Die Grünen feiern das Wahlergebnis.

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Wien – Die ÖVP bejubelte am Sonntagabend den sich abzeichnenden Wahlerfolg. "Heute ist ein historischer Tag für die Volkspartei", sagte Generalsekretär Karl Nehammer vor jubelnden Fans in der Parteizentrale. Auf Koalitionsvarianten wollte er sich nicht festlegen. Er strich insbesondere den historischen Vorsprung auf die zweitplatzierte SPÖ heraus.

"Heute ist einmal der Tag von Sebastian Kurz und der Volkspartei, dann ist der Bundespräsident am Zug, und dann werden Gespräche stattfinden. Dann werden wir sehen, mit wem man am besten eine Regierung bilden kann", sagte Nehammer, von lauten "Kanzler Kurz"-Sprechchören übertönt.

SPÖ: Besseres Ergebnis erwartet

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda gratulierte ÖVP und Grünen zum Wahlerfolg. "Es gibt am heutigen Abend zwei klare Wahlsieger, die Grünen und die ÖVP, das ist neidlos anzuerkennen", sagte Drozda im ORF. Personelle Konsequenzen bei der SPÖ werde es nicht geben.

"Wir haben uns ein besseres Ergebnis erwartet", gestand Drozda ein. Ob die SPÖ in Regierungsverhandlungen eintreten will, sagte Drozda nicht. "Der heutige Abend ist der Wahlabend, und das ist kein Abend der Koalitions- oder Sondierungsgespräche." Drozda geht aber davon aus, dass ÖVP-Chef Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung erhält.

Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner und er hätten "die SPÖ vor zehn Monaten übernommen", berichtete Drozda von einer "schwierigen Zeit". Die zwei Wahlkämpfe, die in dieser Zeit geschlagen wurden, waren ihm zufolge "nicht überragend erfolgreich". Doch er gab sich weiter kämpferisch. "Wir werden den Weg weitergehen", sagte er. "Und der Weg wird die SPÖ wieder an die Spitze führen."

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Ludwig schließt personelle Konsequenzen aus

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schloss personelle Konsequenzen an der SPÖ-Spitze aus. In den Gremiensitzungen am Montag werde es "keinerlei personelle Diskussionen" geben, Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner habe im Wahlkampf "Außerordentliches geleistet".

"Ich hätte mir natürlich ein deutlich besseres Ergebnis für die SPÖ gewünscht", sagte Ludwig. "Für uns ist das kein gutes Ergebnis, auch wenn wir in Wien deutlich auf dem ersten Platz liegen. Aber es ist sicher nicht an der Spitzenkandidatin gelegen." Auch er hoffe durch die Briefwahl bis Donnerstag noch auf Veränderungen.

Nun gelte es, das Ergebnis zu analysieren. "Wir werden das Wahlergebnis nutzen, um inhaltliche Konsequenzen zu ziehen." Das historisch schlechteste Abschneiden liege allerdings nicht nur an der eigenen Partei, sondern auch am Erstarken anderer Parteien – der "zwei klaren Sieger" ÖVP und Grüne. "Es ist sicher gut, dass die Grünen wieder im Parlament sind." Die FPÖ habe der ÖVP "durch selbstverschuldete Skandale die Möglichkeit geboten, enttäuschte Wähler abzuziehen".

FPÖ: Vilimsky will Neustart

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky will angesichts der Hochrechnungen einen Neustart seiner Partei. Man müsse "neue Gesichter in verantwortungsvolle Rollen holen". Zudem müsse man nun eine "Wählerrückholaktion" starten, die sicher nicht wieder zehn Jahre dauern werde. Bei der kommenden Koalition sei ÖVP-Chef Kurz am Zug.

"Es enttäuscht mich auf der einen Seite", kommentierte Vilimsky die blauen Verluste. Allerdings zeige es auch, dass die "rot-weiß-rote Wählerburg uneinnehmbar" sei. Parteichef Norbert Hofer und der geschäftsführende Klubobmann Herbert Kickl hätten sich als Doppelspitze "hervorragend bewährt".

