Der Winzer Armin Schütz aus Pians (856 Meter Seehöhe) spaziert durch seinen Weinberg.

Foto: Thomas Böhm

Innsbruck – Wären da nur nicht diese Berge. Denn rein geografisch ähnelt das alpine Nordtirol dem französischen Burgund in vielerlei Hinsicht: Es liegt am 47. Breitengrad, verfügt über Kalkböden, wie ihn viele Rebsorten lieben, und weist überdurchschnittlich viele Sonnenstunden auf. Im Grunde also ideal für den Weinbau. Nur eben zu gebirgig, zu hoch und damit zu kalt. Doch genau das ändert sich derzeit durch den menschenverursachten Klimawandel.

Peter Zoller, seines Zeichens Obmann des Tiroler Weinbauverbandes, beobachtet diese Veränderungen seit Jahren an seinen Reben in Haiming: "Es wird wärmer. Die Blüte setzt heute um gut drei Wochen früher ein als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Dadurch gedeihen hier mittlerweile Rebsorten, die früher nicht ausgereift wären." Auch der Zuckergehalt in den Trauben steige durch die frühere Blüte.

Winzer können sich freuen

Während der Klimawandel weltweit katastrophale Folgen zeitige, spiele er den Nordtiroler Weinbauern in die Hände, sagt Zoller nüchtern: "Uns kommt das zugute. Wenn das so weitergeht, wird der Weinbau in Tirol in ein paar Jahrzehnten deutlich zunehmen." Das belegen auch die Zahlen. Als Zoller den Verein der Alpenwinzer vor acht Jahren in Leben gerufen hat, bestand er aus gerade einmal elf Pionieren, die Önologie zu ihrem Hobby auserkoren hatten. Heute verweist der Oberländer auf stolze 68 Mitglieder, Tendenz stark steigend: "Es vergeht mittlerweile keine Woche, in der nicht mindestens eine Anfrage kommt."

Ein Mitglied hat sogar schon den Schritt vom Hobby zum Beruf vollzogen: Mit dem Weingut Flür in Tarrenz hat Nordtirol seinen ersten Vollerwerbswinzer. Zumindest in der Neuzeit.

Denn bis zum 16. Jahrhundert, als die sogenannte kleine Eiszeit den Alpen ein deutlich kühleres Klima bescherte, waren die Rebstöcke von Kitzbühel bis Imst ein gewohnter Anblick. 60 Hektar groß sollen die Anbauflächen zu Zeiten von Kaiser Maximilian I., der als Förderer des Weinbaus galt, in Nordtirol gewesen sein.

Qualitätswein aus Tirol

Heute sind die Qualitätsweine aus den Bergen ein begehrtes Nischenprodukt in der lokalen Gastronomie. Noch ist Nordtirol mit einer Gesamtanbaufläche von etwa zwölf Hektar zwar ein Weinbauzwerg – in der Nachbarregion Südtirol beträgt die Anbaufläche 5400 Hektar -, doch die gekelterten Tropfen weisen mitunter bemerkenswerte Qualität auf, wie erste Auszeichnungen bestätigen.

Es sind in erster Linie Weißweinreben, die in der alpinen Lage gedeihen, erklärt Zoller: "Chardonnay und Müller-Thurgau, aber auch Sauvignon Blanc wachsen sehr gut." In höheren Lagen wird die junge, erst 1975 neu gezüchtete und sehr pilzresistente Weißweinsorte Solaris erfolgreich angebaut. Dank der immer höheren Temperaturen wird in Nordtirol aber auch Rotwein gekeltert. "Blauburgunder und Pinot Noir mögen den Kalkboden", sagt Zoller. Auch die Zweigeltrebe beweist Bergsteigerqualität.

Im inneralpinen Klima Nordtirols gehe der Klimawandel schneller vor sich als im weltweiten Mittel, weiß Zoller. So sei die Temperatur in den vergangenen 100 Jahren um bis zu zwei Grad Celsius gestiegen. Während es den Reben in Südeuropa zu heiß wird, spielt die Erwärmung Tirols Winzern in die Hände. (Steffen Arora, 27.9.2019)