Ein Bild von einem Dorf ist Dalaas – nicht nur für Ortschef Martin Burtscher. Man weiß, was sich gehört: den wählen, der aus der Gegend stammt.

Foto: Mark Mosman

Skyline von Dalaas.

Foto: Mark Mosman

Idyllisch ist es da oben, in den Klostertaler Bergen. Die Herbstsonne lacht, Wanderer genießen die gute Luft, die Sommertouristen sind weg, die Einheimischen entspannt. Auf der Wiese vor dem Gemeindeamt tollen die Großen aus dem Kindi, dem örtlichen Kindergarten, die Kleineren sind im Gänsemarsch auf Erkundungstour. Der Dalaaser Bürgermeister Martin Burtscher (43) sieht das mit Freude: "Abwanderung ist bei uns kein Thema, im Gegenteil, wir wachsen."

"Leistbares Wohnen" lautet die Zauberformel, um Junge im Dorf zu halten. Sechs erschwingliche Bauplätze habe die Gemeinde für Jungfamilien geschaffen, "fünf sind schon verkauft oder bebaut", ist Burtscher stolz. Wer nicht bauen will, findet Miet- und Mietkaufwohnungen in einem der vier gemeinnützigen Bauten. Schule, Kinderbetreuung, auch ganztägig, würden ausgebaut. An einem Radwegkonzept durch das ganze Tal arbeite man, zählt der Bürgermeister auf.

1612 Menschen wohnen in Dalaas und Wald am Arlberg, die gemeinsam die Kommune Dalaas bilden. Der Ortsname, von Fremden oft wie das amerikanische Dallas ausgesprochen, komme vom rätoromanischen "Talaus", erklärt Martin Burtscher.

Österreichweit bekannt wurde das Dorf an der S16, weil es mit seinem Formarinsee beim ORF-Wettbewerb 9 Schätze, 9 Plätze gewonnen hat. Und wegen "dem Matthias", wie die Dalaaser Neos-Gründer Matthias Strolz nennen. Er stammt aus Wald. Sensationelle 39,9 Prozent erreichten die Neos 2013. Vier Jahre später schafften sie hier mit 19 Prozent erneut den Österreich-Bestwert. Bei der Europawahl wählten 22 Prozent Pink.

Idyllisch ist es da oben, in den Klostertaler Bergen.
Foto: Maria von Usslar

Warum dieser Erfolg? Die beiden Pensionisten am Stammtisch in der "Post" wundern sich über die Frage: "Das ist ganz einfach. Der Matthias, der Parteigründer, ist von Wald. Wenn einer von uns antritt, dann wählt man den." Jetzt, ohne Strolz, "werden wohl hier auch nicht mehr Neos-Wähler als anderswo sein". Sie haben ihn auch gewählt, sagen die beiden Herren, die anonym bleiben wollen. Die Sonntagsfrage lassen sie unbeantwortet.

"Der Bezug zum Matthias ist noch da, aber ein Hoch wird es nicht mehr geben", vermutet der Bürgermeister. Interessant seien die Neos für viele, "weil sie der ÖVP näher sind als andere Parteien". Eine Hochburg der Volkspartei, wie andere Berggemeinden, sei Dalaas nie gewesen, sagt der Bürgermeister. Wegen der ÖBB, die lange Zeit größter Arbeitgeber im Dorf war, wählten auch viele die SPÖ. Burtscher selbst will sich keinen Parteihut aufsetzen, "ich sehe mich als Neutralen".

Angebote für junge Familien

Im Ortsteil Wald, da, wo der Matthias daheim ist, ist Claudia Margreitter Ortsvorsteherin. Die Steirerin blieb vor 30 Jahren der Liebe wegen im Dorf. Sie betreut als mobile Helferin alte und pflegebedürftige Menschen. Und setzt sich als Gemeindevertreterin für die 800 Einwohner von Wald ein. Das Dorfgasthaus habe man schließen müssen, der Bankomat sei weg, die Bäckerei zu, schildert Claudia Margreitter aktuelle Probleme.

Ida Strolz, die Mutter von Matthias Strolz, will mehr Ganztagsschulen, hält nichts von "Deutschghettoklassen".
Foto: Mark Mosman

Auf der Positivseite steht für sie das Angebot für junge Familien. "Wir haben Schule, Kindergarten und Spielgruppe." Die Jungen und Protestwähler würden Neos wählen, auch die Grünen könnten am Sonntag zulegen, schaut die Ortsvorsteherin in die nahe Zukunft. Sie selbst verstehe sich als Türkise.

In der Gemeindestube hält man sich mit Parteipolitik zurück. Bei den Gemeindewahlen 2015 einigte man sich auf eine Einheitsliste. "Das war auch dringend notwendig. Wir waren ja die zerstrittenste Gemeinde Österreichs", sagt Ida Strolz, Mutter des Parteigründers und frühere Ortsbäuerin. Quer durch die Familien sei der Streit gegangen.

Die Strolz-Familie könne aber mit politischer Konkurrenz gut umgehen. Christian Gantner, Cousin von Matthias Strolz, wurde im Vorjahr VP-Landesrat. Die beiden Cousins seien einander ihre Erfolge nicht neidig, sagt Ida Strolz.

Die Altbäuerin wird die Neos wählen, vor allem wegen deren Bildungspolitik. Ida Strolz will mehr Ganztagsschulen, hält nichts von "Deutschghettoklassen". Die resolute Frau hat noch ein paar Forderungen an die Politik: Unternehmen und Bauern entlasten, alte Mütter ohne Pensionsanspruch unterstützen, große Konzerne besteuern, das Fliegen verteuern, den Bodenverbrauch einschränken. Mit der ÖVP gehe das alles nicht: "Die sind ja mit allen verbandelt." (Jutta Berger, 28.9.2019)