Wegen seines harten Brexit-Kurses hagelt es seit Monaten Kritik am britischen Premier Boris Johnson – von der Opposition, aus den eigenen Reihen und aus der eigenen Familie. Nachdem Bruder Jo Johnson bereits vor Wochen seinen Staatssekretärsposten und sein Parlamentsmandat zurückgelegt hat, "weil die Spannungen zwischen der Familie und dem nationalen Interesse zu groß" geworden waren, meldete sich nun Rachel Johnson zu Wort.
Die Schwester des Regierungschefs zeigte sich entsetzt über die Rhetorik ihres Bruders. Diese sei "geschmacklos" und "verwerflich", sagte sie am Donnerstag dem Sender Sky News.
Ihr Bruder benutze Wörter wie "Kollaborateur", "aufgeben" und "Kapitulation", als ob die Menschen, die einem Brexit im Wege stünden, "gehängt, langgezogen, gevierteilt, geteert und gefedert werden sollten", sagte Rachel Johnson, die Journalistin ist. "Ich denke, das ist höchst verwerflich."
Abgeordnete hatten Johnson bereits am Mittwoch nach seinem Auftritt im Parlament, das aufgrund einer höchstrichterlichen Entscheidung wieder tagte, scharf kritisiert. Mit Ausdrücken wie "Verrat" und "Betrug" verschärfe der Premier die ohnehin hitzige Debatte unnötig.
Kritik für Bemerkung über ermordete Politikerin
Vor allem eine Bemerkung zur Verteidigung seines Brexit-Kurses löste Entrüstung bei Politikern aller Parteien aus: "Der beste Weg, das Andenken an Jo Cox zu wahren und unser Land zusammenzubringen, wäre, den Brexit durchzuziehen", sagte Johnson. Die Labour-Abgeordnete Jo Cox, die sich für den Verbleib Großbritanniens in der EU eingesetzt hatte, war kurz vor dem Brexit-Referendum 2016 von einem Rechtsradikalen getötet worden.
Die Labour-Politikerin Paula Sherriff meinte, Johnson solle sich schämen. Gerade das Beispiel der ermordeten Cox zeige, was hetzerische Sprache anrichten könne. Auch Johnsons Kulturministerin Nicky Morgan schrieb auf Twitter, dass die Wirkung von Worten in der Öffentlichkeit wohlbedacht werden müsse.
Jo Cox' Ehemann Brendan verurteilte Johnsons Bemerkung ebenfalls. Ihm werde schlecht, wenn der Name seiner getöteten Frau in einem solchen Zusammenhang benutzt werde, erklärte er auf Twitter.
Auf Sky News kommentierte auch Rachel Johnson die Äußerung über Jo Cox: "Ich finde, dass war in höchstem Maße geschmacklos". Zuletzt war die Schwester des Premiers im Frühjahr in den Mittelpunkt geraten, weil sie bei der EU-Wahl für die Anti-Brexit-Partei Change UK kandidierte. Der EU-Austritt zerstöre die Zukunftschancen junger Menschen – ihre drei Kinder inbegriffen. Am Morgen nach dem Brexit-Referendum 2016 habe Sie geweint, berichtete sie damals. (fmo, 27.9.2019)