Max Zirngast wurde vor einem Jahr in der Türkei verhaftet. Nun ist er zurück in Wien.

Foto: Robert Newald

Flug TK1885 aus Istanbul landete pünktlich. Es gab also keine weiteren Überraschungen für die Zirngasts. Schon aus dem Flieger musste Max Zirngast seiner Mutter ein Foto schicken, damit sie sich "ganz sicher sein konnte, dass er wirklich kommt. Dass er es wirklich geschafft hat", so Bettina Zirngast, als sie ihren Sohn am Flughafen Schwechat empfing. Neben seinen Eltern waren am Donnerstag gut ein Dutzend Journalisten, Kameraleute und Unterstützer der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast vor Ort.

Überraschungen gab es im Leben des 30-jährigen Journalisten, Aktivisten und Studenten aus der Steiermark in den vergangenen Monaten viele. Am 11. September 2018 wurde er in den frühen Morgenstunden in Ankara festgenommen – vorgeworfen wurde ihm die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Am Heiligen Abend des vergangenen Jahres wurde er plötzlich aus der Haft entlassen, allerdings mit Auflagen. Er durfte nicht aus der Türkei ausreisen und musste sich einmal pro Woche bei der Polizei melden. Im April sollte schließlich sein Prozess losgehen, dieser wurde aber bereits am ersten Verhandlungstag auf den 11. September vertagt. Und während Zirngast noch kurz davor sagte, dass ein Freispruch "nicht passieren wird", trat genau das ein.

Absurder Freispruch

Der Freispruch sei genauso "absurd" wie bereits die Verhaftung selbst, sagte Zirngast nach der Landung in Wien. Sein Fall zeige die Willkür der türkischen staatlichen Institutionen auf. Es gebe Menschen, die 30 oder 40 Jahre lang politisch aktiv sind und denen nichts passiert. Andere, "die eigentlich nichts gemacht haben", würden im Gefängnis landen. "Die Willkür ist derzeit so weit fortgeschritten, dass niemand mehr weiß, warum er ins Gefängnis kommt und warum er freigesprochen wird." Auch in seinem Fall sei die Beweislage zur Zeit seiner Anklage vor einem Jahr und bei seinem Freispruch vor zwei Wochen genau die gleiche gewesen, so der Politikwissenschaftsstudent.

Er selbst hat über drei Monate in einem Gefängnis in Ankara verbracht. Dort habe er gelernt, sich innerhalb der sehr strikten Regeln gewisse Freiräume zu schaffen. "Man muss seinen eigenen Willen stärker auftreten lassen als das, was einem aufoktroyiert wird."

Das Medieninteresse am Flughafen war groß.
Foto: Robert Newald

Am Flughafen erinnerte Zirngast daran, dass es in der Türkei zigtausende Prozesse der gleichen Art gebe, "Zehntausende", die inhaftiert seien. Berivan Aslan von der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast, bezeichnet den Fall Zirngast nicht als rechtlichen, sondern als politischen Fall. Aktuell sitzen mindestens zwei Austrotürken in der Türkei fest. Bei Heimaturlauben wurde etwa eine Ausreisesperre verhängt. "Das wird langsam zu einem echten Problem", meint die ehemalige Grünen-Abgeordnete in Schwechat. Manche Austrotürken würden sich nicht mehr trauen, in sozialen Medien Regierungskritisches zu posten – aus Angst vor einem Aus- oder Einreiseverbot.

Opposition mundtot gemacht

Zirngast unterstrich unterdessen, dass er sich in Zukunft für politische Gefangene einsetzen wolle, egal ob in der Türkei oder sonst wo auf der Welt. Sein Politikwissenschaftsstudium will er in Österreich oder "einem anderen europäischen Land" abschließen und im Anschluss eventuell ein Doktorat anhängen. Er werde auch weiterhin in türkischen Medien publizieren.

Zirngast will so weitermachen wie bisher.
Foto: Robert Newald

Denn die Opposition oder Regierungskritiker mundtot zu machen wäre ja der Sinn und Zweck hinter den Vorwürfen und Prozessen. "Es braucht niemand allzu große Angst zu haben, in die Türkei zu fahren", meint Zirngast. Vor allem, wenn man sich politisch kaum geäußert hat. Trotzdem: "Ich kann keine Reiseempfehlung abgeben."

Die nächsten Tage wird Zirngast im Kreise seiner Familie in der Steiermark verbringen, wo – so seine Mutter – veganer Kuchen auf ihn wartet. Schon am Sonntag beginnt er eine Serie von Vorträgen, bei denen er auch ein Buch vorstellt, das von der Solidaritätskampagne über seinen Fall soeben herausgegeben wurde.

"Ich muss jetzt mal ankommen", meint Zirngast. "In erster Linie werde ich genau das machen, was ich davor gemacht habe und was ich auch im letzten Jahr gemacht habe. Trotz aller Schwierigkeiten, aller Unsicherheit, all der Willkür, der man ausgesetzt ist." (saw, 26.9.2019)