Pflegemutter Nicole Kidman mit Oakes Fegley in "Der Distelfink".

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Zwei Explosionen hat das Bild überlebt, eine reale und eine fiktive. 1654 wird der niederländische Maler Carel Fabritius getötet, als die Delfter Pulvermühle nahe seines Ateliers explodiert. Mit ihm werden zahlreiche seiner Kunstwerke vernichtet, doch Der Distelfink bleibt unversehrt. Ein paar hundert Jahre später schreibt Donna Tartt den gleichnamigen Roman, der zum Weltbestseller wurde. Er kreist um die Geschichte jenes Gemäldes: Bei einem Besuch des Metropolitan Museums of Arts überlebt der 13-jährige Theo einen Terroranschlag und verliert dabei seine Mutter. Aus den Trümmern kann er den Distelfink bergen, der ihn fortan auf seinem Weg durch (Pflege-)Familien und Freundschaften begleitet und eine Verbindung zu seiner Mutter aufrechterhält.

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Regisseur John Crowley (Brooklyn) hat den Roman nun verfilmt, Peter Straughan adaptierte das Drehbuch und hat dabei die Linearität der Geschichte aufgebrochen und neu verschachtelt. In Der Distelfink geht es um viele Dinge, doch der Terroranschlag steht nicht im Fokus – einer der wenigen positiven Aspekte des Films. Er greift die Geschichte des Gemäldes auf, kreist mit ihr um Theos Verluste und die damit verbundenen Schuldgefühle.

Empathie will nicht richtig aufkommen

Auch der Terminus Coming of Age will hier nicht passen. Dafür ist der 13-jährige Theo in der Darstellung von Oakes Fegley bereits viel zu erwachsen. So wirkt der Jugendliche, der auch den Großteil des Films trägt, zwar wie eine kleinere, aber nicht viel jüngere Version von Ansel Elgort, dem Darsteller des erwachsenen Theo.

Empathie will nicht richtig aufkommen. Zum einen überträgt sich das distanzierte Verhältnis, das Theo zu seinem Umfeld hat, auch auf den Zuschauer. Andererseits verliert sich der Film darin, selbst ein allzu stilisiertes Kunstwerk sein zu wollen – etwa, wenn sich die Explosion als geräuschlose artifizielle Staubwolke in den Ausstellungsraum schiebt.

Zu viele Handlungsstränge

Die drei Filmschauplätze verdeutlichen auch drei Handlungsstränge: In New York erlebt Theo nicht nur den Tod seiner Mutter. Er wird bei der Pflegefamilie rund um Mrs. Barbour (Nicole Kidman) und seinen besten Freund Andy aufgenommen, seine Wahlfamilie findet er indes im Antiquariat von Hobie (Jeffrey Wright).

Mit seinem Vater Larry (Luke Wilson) und dessen Lebensgefährtin Xandra (Sarah Paulson) geht es für Theo nach Las Vegas. Dort erwartet ihn ein Leben des Missbrauchs jeglicher Art. In Amsterdam kippt der Film letztendlich ins Genre des Kunstdiebstahlskrimis ab, der sich mit der Frage der Unsterblichkeit und dem Wert von Kunst beschäftigt. Was im Roman auf 800 Seiten funktioniert, will im Film nicht aufgehen. Es hätte wohl geholfen, in der Verfilmung nur "an einem Strang zu ziehen" und sich auf eine Hauptgeschichte zu konzentrieren. (Katharina Stöger, 29.9.2019)