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Kopfhörer rauf und los: Christian Coleman will Dopingvorwürfe nicht mehr hören.

Foto: Martin Rickett(/PA via AP

Mit Musik in den Ohren schlenderte Christian Coleman durch das Suhaim Bin Hamad Stadium, er lockerte seine Muskeln, legte ein paar Läufe hin. Und als das Training beendet war, nahm der Topsprinter aus den USA seine dicken Kopfhörer ab – um die Fragen der Reporter zu seiner Dopingtest-Affäre zu beantworten.

"Ich weiß gar nicht, was ich noch sagen soll. Ich habe die Lage erklärt" , sagte Coleman, der sich am Samstag (21.15 Uhr MESZ) im ersten WM-Finale nach dem Pensionsantritt von Usain Bolt zum schnellsten Mann der Welt krönen will. Der 23-Jährige beteuerte erneut: "Ich nehme keine leistungssteigernden Medikamente. Ich nehme nichts. Ich arbeite hart an meinem gottgegebenen Talent und meinen Fähigkeiten."

Drei Tests verpasst

Doch seitdem vor gut einem Monat bekannt wurde, dass Coleman innerhalb eines Jahres drei Dopingtests verpasst hatte, er aber aus formellen Gründen trotzdem in Katar um Gold rennen darf, begleiten den Vizeweltmeister von 2017 die Zweifel. Coleman kann das sogar verstehen – aufgrund der "Geschichte des US-Sprints". Marion Jones, Tim Montgomery, Justin Gatlin, der seinen Titel von London verteidigen will – die Liste der Verfehlungen ließe sich fortsetzen. "Die Leute", sagte Coleman, hätten in seinem Fall "die Überschriften" gelesen, "zwei und zwei zusammengezählt" und seien zu dem Schluss gekommen: "Oh, der muss etwas machen."

Aber Coleman ist laut eigener Aussage "nur ein ganz normaler Typ, der Talent hat". Mit seinen Zeiten 9,86, 9,85 und 9,81 ist er heuer aber auch die absolute Nummer eins über 100 Meter. Beim Showdown in Doha führt der Weg zum Titel über ihn. Der Nigerianer Divine Oduduru (9,86) sagte seine Teilnahme kurzfristig ab, Oldie Gatlin, der nach dem Triumph von London ausgebuht wurde, und der wieder in Form kommende Kanadier Andre De Grasse müssen schon auf einen Patzer Colemans hoffen, um eine Chance zu haben.

Goldfavorit

"Ich versuche, mich nicht nur auf eine Person zu konzentrieren", sagte Coleman über seine Konkurrenten: "Es ist ein Weltklassefeld, jeder kann den Titel holen." Als seine Welt vor dem Wirbel um die verpassten Dopingtests noch in Ordnung war, hatte Coleman noch ganz anders geklungen. Da zählte nur Gold für ihn. "Genau darauf konzentriere ich mich jeden Tag. Dafür greife ich in jedem einzelnen Training an", hatte der Hallen-Weltrekordler über 60 m nach den US-Meisterschaften Ende Juli gesagt.

Doch seitdem bestritt Coleman kein Rennen mehr, er kämpfte vielmehr um seinen Ruf, zuletzt mit einem 22 Minuten langen Video auf Youtube. "Die Menschen verstehen nicht, wie leicht es passieren kann, einen Test zu verpassen", sagt er da. "Manchmal vergisst du, die App zu aktualisieren, aber das hat nichts mit Doping zu tun oder dem Versuch, einem Test auszuweichen." Und weiter: "Niemand ist perfekt. Menschen machen Fehler."

Johnson haut drauf

Der ehemalige US-Sprintstar Michael Johnson hat seinen Landsmann für die Affäre scharf kritisiert. Coleman sei seiner "Verantwortung" als potenzieller Superstar der Leichtathletik nicht nachgekommen, sagte Johnson der BBC: "Er hat sich keinen Gefallen getan, wie er mit dieser Situation umgegangen ist."

Coleman sei als "das nächste große Gesicht des Sports" gehandelt worden, als jemand, "der Usain Bolt als Star beerben sollte. Ich denke nicht, dass das jetzt noch passieren wird", sagte der 52-jährige Johnson, Olympiasieger über 200 und 400 m sowie ehemaliger Weltrekordhalter über beide Distanzen.

Weißhaidingers Ziel

Erster Österreicher im WM-Einsatz ist Lukas Weißhaidinger (27). Der Innviertler strebt Historisches an. Die Diskus-Quali am Samstag sollte er als Jahresbestenlistendritter überstehen, im Finale am Montag will Weißhaidinger auf die erste WM-Medaille eines Österreichers losgehen. Zwei Österreicherinnen sind ihm Stockerlplätze schon vorgehüpft und vorgelaufen, Sigrid Kirchmann holte 1993 im Hochsprung Bronze, Stephanie Graf 2001 800-m-Silber. Neben und nach Weißhaidinger in Doha am Start: Victoria Hudson (Speer), Beate Schrott (100 m Hürden), Verena Preiner, Ivona Dadic (Siebenkampf), Lemawork Ketema (Marathon). (sid, fri)