Der freundliche Bürgermeister Michael Reiner ist grantig auf die Parteifreunde in Wien: "Ich muss gerade viel erklären."

Foto: Ferdinand Neumüller

Ein herrlicher Herbsttag hier heroben in Deutsch-Griffen im kärntnerischen Gurktal. Die Sonne bemalt die Nadelwälder ringsum in allen Grünschattierungen und taucht das Dorf in weiches Licht. Ein schmucker Ort, dieses Deutsch-Griffen – aber schweigsam. Zumindest wenn Fremde kommen.

An der Dorfstraße sitzt eine ältere Dame auf der Hausbank und behält die spielenden Kinder im Auge. "Warum do so viele FPÖ wählen? I gib do ka Antwort. Frogen S' wen anderen", sagt die Frau, ohne aufzublicken. Sie will keine Gedanken und Worte mehr drüber verlieren, warum dieses Deutsch-Griffen österreichweit die meisten FPÖ-Wähler zählt. 53,8 Prozent der Wahlberechtigten hatten hier 2017 bei der Nationalratswahl für die Blauen votiert.

Pfarrer Robert Jamiróz hebt die Schulter, schaut von der alten Wehrkirche, die auf dem nahen Hügel thront, hinab ins Dorf und schüttelt den Kopf: "Ich weiß es auch nicht, die Menschen sind nicht anders als sonst wo. Sie sind zuvorkommend, kommen in die Kirche." Politisch, nein, da wolle er sich nicht äußern.

Politisch, nein, da wolle sich auch Pfarrer Robert Jamiróz nicht äußern.
Foto: Ferdinand Neumüller

In Deutsch-Griffen ist die Welt, so scheint es, noch im Lot. Das kommunale Leben der 900-Einwohner-Gemeinde nördlich von Klagenfurt floriert: Kindergarten, Volksschule, Nahversorger, Raiffeisenbank, Tennisplatz, Sporthalle, ein Skiberg, auf dem ein Investor eine Hotelanlage plant, ein psychosoziales Zentrum, vier Gasthäuser. Und auch optisch gibt der kleine Ort einiges her. Überall blüht's, die Häuser sind herausgeputzt, sogar die Telefonzelle steht unter einem schmucken Holzdach.

Beim Wirt im Dorfzentrum wird gerade der frische Schweinsbraten mit Knödel für die Trauergemeinde, die zum Leichenschmaus zusammengekommen ist, serviert. Die junge Kellnerin kann auch nicht weiterhelfen. Aber womöglich der Chef, sagt sie, vielleicht habe er eine Erklärung, warum so viele Bewohner hier FPÖ wählen.

Aber auch der Chef mag nicht reden. Aus dem Nebenzimmer sind halblaut nur ein paar Wortfetzen zu hören: "Da sind schon wieder welche, die was über Deutsch-Griffen berichten wollen." Klang nicht sehr freundlich."Na ja, in den letzten Wochen sind wir ja direkt belagert worden von den Medien, auch von deutschen.

Die Leut' wollen jetzt nix mehr sagen, weil eh immer alles verdreht worden ist", sagt wenig später FPÖ-Bürgermeister Michael Reiner. Er sitzt im Büro seines kleinen Gemeindeamtes, serviert Kaffee und Wasser. Reiner ist 34, ein smarter Erfolgstyp. Er könnte auch bei der ÖVP sein, oder bei der SPÖ.

Das nationale Erbe

So falsch sei das mit der ÖVP gar nicht, sagt Reiner. Hätte der Zufall anders gespielt, dann wäre er vielleicht sogar für die Schwarzen angetreten. Gekommen ist er nämlich von der ÖVP-Landjugend, ehe ihn der erfolgreiche FPÖ-Bürgermeister in die Partei geholt hat. Eine Chance, die er ergriffen hat. Ideologe sei er nämlich keiner.

"Im Grunde decken sich die Programme der beiden Parteien in den großen Punkten ohnehin." Sebastian Kurz habe mit der FPÖ-Politik ja 2017 sogar die Wahl gewonnen. Außerdem: "Wie sollst denn in einem so kleinen Ort auch groß Ideologiepolitik machen?" Was hier zähle, sei eine funktionierende Infrastruktur, Arbeitsplätze, Sportmöglichkeiten.

Die Leut' wollen jetzt nix mehr sagen, weil eh immer alles verdreht worden ist", sagt wenig später FPÖ-Bürgermeister Michael Reiner.
Foto: Ferdinand Neumüller

Hinter der neuen blauen Biedermeierlichkeit steht freilich eine alte nationale Geschichte. Das Gurktal zählt historisch zu den nationalfreiheitlichen Reservaten Kärntens. Jahrzehnte prägten angestammte deutschnationale Bauernfamilien diesen Landstrich. Da und dort in Seitentälern des Gurktales – so hört man – wird das "deutsche" Erbe durchaus noch hochgehalten.

Deutsch-Griffen sei zwar blau, aber anders, bemüht sich Bürgermeister Reiner zu versichern. Und je länger das Gespräch dauert, desto grantiger wird er auf die Wiener Parteifreunde.

Denn er müsse hier im Ort Rede und Antwort stehen: "Jeder Funktionär bei uns, der ehrlich und sauber arbeitet, stellt sich natürlich die Frage: Wie schaffen wir das in Wien, dass wir in Entscheidungspositionen immer solche Volltreffer installieren, die dann mit einem Schlag die jahrelange Arbeit zusammenhauen?"

Und noch ein Wort zu Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache: "Wenn das alles kein parteischädigendes Verhalten ist, was dann?" Sagt's und posiert freundlich lächelnd für ein Foto vor der dekorativen Kulisse seines blauen Dorfes. (Walter Müller, 28.9.2019)