Gerald Hörhan, geboren im Oktober 1975 in Wien, ist Unternehmer und Buchautor. Nach dem Gymnasium studierte er in Harvard angewandte Mathematik und Wirtschaft. Sein schrilles Outfit als selbsternannter Investmentpunk erinnert kaum an seine beruflichen Anfänge als Analyst bei JPMorgan Chase in New York und als Berater bei McKinsey & Company.
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Gerald Hörhan sticht auf den ersten Blick aus der Masse der Anleger- und Finanzmarktakteure heraus. Dass er unter der Bezeichnung Investmentpunk bekannt wurde, kommt nicht von irgendwoher, vielmehr ist der Name Programm. Als solcher eindeutig erkenntlich, trat er auch auf der Bühne des diesjährigen Börsianer-Festivals auf – und heftete sich als Tesla- und Bahnfahrer auch den Umweltschutz auf seine Punkerjacke. Lautstark trägt er zudem sein Credo vor sich her: Jeder kann reich werden! Man müsse es nur wollen und auch etwas dafür tun.

Es überrascht daher kaum, wenn er im Gespräch mit dem STANDARD am Rand der Veranstaltung betont, dass er auf ein Mittelstandsleben, wie es seine Eltern vorgelebt haben, wenig Lust verspürte. Vielmehr wollte er reich werden – was ihm laut eigenem Bekunden auch gelungen ist. Er erklärt, warum es für junge Leute heute sogar leichter sei, zu Reichtum zu kommen, als zu seiner Zeit und welche zwiespältige Rolle das Internet dabei spielt. Und warum er eine Schwäche für kleine, hässliche Löcher hat.

STANDARD: Auf Ihrer Visitenkarte steht tatsächlich die Bezeichnung "Investmentpunk".

Hörhan: Das bin ich ja auch.

STANDARD: Wie kam es dazu?

Hörhan: Ich saß bei einem Musikfestival im Punkeroutfit in der Innenstadt in Rostock, und Leute haben gefragt, was ich mache. Wir haben gebeten, zu raten, um Drinks gewettet, und keiner hat es erraten. Dann hat ein Kumpel von mir gesagt: Gerald ist kein Investmentbanker, er ist ein Investmentpunker – so wurde der Titel meines ersten Buches geboren.

STANDARD: Sehen Sie sich selbst als Unternehmer?

Hörhan: Ja. Ich bin vielleicht nicht der klassische Unternehmer, ich bin Immobilieninvestor und lehre auch, wie man Immobilien kauft. Am besten beginnt man mit kleinen, hässlichen Löchern in zentralen Lagen. Wenn man jedes Jahr ein paar kleine, hässliche Löcher anzahlt und keine groben Fehler macht, kann man gar nicht vermeiden, Millionär zu werden.

STANDARD: Bei einem klassischen Unternehmer denkt man an viele Mitarbeiter, die etwas produzieren. Bei Ihnen sind es wahrscheinlich gar nicht so viele ...

Hörhan: Na ja, so wenige sind wir nicht. Es sind knapp zwanzig Mitarbeiter. Wir haben ein lustiges Büro mit Kindern und einem Bürohund. Bei uns gilt das Motto: Arbeit soll Spaß machen. Gerade im kreativen oder digitalen Bereich geht es nur durch Motivation, Anreize und Firmenkultur. Bei der letzten Weihnachtsansprache sagte ich, dass wir es geschafft haben, weil wir alle Arschlöcher aus der Firma verbannt haben.

STANDARD: Warum haben Sie die überhaupt hereingelassen?

Hörhan: Wir haben eh nur sehr wenige reingelassen, aber manchmal passieren auch Fehlgriffe. Wenn wir jemanden rekrutieren, schauen sich diese Person fünf, sechs Leute an. Wenn jemand sagt, "Vorsicht", ist das schon ein Warnsignal. Einmal hat der Bürohund, der sonst nie knurrt, bei einer Person geknurrt. Es hat sich als gut herausgestellt, dass wir auf den Hund gehört haben.

STANDARD: Was macht den Großteil Ihrer Tätigkeit aus?

Hörhan: Groß ist das Onlinegeschäft, das verdoppelt sich auch jedes Jahr. Wir bieten in unserer Investmentpunk-Akademie Onlinekurse an. Wie man Geld investiert, Immobilien kauft, Firmen aufbaut, Bilanzen liest, Onlinemarketing macht, wie geistiges Eigentum funktioniert – also wirtschaftliche Bildung.

Das Interview mit Gerald Hörhan fand am Rande des Börsianer Festivals statt, wo sich der Investmentpunk auf der Bühne über die Generation der Millennials äußerte.
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STANDARD: Heißt nicht reich sein, der Welt mehr zu entnehmen, als man braucht?

Hörhan: Nein. Deshalb ist auch eine Erbschaftssteuer diskussionswürdig, die Vermögenssteuer aber nicht. Ohne Unternehmer wird es keinen wirtschaftlichen Fortschritt geben. Auch den Klimawandel wird man ohne Unternehmertum nicht lösen. Eine Gesellschaft, die nicht auf reiche Leute stolz ist, wird sich nicht weiterentwickeln. Zumindest auf jene Reiche, die in ihren Ländern Steuern zahlen. Was nicht in Ordnung ist: wenn Konzerne oder Reiche keine Steuern bezahlen.

