unserer Fahrlässigkeit überlassen.

Worte machen Geschichte, Frau Präsidentin. Wir wollen nicht, dass Ihre Amtszeit von sinistren Worten belastet wird, die sich auf Europas schrecklichste Dämonen beziehen. Wir erwarten hoffnungsfroh einen neuen Namen für das Portefeuille von Herrn Schinas. Und wir rufen das Europäische Parlament auf, mit der größten Mehrheit diesen Namen abzulehnen. Denn Worte können uns retten. Oder uns verlieren lassen.

(Anna Bikont, Erri De Luca, Anthony Giddens, Paul Lendvai, Eduardo Mendoza, J.-P. Orban, Philippe Sands, Roberto Saviano, Raffaele Simone, Marius Szczygiel, David Van Reybrouck, 27.9.2019)