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Solange der Nachwuchs klein ist, kann man ihn in Watte packen. Dann möge er ein mündiger Konsument werden, der sich zur Wehr setzen kann, das schwebt der EU vor.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Ein Baby, das von den Eltern im überhitzten Auto vergessen wird: Er sei schockiert gewesen, als er mit der Idee konfrontiert wurde, ein Alarmsystem auf den Markt zu bringen, um so etwas zu verhindern, sagt Michele Marsilli. Doch dann habe er recherchiert, so der Italiener. Gar nicht so wenige Fälle enden tödlich. Zuletzt geschehen im September, sagt der Vorstand des kleinen Unternehmens Remmy.

In Sizilien starb ein Zweijähriger. Der Vater, der den Bub auf dem Weg in die Arbeit in den Kindergarten hätte bringen sollen, hat ihn vergessen. Zu viel im Kopf, Blackout – und schon war es geschehen. Remmy hat vor Jahren ein kleines technisches Gerät konzipiert, das piepst, sobald der Motor abgestellt wird.

Produktsicherheitspreis

In Brüssel wurde Remmy nun von der EU-Kommission für seinen "Car Baby Alert" mit dem heuer erstmals ausgelobten Produktsicherheitspreis ausgezeichnet. Verliehen wurde eine Art Gütesiegel ohne finanzielle Zuwendung an acht Unternehmen, die "eine Extrameile gehen", sagte EU-Verbraucherschutz- und Justizkommissarin Vìra Jourová bei der Preisverleihung in Brüssel. Auch der österreichische Hersteller Mam konnte die Jury mit der Entwicklung maßgeblicher SicherheitsStandards bei Schnullern und Fläschchen überzeugen.

Preise zu vergeben ist die einfachere Sache. Sehr viel härtere Bretter hatte Jourová, die in der neuen EU-Kommission künftig die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Ländern überwachen soll, in anderen Belangen zu bohren, etwa bei der Umsetzung der nicht unumstrittenen Datenschutzgrundverordnung. Bereits Anfang 2018 wurden die Pläne zur Reform des EU-Verbraucherrechts (New Deal for Consumers) vorgestellt, die ein ganzes Bündel an Maßnahmen vorsehen: schärfere Sanktionen und höhere Strafen für Unternehmen die gegen Konsumentenschutz-Richtlinien verstoßen, Unterstützung der nationalen Behörden bei der Anwendung der Vorschriften. All das auch als Folge des VW-Dieselgates.

Mitgliedsstaaten bremsen

"Es darf nicht billig sein zu betrügen", sagte die tschechische Kommissarin da vollmundig mit Blick auf die hohen Strafen gegen den Konzern in den USA. Die salopp EU-Sammelklage genannte Möglichkeit der Verbandsklage steckt allerdings fest. Es sei immer noch Diskussionsthema im Rat, umschreibt Jourová vornehm den Umstand, dass viele Mitgliedsländer dabei bremsen, ihre bestehenden Systeme zu ändern, darunter auch Österreich.

Die Richtlinie, die vom EU-Parlament im März abgesegnet worden ist, soll geprellten Kunden in allen EU-Staaten das Recht geben, sich in Sammelklagen gegen Unternehmen zusammenzuschließen. Bis jetzt existieren diese Rechtsinstrumente nur in etwa einem Dutzend der derzeit noch 28 EU-Länder. Hierzulande müssen Interessenverbände wie der Verein für Konsumenteninformatoin (VKI) auf Hilfskonstruktionen zurückgreifen, um eine Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle zu behandeln, oder sich Musterfeststellungsklagen anschließen wie jener, die derzeit in Deutschland vor der Tür steht. Umständlich und langwierig, sagen Kritiker. Und geschädigte Konsumenten, die sich nicht selbst aktiv melden, gehen leer aus.

Sorge vor "Klagsindustrie"

Josef Moser, in dessen Funktionsperiode als Justizminister das Thema fiel, stützte eher die Argumente der Wirtschaft, die Sorge vor einer "Klagsindustrie", vergleichbar mit jener in den USA, hatte. Um das Thema ist es still geworden. Hinter den Kulissen, so hört man, herrscht weiter Uneinigkeit. Die finnische Regierung, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will das bis Jahresende ändern. (Regina Bruckner, 30.9.2019)