"Es gibt Situationen, da kann der Schiedsrichter einfach nicht mehr selber entscheiden", sagt Ex-Fifa-Referee Bernhard Brugger. Gleiches gilt für Linienrichter, Hilfe durch den VAR dürfte aber erst 2021 kommen.

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Nestor El Maestro hat es quasi kommen sehen. "Wir reden jede Woche über gewisse Themen", sagte der Trainer von Sturm Graz nach der 0:2-Niederlage beim LASK und meinte eine nicht gegebene rote Karte für Gernot Trauner, den Abwehrchef der Linzer. Eine Woche später redete sich El Maestro nach Sturms 3:3 in Mattersburg zum selben Thema in einen Wirbel, kassierte eine bedingte einmonatige Funktionssperre plus 1.500 Euro Bußgeld, nannte diese "vernünftig und angemessen".

Über die Leistung von Schiedsrichter Josef Spurny hat er solche Worte nicht verloren. Wenngleich nur ein entscheidender Pfiff des Unparteiischen als eindeutig falsch einzustufen war – in der noch jungen Bundesligasaison war dieser nur das letzte Glied einer Kette von Fehlentscheidungen. "Leider ist der Start in diese Saison misslungen", sagt Robert Sedlacek, der Vorsitzende der Schiedsrichterkommission des ÖFB. "Es passieren einfach zu viele Fehler – teilweise auch Fehler, die man nicht ganz einer fehlenden Wahrnehmung zuordnen kann." Diese seien für den Wiener Verbandspräsidenten "Fehler, die so nicht in der Eliteabteilung passieren sollten".

Wenn es so einfach wäre ...

Stellt sich die Frage, wie sich das erklärt. "Wenn das so einfach wäre, dann hätte ich die Lösung schon gefunden", sagt Sedlacek zum STANDARD. Der ÖFB versuche der Misere mit Schulungen beizukommen. Im August setzte sich Sedlacek in die Nesseln, als er gegenüber der "Kleinen Zeitung" sagte, "dass es Beispiele gibt, bei denen Schiedsrichter nicht die optimale Entscheidung getroffen haben, weil sie es sich lieber angenehm machen wollten". Später hielt der 64-Jährige fest: "Die Objektivität aller Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten im Elitebereich steht für mich völlig außer Zweifel."

Sturm-Trainer Nestor El Maestro ist nicht sonderlich gut auf Österreichs Unparteiische zu sprechen.
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Für die laufende Saison wurde ein Mechanismus eingeführt, durch den Referees nach klaren Fehlentscheidungen eine oder zwei Runden lang unberücksichtigt bleiben, "wie es auch bei der Uefa üblich ist. Nachdem uns aufgefallen ist, dass es zu viele Fehler gibt, mussten wir etwas unternehmen", sagt Sedlacek. Im Winter werde das System evaluiert.

Der Faktor Druck

"Das macht es nicht einfacher", sagte Bundesliga-Schiedsrichter Julian Weinberger Anfang September in einem bemerkenswert offenen Interview auf Sky zu der Regelung. Sedlacek: "Wenn man in diesen Sphären pfeift, dann gehört Druck dazu. Ich halte das nicht für einen wesentlichen Faktor, ob einer gut oder schlecht pfeift – vielleicht kann der eine oder andere sogar unter Druck besser agieren als ohne. Aber das ist alles graue Theorie."

Schiedsrichter und Trainer sind sich nicht immer grün. Das ist im Fußball freilich keine neue Entwicklung. Dass Erstere nun die Disziplinarmaßnahme gelbe Karte zur Verfügung haben, ist sehr wohl eine.
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Der Schiedsrichterboss hat Kritiker, allen voran fordert die von Ex-Schiedsrichtern gegründete IG Referee seinen Rücktritt. "Ich glaube, dass die Schiedsrichter derzeit sehr verunsichert sind", sagt deren Sprecher Bernhard Brugger, selbst Ex-Fifa-Referee. Zuletzt verpasste Sedlacek eine von zwei selbst angesetzten Aussprachen mit Bundesliga-Schiedsrichtern, da er bei Salzburgs Youth-League-Spiel gegen Genk als Beobachter für die Uefa im Einsatz war. Brugger dazu: "Ich habe Verbindungen zu den Schiedsrichtern: Es brodelt sehr."

In einem Punkt sind sich Brugger und Sedlacek einig: Der Videoassistent muss her. "Es wird immer schneller, undurchsichtiger, körperbetonter – es gibt Situationen, da kann der Schiedsrichter einfach nicht mehr selber entscheiden", sagt Brunner. Im März 2021 soll es in der Bundesliga so weit sein, eine grundsätzliche Einigung darüber gibt es bereits. "Es ist jetzt allen klar, dass kein Weg daran vorbeiführt", sagt Sedlacek.

Keine Königsklasse

Durch das Fehlen des VAR im Liga-Alltag kommen österreichische Schiedsrichter derzeit nicht für Champions-League-Spiele infrage. Vergangene Woche besuchten die zwei international am besten angeschriebenen ÖFB-Spielleiter, Harald Lechner und Manuel Schüttengruber, erstmals eine Video-Schulung der Uefa.

Richtiges Fernschauen will gelernt sein.

"Wenn im kommenden Jahr Europa-League-Spiele nur mit VAR gepfiffen werden, würde das ja heißen, dass wir wahrscheinlich zu wenige Schiedsrichter haben", sagt Sedlacek. Auch deshalb führt die Uefa nun Schulungen für ausgewählte Referees von Nachzügler-Verbänden durch, in Kombination mit den kommendes Jahr beginnenden Schulungen des ÖFB rechnet der Wiener deshalb "schon damit, dass unsere beiden Leute auch eingesetzt werden".

Benkö 2000, Plautz 2008, ???

Eine Nominierung für ein Großereignis zeichnet sich dadurch noch nicht ab, Österreichs letzter Beitrag war diesbezüglich Konrad Plautz bei der Heim-EM 2008. Brugger sieht auch hier das Problem in der Führungsetage. "Es gehört einfach ein neuer Wind rein – warum soll nicht ein Konrad Plautz oder ein Thomas Einwaller Vorsitzender der Kommission werden?", fragt der Salzburger. Die Genannten sitzen bereits in der Schiedsrichter-Kommission, laut Brugger hätten sie "ein besseres Standing bei der Uefa oder Fifa. Sie kennen die Funktionäre noch und haben eine ganz andere Ansprechbasis." (Martin Schauhuber, 28.9.2019)