Chritine Steger, Michael Fink, Anna Hosenseidl, Oswald Föllerer und Evelyn Kölldorfer-Leitgeb vor dem Donauspital (von links).

Foto: Hannah Wahl / Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Wien – Am 26. Oktober 2008 ist die von Österreich mitunterzeichnete UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft getreten. Darin heißt es in Artikel neun, dass die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um Menschen mit Behinderung "ein selbstbestimmtes Leben und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen". Dazu gehört insbesondere der gleichberechtigte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern.

Ob dieser gleichberechtigte Zugang in den Krankenhäusern des Wiener Krankenanstaltsverbunds (KAV) Realität ist, überprüft derzeit die Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Experten und Expertinnen, die selbst von Beeinträchtigungen betroffen sind, haben im Zuge von Begehungen die Barrierefreiheit im Wilhelminenspital, dem Donauspital und dem Krankenhaus Nord bewertet und werden das auch noch in den sechs übrigen Krankenhäusern des KAV tun. Am Ende soll ein Bericht stehen und die Ergebnisse in die geplante Modernisierung der Wiener Spitäler, für die zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen, einbezogen werden, sagt KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb. Erste Ergebnisse zeigen: Es gibt Aufholbedarf.

Bei einer öffentlichen Sitzung der Monitoringstelle wurden erste Ergebnisse der Begehungen mit Betroffenen diskutiert
Foto: mitzi gugg / Monitoringausschuss

Fehlende Selbstbestimmtheit

Oswald Föllerer und Anna Hosenseidl, zwei Mitglieder der Monitoringstelle, die selbst von Beeinträchtigungen betroffen sind, haben gemeinsam mit Ursula Naue, Professorin an der Universität Wien mit Forschungsschwerpunkt Inklusionsforschung, die Überprüfung der drei Krankenhäuser durchgeführt. Bei einer öffentlichen Sitzung der Monitoringstelle Ende September wurden erste Ergebnisse der Begehungen präsentiert und gemeinsam mit Betroffenen aus ganz Österreich diskutiert.

Im Wilhelminenspital "war die Anmeldung nicht sehr barrierefrei, weil der Raum sehr klein ist. Alles ist mit Computern verstellt, und die Tische sind (mit Rollstuhl) kaum unterfahrbar", sagte Hosenseidl. Außerdem gebe es bei der Notfallambulanz keinen automatischen Türöffner. Das Krankenhaus Nord sei zwar neu und baulich sehr schön, aber einiges könnte noch verbessert werden. Zum Beispiel gehe das Leitsystem am Boden nur bis zum Portier, erklärte Föllerer. Dort soll man dann von einer Begleitperson abgeholt werden. "Ich möchte mich ja selbstständig bewegen können", sagt Hosenseidl.

"In den Spitälern wurde uns das als positiv verkauft, dass die Menschen abgeholt werden. Das ist aber nicht positiv. In der UN-Konvention geht es um Selbstbestimmtheit", sagt Ursula Naue. Das Grundproblem sei das fehlende Verständnis dafür, was Selbstbestimmtheit bedeutet. Auch bei der baulichen Barrierefreiheit scheitere es oft an Details. "Es ist uns fast überall aufgefallen, dass selbst dort, wo das WC halbwegs barrierefrei ist, dann die Tür nicht aufgeht – dann hilft mir das barrierefreie WC nichts." Barrierefreies Bauen müsse endlich verpflichtender Teil der Ausbildung von Architekten werden und nicht, wie bisher an der Technischen Universität, bloß ein Wahlfach.

Ursula Naue und Anna Hosenseidl.
Foto: mitzi gugg / Monitoringausschuss

Probleme beim persönlichen Umgang

Das Donauspital habe von den drei begutachteten Krankenhäusern den besten Eindruck hinterlassen, sind sich Hosenseidl und Föllerer einig. Die farblichen Hinweistafeln seien gut sichtbar angebracht, und auch der Eingangsbereich sei groß genug. Nur die Sanitärbereiche in den Zimmern seien etwas klein, und an manchen Geländern fehle die Brailleschrift, die blinde Menschen brauchen, um sich zu orientieren.

Abgesehen von baulichen Maßnahmen sei vor allem der persönliche Umgang mit Menschen mit Behinderungen ein Problem, berichteten Betroffene bei der öffentlichen Sitzung der Monitoringstelle. "Oft spricht das Personal nicht mit uns selbst, sondern nur mit der Begleitperson", kritisierte ein blinder Herr. Auch die Verständigung mit Ärzten und Krankenhäusern sei oft ein Problem, sagt Oswald Föllerer. Damit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zum Beispiel einem Aufnahmegespräch folgen können, sei es wichtig, in leichter Sprache zu sprechen, also etwa auf Fremdwörter und besonders lange Sätze zu verzichten.

Oswald Föllerer.
Foto: mitzi gugg / Monitoringausschuss

Der KAV will sich verbessern

"Barrierefreiheit ist niemals ein statischer Zustand, sondern muss ständig weiterentwickelt werden", sagt Reinhard Faber, Abteilungsleiter für Personalangelegenheiten beim KAV. Der KAV sei sich seiner Verantwortung bewusst und nehme die Eindrücke der Betroffenen auf, um in Sachen Barrierefreiheit besser zu werden. Auch jetzt schon würden in Schulungen Mitarbeiter mit Rollstühlen oder mit verbundenen Augen durch die Krankenhäuser geschickt, um sich ein Bild machen zu können, wie es sein kann, sich als Mensch mit Behinderung zurechtfinden zu müssen.

"Barrierefreiheit ist eine Einstellung, keine Checkliste", sagt Christine Steger, die Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, bei dem Betroffene noch bis 7. Jänner 2020 ihre Expertise zu Barrierefreiheit in Krankenhäusern einbringen können. Aus den gesammelten Ergebnissen soll dann eine Stellungnahme erstellt werden, die an politische Entscheidungsträger und Betreiber von Krankenhäusern geht. (Johannes Pucher, 3.10.2019)