Facelift trifft es diesmal präzise. Zur Halbzeit hat BMW dem 7er jene mächtig protzige Doppelniere transplantiert, die aussieht, als käme bei einer Kollision mit einem Wildschwein selbiges gleich portionsweise tranchiert hinten raus, und die auch schon an der Front des X7 prangt.

5,26 Meter Luxuslimousine warten auf Menschen, denen Geld wurscht und Repräsentation wichtig ist, die technische Spitzenleistung schätzen und sündteure Autos sammeln.
Foto: Andreas Stockinger

Das hat nichts mit zartem, in Europa verankertem ästhetischem Sinn zu tun, sondern ist dem Repräsentationsbedürfnis der in den USA und im kapitalkommunistischen China ansässigen Hauptklientel gestundet. Mögen wir die Nase rümpfen – als stilistisch prägnante Duftnote geht sie mehr als auf. Fehlproportioniert hinsichtlich Schönheitssinn: ja, hinsichtlich Geschäftssinn: nein.

Grafik: der Standard

Dann ist mit dem Facelift auch die neue Sprachbedienung in den 7er eingezogen. BMW ist in der Hinsicht kompromisslos. Wo und wann immer es in den vergangenen Jahren darum ging, technisch Richtungweisendes quasi von jetzt auf gleich über die gesamte Modellpalette auszubreiten, wurde dies gemacht. Beispiele: 8-Gang-Wandlerautomatik, Start-Stopp-Technologie und jetzt eben dieses "Hallo BMW!".

Da zeigen sich die Weißblauen als ausgefuchste Groscherlzähler: Kaufe ich beim Zulieferer zweieinhalb Millionen Mal ein System ein, kommt es deutlich billiger als zum Beispiel bei 250.000.

Zurücklehnen, Füße strecken, entspannen: Der Business-Sitz rechts hinten macht's möglich.
Foto: Andreas Stockinger

Zur Fahrzeugkategorie ist ganz nüchtern zu vermerken: Das hier ganz oben, im Umfeld S-Klasse, A8, Panamera, ist ganz klar deutsche Domäne. Darüber gäbe es an Luxuslimousinen nur noch welche von Bentley (VW-Konzern) und Rolls-Royce (BMW).

Mit dem M760Li haben wir das Topmodell vor uns, die Langversion zeigt, dass hier sowohl hinten Platz genommen werden soll als auch vorne. Hinten erleichtert ein optional erhältlicher Business-Sitz der vermögenden Klientel, sich von den Strapazen der Ausbeutung der Arbeiterklasse zu erholen, wie Marx oder Mao vielleicht formuliert hätten – oder, um es in Schillers unübertroffenen Worten zu sagen: Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist, man sieht nur Herren und Knechte.

Lenkradbutler

Wer diesen 7er als Chauffeurslimousine benutzt und gelegentlich seinen Lenkradbutler den serienmäßigen Parkassistenten benutzen sieht, sollte seine Personalwahl überdenken. Und, Stichwort teilautonomes Fahren: In den Grundeinstellungen mag besagter Butler gleich einmal die Spurhalter deaktivieren, soweit dies noch möglich ist. Denn sie greifen so rigide ins Volant, dass man rasch die "Freude am Fahren" verliert.

Jedenfalls, das Justieren des Spezialsitzes ist ein Zeitlupenereignis, zuletzt hat man eine Position erreicht, die der mittleren bei Flugzeug-Langstrecken-Business-Sitzen nahekommt. Flach liegen wie dort geht auch im 7er nicht, denn wie, bitte schön, sollte da der Gurt im Unfall-Fall seine kostbare Fracht noch halten?

An Komfort in heute höchstmöglicher Vollendung mangelt es dennoch nicht. Fahrwerk? Schweben. Wie auf Wolke sieben, könnte man hinzufügen. Nur gewankt wird nicht in den Kurven, da hält die Technik gegen. Und dann dieses Triebwerk. Verweilen wir einen Augenblick bei ihm, weil es, geht die Geschichte einen linearen Gang (wozu sie freilich selten neigt), sich um eine aussterbende Gattung handelt, wohl die letzten ihrer Art. Die Königsklasse im Motorenbau, der Zwölfzylinder.

Das sieht der Chauffeur beim Einsteigen.
Foto: Andreas Stockinger

Kleine Jungs kriegen große Augen (und überschlagen in Gedanken vielleicht: Nicht übel, mit 585 PS mehr als ein Drittel so stark wie ein Bugatti Chiron mit seinen 1500 PS; was die Jugend nicht alles weiß heute, gell, Tante Silvia?), große Jungs und Mädels sind kaum weniger fasziniert: Was es nicht alles gibt heutzutage, aber jetzt fahren wir erst einmal in den Aktivurlaub. Schöne Tage, Barbara, überanstreng dich nicht beim Schwimmtraining, Gerhard, und zwölf Zylinder? Stellst du im Urlaub in Form von zwölf Krügerln garantiert auch kultiviert weg.

6,6 Liter Hubraum hat der BMW-V12, ein seidenweiches Aggregat mit unübertrefflicher Laufkultur und überwältigenden Leistungsreserven. Testverbrauch? 15 Liter auf 100 km gradaus.

Komfortriese

Da ist das Faktum schon eingerechnet, dass es auch hier getreu dem Markenmotto "Freude am Fahren" einen Sportmodus gibt und man diesen mitunter abruft. Dabei werden einerseits Schalt-, Motor-, Fahrwerks- und Lenkparameter entsprechend justiert, andererseits ist sogar ein Kraftlacklsound inklusive Brabbelbrabbel hinterlegt – dieses bleibt aber dezent, wie bei fernem Gewittergrollen, und man wird es bei diesem Komfortriesen selten abrufen.

Brabbelbrabbelheck
Foto: Andreas Stockinger

Triebwerke dieser Art finden sich im Zeitalter von Downsizing und Elektrifizierung immer seltener, heute hauptsächlich noch bei Ferrari, Lamborghini, Aston Martin, Mercedes, Bentley, Rolls-Royce. Auf nennenswerte Stückzahlen kommen eh nur mehr Mercedes, BMW (dank Rolls-Royce) und der W12 aus dem VW-Konzern (dank Bentley).

Ach ja, weil eingangs von den Hauptmärkten USA und China die Rede war: Dort liebt man Länge. Big is beautiful, das hat man im Reich der Mitte direkt aus den USA importiert, ohne Zölle draufzuschlagen. Für die Entwickler bedeutete dies: Der 7er wurde erstmals als Langversion konzipiert (kommt der Proportionierung, der Ponderierung der Massen zugute) und die "Kurzversion" (immer noch 5,12 Meter lang) davon abgeleitet, wie bei S-Klasse und A8 auch. Bisher war es umgekehrt.

M760Li? Auch das passt für das Reich der Mitte. Die chinesische Silbe Li kann von Volk über Vernunft, Etikette bis hin zu Geschenk, Gewinn, Nutzen, Stärke gar mancherlei bedeuten, was in den Kontext des BMW-Flaggschiffs passen mag.

Und die schiere Masse von diesem Ding, 2295 kg? "Laster des Reichtums" hatte Professore Rudolfo Skarics vor Jahren bei ähnlichem Anlass getitelt. Dem ist nichts hinzuzufügen. (Andreas Stockinger, 6.10.2019)