Das voraussichtliche Wahlergebnis zeige aber auch, "dass wir einen Neustart machen müssen". Diesen sieht er in der Opposition. "Aus meiner Sicht ist das kein klarer Auftrag, die Koalition fortzusetzen", sagte Vilimsky im ORF. Dafür habe der Wähler die FPÖ zu wenig gestärkt. Auch der langjährige FPÖ-Politiker Andreas Mölzer empfahl der Partei den Gang in die Opposition.

Grüne: "Fassungslos"

"Es ist ein historischer Abend für die österreichischen Grünen", kommentierte Wahlkampfleiter Thimo Fiesel. "Das ist das größte politische Comeback der Zweiten Republik." Man werde nun ausgiebig feiern, alles Weitere werde sich in den kommenden Wochen erst zeigen. Bezüglich Koalition gab sich Fiesel zurückhaltend. In erster Linie sei nun die ÖVP am Zug. An den inhaltlichen Differenzen mit den Grünen habe sich da nichts geändert.

Für Sigrid Maurer, die nun wieder in den Nationalrat einziehen wird, müsste es für eine türkis-grüne Koalition inhaltlich eine "komplette Wende" geben. Derzeit gebe es zwischen den beiden Parteien in vielen Bereichen jedenfalls "keine Schnittmenge". "Wir werden vor Gesprächen aber nicht davonrennen – wir werden sie suchen", betonte Maurer. Die Chance für eine türkis-grüne Koalition wollte sie nicht bewerten. Für die Grünen sei es jetzt vorrangig, sich wieder im Nationalrat einzuarbeiten und Ressourcen aufzubauen. Das Ergebnis sei jedenfalls "ein Wahnsinn", es handle sich um eine "Sensationswahl".

Die grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener zeigte sich "fassungslos" über das "historische Ergebnis". "Ich bin von den Socken, damit hat kaum jemand gerechnet." Das Ergebnis zeige, wie wichtig die Themen der Grünen seien.

Neos: Stimmenwachstum "sehr erfreulich"

Neos-Generalsekretär Nick Donig sieht für seine Partei "ein erfreuliches Ergebnis". Das Ziel sei gewesen, in Richtung acht Prozent zu kommen, diesen Pfad hätten die Neos eingeschlagen.

Im Vergleich zur Wahl vor zwei Jahren hätten die Neos fast 50 Prozent an Stimmen zugelegt. Dieses Wachstum ist für Donig "sehr erfreulich". Der Quereinsteiger und Ex-"Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter erwartet, dass Kurz mit den Grünen regieren wird. "Mit der SPÖ will er nicht", und die "zerfallende FPÖ" sei für den ÖVP-Chef ein zu großes Risiko.

Die Wiener Neos zeigten sich zufrieden. Klubchef Christoph Wiederkehr sagte: "Wir freuen uns sehr, dass wir bundesweit das beste Ergebnis erreichen werden, das je eine liberale Partei bei Nationalratswahlen geschafft hat." Das Resultat macht ihm offensichtlich auch Hoffnung für den Wiener Urnengang im kommenden Jahr: "In Wien haben wir sehr viel Zuspruch erhalten in diesem intensiven Wahlkampf und das Ergebnis gibt uns große Zuversicht auch für die kommenden Landtagswahlen."

Liste Jetzt: Viele Hoppalas

Jetzt-Parteichefin Maria Stern hat den Nichteinzug ihrer Partei in den Nationalrat "bedauert". Neben "vielen Hoppalas" ihrer eigenen Gruppierung machte sie dafür auch die Berichterstattung der Medien verantwortlich, die bis zuletzt ihre Partei bei zwei Prozent berichtet hätten, obwohl sie in Rohdaten schon bei 3,4 Prozent gelegen sei. Für Österreich wünscht sich Stern jetzt eine "Mitte-links-Regierung".

"Krone" zu FPÖ: "Sorry"

Die im Ibiza-Video prominent vorkommende Kronen Zeitung kommentierte via Twitter das Wahlergebnis der Freiheitlichen mit einem Wort: "Sorry."

Verwiesen wurde auf eine Aussage des Ex-FPÖ-Chefs in der Finca auf Ibiza: "Wenn dieses Medium auf einmal uns pusht, dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34 Prozent." (APA, red, 29.9.2019)