Für 160 Millionen erwarben der Louvre und das Rijksmuseum 2016 Rembrandts Bildnisse des Ehepaars Day aus dem Besitz der Familie Rothschild.

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Ein Werk aus seinem Studio, eine Kopie aus dem 19. Jahrhundert oder doch ein über Jahrzehnte verkanntes und echtes Gemälde von Rembrandt van Rijn? Das sind Fragen, die Kunsthistoriker und den internationalen Kunstmarkt bis in die Gegenwart beschäftigen.

Denn als Rembrandt Harmenszoon van Rijn am 4. Oktober 1669 verarmt in Amsterdam verstarb, hinterließ er keine Aufzeichnungen, die der Nachwelt eine exakte Rekonstruktion seines vollständigen Lebenswerkes ermöglicht hätten. Das blieb Generationen von Kunsthistorikern überlassen, die sich mit der Abgrenzung zwischen eigenhändigen Werken des Meisters und jenen seiner Schüler, die den Stil und die Technik während ihrer Ausbildung kopierten, mit stilistischen Vergleichen behalfen.

Von 711 auf 316 Gemälde

Zuschreibungen änderten sich fortan laufend. Im Falle des niederländischen Meisters war die Bilanz rückblickend wechselhaft. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden mehr Rembrandts entweiht als entdeckt: 1923 zählte der deutsche Kunsthistoriker Wilhelm Valentiner 711, der Niederländer Abraham Bredius 1935 nur noch 630. 1966 reduzierte der Deutsche Kurt Bauch auf 562, der deutsch-niederländische Kunsthistoriker Horst Karl Gerson zum 300. Todestag des Künstlers 1969 auf 420.

Den endgültigen Kahlschlag bescherte das 1968 von einem Team niederländischer Kunsthistoriker gegründete "Rembrandt Research Projekt (RRP)". Als Alternative zur bisherigen, eher subjektiven Methode wurden naturwissenschaftliche Techniken und objektivierende Kriterien in die Beurteilung einbezogen. Seit 2014 liegt die Anzahl der anerkannten Werke bei 316.

Mit "Peeling" zum Original

Das Gros seiner Werke befindet sich in Museumsbeständen, die Anzahl der fern der Öffentlichkeit in Privatbesitz gehüteten Originale ist überschaubar. Nur sporadisch gelangen solche auf den Markt, höchstens ein Gemälde pro Jahr.

Zu den wohl spektakulärsten Entdeckungen gehörte ein Selbstporträt, das mehr als 300 Jahre unter einer Übermalung überdauert hatte. Wie Untersuchungen 2003 zutage förderten, war es kurz nach seiner Fertigstellung 1634 von einem Schüler Rembrandts zum fiktiven Porträt eines russischen Aristokraten umgearbeitet worden.

Entdeckung: Ein Schüler Rembrandts arbeitete ein Selbstbildnis des Meisters zu einem fiktiven Porträt eines russischen Adeligen um. Im 20. Jahrhundert wurden die Übermalungen schrittweise entfernt: (v.li.n.re.): dokumentierter Zustand der Jahre 1935, 1950, 1980 und schließlich 2003, als es bei Sotheby’s versteigert wurde.
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Es wechselte mehrfach den Besitzer, jene im 20. Jahrhundert ließen von Restauratoren bis in die 1980er-Jahre erste "Schichten" abtragen: zuerst den turbanähnlichen Hut, unter dem eine Kappe zum Vorschein kam, oder auch Teile der Haarpracht. Mitte der 1990er intensivierten RRP-Experten und der Restaurator des Rijksmuseum ihre Forschung. Röntgen- und Infrarotaufnahmen bestätigten die Vermutung, dass es sich um ein bisher unbekanntes Selbstporträt Rembrandts handle, von denen er bis an sein Lebensende rund 80 schuf.

Am Ende des aufwendigen "Peeling"-Prozesses waren sogar die Signatur und die Datierung zum Vorschein gekommen. 2003 gelangte dieses als eines von nur drei noch in Privatbesitz bekannten Selbstporträts bei Sotheby’s in London zur Auktion und erzielte umgerechnet etwas mehr als zehn Millionen Euro.

160-Millionen-Euro-Deal

Den Auktionsrekord hält seit dem Jahr 2000 und bis auf weiteres das Porträt einer alten Frau, das sich ein Altmeisterhändler für 19,8 Millionen Pfund (32,58 Mio. Euro) bei Christie’s aus dem Angebot fischte. Für kolportierte 25 Millionen Pfund soll er es später an eine amerikanische Privatsammlung abgegeben haben.

Ursprünglich stammte das Bild aus dem Besitz der Bankiersfamilie Rotschild, die zuletzt Anfang 2016 einen sensationellen und von Christie’s vermittelten Verkauf tätigte. Dabei ging es um die beiden größten Ganzfigurenporträts, die Rembrandt je schuf: zwei lebensgroße Bildnisse des Ehepaares Marten und Oopjen Day, die für 160 Millionen Euro an den Louvre und das Rijksmuseum verkauft wurden und dort wechselweise exklusiv gezeigt werden.

Im April wurde bekannt, dass sich die Familie Rothschild neuerlich von einem Rembrandt trennen will, konkret vom sogenannten "Fahnenträger" (1636), den Jacob James de Rotschild einst 1840 für 840 Pfund bei Christie’s ersteigert hatte. Das Gemälde wurde von Frankreich als "national wertvolles Kulturgut" eingestuft, womit der Louvre nun 30 Monate Zeit bekam, den geforderten Betrag aufzutreiben. Dem Vernehmen nach geht es um 150 Millionen Euro, und auch das Getty Museum (Los Angeles) soll bereits Interesse bekundet haben. (Olga Kronsteiner, 28.9.2019)