Pamela Rendi-Wagner kann nicht genug kriegen. Eben hat sich die Kandidatin nach einer Hüftschwungeinlage zum auf und ab gespielten Wahlkampfsong keuchend in den Sessel fallen lassen, da springt sie auch schon wieder auf und streckt die Daumen in die Höhe. Der Applaus des Publikums lässt ihr keine Wahl.

DER STANDARD

Miese Umfragedaten? Keine Chance auf Platz eins? Bei ihrem offiziellen Wahlkampfabschluss am späten Freitagnachmittag tun die Sozialdemokraten so, als ob nichts wär. Gelöst, viel lockerer als vor Kameras, wirkt Rendi-Wagner in der Wiener Herrengasse, wo der finale Aufmarsch nach dem Schneeballsystem startet. Schnell noch ein paar Selfies mit Fans geschossen, ein Autogramm gekritzelt, ein Packerl Zuckerl entgegen genommen, dann setzt sich der Tross in Gang. In den Seitengassen lauern immer weitere Anhänger, die mit viel Gejohle dazustoßen. Konfettikanonen knallen, dazu Sprechchöre: "Pam, Pam, Pam."

Eine Inszenierung, gewiss – und dennoch wirkt der Stolz auf die eigene Leistung, den die Genossen an diesem Abend zeigen, gar nicht mal aufgesetzt. Anders als vor zwei Jahren hat kein Fiasko wie die Affäre Silberstein die Kampagne torpediert, die Querschüsse in der Partei sind verpufft, die Spitzenkandidatin ist in die Gänge gekommen. "Toll gekämpft" habe sie, die Pam, tönt es von der Bühne, Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda berichtet: Die nicht gerade freundliche Kronenzeitung habe festgestellt, dass die SPÖ im Wahlkampf "Vorschläge im Stakkato" gemacht hat.

Shaken beim Wahlkampffinale: Rendi-Wagner zeigte sich viel gelöster als vor Fernsehkameras
Foto: Matthias Cremer

Schon wieder das falsche Thema

Blöd nur, dass diese nicht unbedingt jene waren, die in den letzten Wochen elektrisiert haben. Vor zwei Jahren verhagelte das übermächtige Ausländerthema die Wahlchancen, nun ist es der Klimaschutz, der soziale Fragen aus den Debatten fegt – und ehemalige Grünwähler, die bei der letzten Wahl nur wegen des Kanzlerduells rot wählten, hat die SPÖ genug zu verlieren. Grünen-Chef Werner Kogler habe den Luxus, bei allen TV-Auftritten über sein Leibthema reden zu dürfen, stöhnt ein roter Wahlkämpfer: Wenn das für Rendi-Wagner auch gelte, sähen die Umfragen anders aus.

Noch wird gejubelt – doch die Wiederaufstehung der Grünen macht der SPÖ zu schaffen
Foto: Matthias Cremer

Dafür schwächelt der Gegner an der rechten Flanke. Prompt richtet Rendi-Wagner ein Angebot an "alle, die FPÖ gewählt haben". Eine Politik, "die Nöte ernst nimmt", bietet sie an, und ein Ende der türkis-blauen Koalition. Doch die Genossen ahnen selbst, dass diese Ansage zwei Haken hat. Erstens war die gescholtene Regierung bei FPÖ-Wählern beliebt, zweitens laufen die angesprochenen "Nöte" in diesem Fall vor allem auf Klagen über Ausländer hinaus – und da hat Sebastian Kurz das bessere Angebot.

Im Kontrast zur aufgekratzten Stimmung legen Funktionäre im Zelt die Latte denn auch niedrig: Ein zweiter Platz vor der FPÖ mit einem Ergebnis nicht allzu weit unter den 27 Prozent von 2017 gilt beinahe schon als zufriedenstellend.

Mutmachen im Festzelt: Geht doch mehr, als die Umfragen verheißen?
Foto: Matthias Cremer

Oder geht da doch mehr? Den Mutmacher spielt der 81-jährige Franz Vranitzky, einziger Altkanzler im Zelt. Er sei ja schon fast "eine Stimme aus dem Jenseits", sagt der Ex-Parteichef und erinnert mit Blick auf Rendi-Wagner an den Satz "Mit uns zieht die neue Zeit" aus einem alten Arbeiterlied: "Du bist die neue Zeit." (Gerald John, 27.9.2019)