Marcus Hacker (49) ist Facharzt für Nuklearmedizin. Er hat in München und Erlangen studiert und seine akademische Karriere an der Ludwig-Maximilian-Universität gemacht. Seit 2013 leitet er die Nuklearmedizin an der Med-Uni Wien.

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Diese Aufnahmen zeigen die Durchblutung des Herzens. Es sind Bilder eines Patienten mit schweren Problemen der Herzkranzgefäße. Das führt irgendwann zu einem Herzinfarkt.

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STANDARD: Die häufigste Todesursache bei Menschen in der westlichen Welt ist entweder Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also Schlaganfall oder Herzinfarkt. Letzteres passiert meist unerwartet. Stimmt das?

Hacker: Ja, das stimmt. Wir können jedoch mit den Mitteln der Nuklearmedizin die Durchblutung des Herzmuskels messen, also eine sogenannte Myokardperfusionsszintigraphie machen. Wir wissen, wie ein gesunder Herzmuskel aussieht und können aus den Bildern dann Risikos ablesen. Wir können damit nicht alle, aber manche Herzinfarkte verhindern.

STANDARD: Wie geht das?

Hacker: Wir untersuchen die Leistungsfähigkeit eines Herzens, also das Herz unter Belastung. Bei einer Untersuchung sitzen Patienten entweder auf einem Ergometer-Fahrrad und strengen sich an – oder wir simulieren diese Situation, indem wir ein Medikament spritzen, das die arteriellen Gefäße zum Herzmuskel erweitert, also genau das, was auch bei Anstrengung passiert.

STANDARD: Und dann?

Hacker: Wenn die Belastung maximal ist, spritzen wir ein Radiopharmakon, das sind strahlende Isotope, die über die Blutgefäße in den Herzmuskel aufgenommen werden. Davon machen wir ein Bild. Auf diese Weise können wir sichtbar machen, wie gut der Muskel durchblutet ist und ob eine Gefahr für Herzinfarkt besteht.

STANDARD: Konkret heißt das ja, Sie untersuchen, ob genug Blut durch die Herzkranzgefäße geht. Ließen sich diese Blutgefäße nicht auch in einer Koronar-CT oder im Herzkatheter untersuchen?

Hacker: Schon, man kann damit untersuchen, ob in den Herzkranzgefäßen Ablagerungen sind und diese dadurch verengt werden. Es kann aber sein, dass der Herzmuskel trotz verengter Herzkranzgefäße ausreichend durchblutet ist. Genau das zeigt diese nuklearmedizinische Untersuchung. Wenn wir einen auffälligen Befund stellen, dann machen wir noch ein weiteres Bild vom Herzen im ruhenden Zustand und vergleichen es. Für die Befundung haben wir europäische Leitlinien entwickelt. Wenn der Durchblutungsdefekt mehr als zehn Prozent ausmacht, besteht Handlungsbedarf.

STANDARD: Und was folgt daraus?

Hacker: Die Bilder zeigen besser als andere Methoden den Blutfluss im Herzen und damit auch, welche Verengungen der Herzkranzgefäße wo für das Herz beeinträchtigend sind. Wir liefern also die Bilder, nach denen die Kardiologen dann solche Verengungen im Herzkatheter beseitigen können. Im besten Fall passiert das lange vor einem Herzinfarkt.

STANDARD: Kann jeder diese Untersuchung machen lassen?

Hacker: Zu uns kommen Leute mit Symptomen wie Angina pectoris, also einem Engegefühl in der Brust. Meistens werden sie vom Hausarzt oder vom Kardiologen überwiesen, weil sie Symptome oder beispielsweise ein auffälliges EKG hatten.

STANDARD: Sind diese strahlenden Partikel im Körper gefährlich?

Hacker: Nein, die Strahlenbelastung ist extrem niedrig und vollkommen ungefährlich. Wir brauchen diese Isotope, um den Blutfluss beobachten zu können. Sie zeigen uns, wie das Blut in die rechte Herzkammer geht, wie es von dort in die Lunge gepumpt und dann über die linke Herzkammer in die Koronararterien gelangt. Über diese immer kleiner werdenden Gefäße wird der Herzmuskel durchblutet. Wenn in der linken Koronararterie zum Beispiel eine Verengung ist, dann gehen die Isotope dort eben nicht hin. Das sehen wir auf den Bildern. Die Isotope werden eine Zeit lang in den Herzmuskelzellen gespeichert, deshalb können wir auch nach einer Stunde Aufnahmen vom Herzen machen, die den Zustand bei maximaler Belastung zeigen. Dann zerfallen aber die Isotope und werden abgebaut.

STANDARD: Wäre eine Myokardszintigraphie nicht für alle Menschen ab einem bestimmten Alter sinnvoll?

Hacker: Es gibt Herzinfarkte, die sich ankündigen, bei einem Drittel aller Fälle tritt dieses Ereignis aber ohne Vorzeichen auf. Leider, denn dadurch gehen diese Menschen auch nicht zum Arzt. Als Screening-Methode eignet sich die Myokardszintigrafie allerdings nicht. Dazu gibt es zu wenige Daten. Unsere Patienten kommen mit einem konkreten Verdacht. Oder sind Hochrisikopatienten und -patientinnnen.

STANDARD: Wer ist das genau?

Hacker: Diabetiker, Menschen mit familiär bedingtem hohem Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) oder anhaltend hohem Blutdruck zum Beispiel. Auch Übergewicht ist ein Risikofaktor.

STANDARD: Und was passiert nach einem Szintigramm?

Hacker: Je nach Beeinträchtigung beginnen die Patienten dann eine Therapie. Es kann sein, dass die Menschen Tabletten zum Schutz des Herzens einnehmen müssen, das können Cholesterin- oder Blutdrucksenker sein. Wenn eine Stenose besteht, dann muss unter Umständen auch ein Stent gesetzt werden. Für die Betroffenen am mühsamsten, aber sehr effektiv sind die Veränderungen des Lebensstils: Bewegung machen, Übergewicht reduzieren, zum Rauchen aufhören, gesund essen. (Karin Pollack, 28.9.2019)