Netflix ist vorsichtig geworden. Am Beginn von "The Politician" warnt ein Insert: "The Politician" sei "eine Comedy über Mut, Ehrgeiz und darüber, alles um jeden Preis zu bekommen. Aber für all jene, die mit ihrer mentalen Gesundheit kämpfen, könnten einige Elemente verstörend sein. Die folgende Sendung enthält Szenen, die Ihr sittliches Empfinden verletzen könnten."

Trailer zu "The Politician".
Netflix

Fragt sich, ob eine solche Warnung nicht geradezu unwiderstehlich ausgerechnet auf jene wirkt, die gewarnt sein sollen? Das Dilemma spielt Netflix schon mit "13 Reasons Why" durch. Manchen kann man es nie recht machen.

Gwyneth Paltrow spielt die Mutter des hyperehrgeizigen Payton Hobart (Ben Platt) in "The Politician".
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Eine Idee, wie man da rauskommt, könnte Payton Hobart (Ben Platt) haben. Weil Hobart, der Held der neuen Netflix-Serie "The Politician" (seit Freitag abrufbar) zu fast allem eine Idee hat.

Zum Beispiel hat er die ziemlich fixe Idee, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden zu wollen. Sehr beharrlich verfolgt er schon als Schüler diesen Plan mit durchaus realistischen Einschätzung: "Die Menschen wollen ihren Präsidenten so sehen, als wäre er eine Figur aus dem Fernsehen." Da ist was Wahres dran.

Der Apfel fällt weit vom Stamm: Mit seinen ungehobelten Brüdern hat Payton nichts zu tun.
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Vor dem Staatsoberhaupt geht es aber zunächst einmal um die Schülervertretung, auch da geht es dem Alphatier um die Spitzenposition. Diese macht ihm sein Kollege River (David Corenswet) streitig, der besser aussieht, mehr Charisma hat und beliebter ist als Payton. Bald fliegen die Fetzen.

Es könnte jetzt alles einfach sein: Alle Handlungsleinen wären für die x-te Comedy ausgeworfen, die Klamauknetze gelegt. Aber so einfach ist es nicht. Abstoßung und Anziehung, Abstammung, Milieu, Klamauk und kritische Selbstreflexion sind fixe Bestandteile von Ryan Murphys ("The Pose") neuer Serie.

Das Beratungsteam des zukünftigen Präsidenten beim Aushecken von Strategien. Man achte aber auf die Optik!
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Echt sein oder nicht, Gefühle zeigen, sich nicht verstellen, das sind die Themen von "The Politician". Payton lernt seine Lektion auch dank Infinity (Joey Deutch), die offensichtlich an Krebs leidet und gegen Oberflächlichkeit antritt. Aber ist Infinity selbst echt?

Und noch so ein ausgesprochen tolles Bild aus "The Politician".
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Dazu kommt ein unglaubliches Ensemble (zum Beispiel Jessica Lange als Oma und eine Art verkleidetes Kentucky Fried Chicken, Gwyneth Paltrow, Martina Navratilova, Dylan McDermott, January Jones, Bette Midler ...), dazu ein Zitatenfeuerwerk und eine ausstattungsbedingt atemberaubende Optik. Stylingspezialist Murphy hat sich ausgetobt: Diese Serie kann und will sich sehen lassen. (Doris Priesching, 29.9.2019)