STANDARD: Steuern auf Gewinne und Arbeit halten Sie für zu hoch. Wo sollen die Einnahmen herkommen?

Hörhan: Durch eine 20-prozentige Flat Tax und Sündensteuern.

STANDARD: Wie soll das funktionieren?

Hörhan: Man kann schnell mit einem benzinfressenden Auto fahren, aber das kostet. Man kann Alkohol trinken, man kann Rindfleisch essen – but you got to pay. Eine Schachtel Zigaretten sollte 15 Euro kosten, eine Flasche Bier ebenso. Flugtickets sollten auch deutlich teurer werden. Autos ebenso, vor allem, wenn sie in Innenstädte hineinfahren.

STANDARD: Aber Alkohol und Tabak werden schon stark besteuert.

Hörhan: Im Gegenteil, das ist billigst.

STANDARD: Warum sind Erbschaftssteuern okay, aber Vermögenssteuern tabu?

Hörhan: Wenn Sie in erster Generation ein Unternehmen aufbauen, brauchen Sie das Geld immer wieder zum Investieren. Es wäre also eine Bestrafung jener, die etwas aufbauen. Wenn Sie nur etwas geerbt haben, haben Sie dafür in der Regel nichts geleistet. Und viele Erben können mit dem Geld auch nicht umgehen. Man muss nur aufpassen, dass man Familienbetriebe nicht zerstört, und man muss überlegen, ob das Eigenheim ausgenommen ist.

STANDARD: Haben junge Leute es heute schwerer, Vermögen aufzubauen?

Hörhan: Nein, das Gegenteil ist der Fall! Wenn man fleißig ist und etwas kann, gerade im Bereich der Digitalisierung, Medizintechnik, Biotechnologie, Mathematik, Statistik, Onlinemarketing – da gibt es so viele Möglichkeiten.

STANDARD: Das Internet ermöglicht vieles. Sie haben aber auch schon gesagt, das Internet schafft den Mittelstand ab. Wieso?

Hörhan: Es spaltet die Gesellschaft in zwei Teile. Das Geschäftsmodell der digitalen Wirtschaft lautet: The winner takes it all. Die ersten drei kassieren 95 Prozent des Marktes. Das sieht man heute querbeet, von Amazon über Google bis Airbnb, das ist die Schaffung von globalen oder lokalen Monopolen oder Oligopolen.

STANDARD: Monopole gab es vorher auch schon. Es musste nur der Staat dagegenhalten.

Hörhan: Das ist auch ein Problem, wenn der Staat nicht seiner Rolle entsprechend Monopole aufbricht oder reguliert. Monopole sind wie eine Erbgesellschaft, da passiert keine Innovation, da passiert Ausbeutung. Aber vor allem bei zwei Themen wird die Teilung der Gesellschaft sehr stark sein: Es gibt Leute, die Algorithmen verstehen, programmieren und besitzen, und auf der anderen Seite Leute, die sich von Programmen manipulieren lassen. Aber auch bei Klimawandel, Ernährung, Gesundheit, Bildung und moderner Medizintechnik wird sich die Gesellschaft spalten. Weil das sind Themen, die sowohl Geld als auch Know-how bedürfen.

STANDARD: Was kann man dagegen tun?

Hörhan: Die Finnen haben klar gesagt, wir sind stolz darauf, dass unser Ausbildungssystem zu den besten der Welt gehört und dass wir auch den Wohlstand unserer Bevölkerung sichern. Hier hat Amerika ein Problem. Es gibt extrem gut ausgebildete Eliten und eine sehr schlecht ausgebildete Masse, außer vielleicht in Waffen- oder Drogenkunde. Es werden Länder an der Spitze sein, die ihre Bevölkerung in digitalen Fähigkeiten sehr gut ausbilden. Nicht nur die Elite, sondern jeden.

STANDARD: In Westeuropa gibt es über Steuern und Sozialsysteme eine Umverteilung, eine Art Gleichmachungsmechanismus. Sollten wir uns von der Idee trennen?

Hörhan: Kein Sozialsystem zu haben wäre falsch. Es muss eine gewisse Absicherung geben für Notfälle wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Ich würde es also nicht bedingungsloses Grundeinkommen nennen, sondern ein Grundeinkommen, das bedingt, dass man sich bildet und etwas lernt oder karitativ tätig wird. Es ist wichtig, dass es eine Basisabsicherung gibt, aber kein Füllhorn.

STANDARD: Zurück zu Ihnen. Würden Sie sich eigentlich selbst als nachhaltigen Unternehmer bezeichnen?

Hörhan: Ich habe viele Immobilien, wohnen müssen die Leute auch zukünftig. Ich habe Kryptowährungen, ich habe Gold, ich habe Cash und gewisse ETF-Ansparpläne. Ich habe noch nie in Waffenfirmen, Tabakfirmen oder Ähnliches investiert. Ja, ich schaue schon ein wenig darauf.

STANDARD: Sie haben bisher fünf Bücher geschrieben. Arbeiten Sie derzeit wieder an einem neuen Werk?

Hörhan: Ja, aber es wird erst nächstes Jahr erscheinen. Vermutlich wird etwas über Betongold dabei sein. Wie Sie wissen, sammle ich kleine, hässliche Löcher. (Interview: Alexander Hahn, 28.9.2019)