Kettenverträge könnten bald auch an den Unis verboten sein.

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Kettenarbeitsverträge sind im österreichischen Arbeitsrecht untersagt – mit wenigen Ausnahmen. So erlaubte der Gesetzgeber im Universitätsgesetz 2002 den Hochschulen, befristete Arbeitsverträge über viele Jahre aneinanderzureihen.

Mit der Durchführung von Forschungsprojekten hänge nämlich ein naturgemäß zeitlich begrenzter und somit vorübergehend erhöhter Bedarf an Arbeitskräften zusammen, den man mit solchen Verträgen decken wolle, so die Begründung.

Doch dieses System steht nun auf dem Prüfstand und könnte vom Europäischen Gerichtshof am kommenden Donnerstag für unzulässig erklärt werden. Ausgegangen ist dieses Verfahren von der Klage einer wiederholt an einer Wiener Universität befristet beschäftigten Chemikerin, die nach zwölf Jahren gehen musste, weil ihr Vertrag ausgelaufen war.

In ihrer von der Arbeiterkammer unterstützten Klage wurde behauptet, dass § 109 Abs. 2 UG, der die Kettenverträge ermöglicht, mittelbar Frauen diskriminiere. Nach dieser Bestimmung dürfen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren befristet beschäftigt werden, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hingegen bis zu zwölf Jahre.

Teilzeitbeschäftigte würden hierdurch benachteiligt, und da statistisch gesehen vermehrt Frauen in Teilzeitbeschäftigung tätig seien, stelle dies eine mittelbare Diskriminierung dar.

Diskriminierung von Frauen

Die Frau begehrte die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Das zuständige Arbeits- und Sozialgericht legte die Frage, ob die Bestimmung den unionsrechtlichen Vorgaben zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt tatsächlich widerspricht, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

In seinen Schlussanträgen im vergangenen Sommer kam der Generalanwalt zum Schluss, dass die Bestimmung grundsätzlich zur Benachteiligung von Frauen geeignet sei. Allerdings müsse das Arbeits- und Sozialgericht beurteilen, ob statistisch tatsächlich überwiegend Frauen betroffen sind und der Ungleichbehandlung nicht doch eine sachliche Rechtfertigung zugrunde liegt; dann wäre die Diskriminierung wieder zulässig.

Allerdings ging der Generalanwalt noch weiter und forderte, dass die Rechtmäßigkeit des gesamten österreichischen Kettenarbeitsvertragssystems an den Hochschulen amtswegig überprüft wird. Er folgte damit der Argumentation der EU-Kommission, die im März das System als unionsrechtswidrig bezeichnet hatte.

Schon seit Ende der 1990er-Jahre wird unionsrechtlich vorgegeben, eine missbräuchliche Verwendung von Kettenarbeitsverträgen zu verhindern. Solche Verträge müssen demnach entweder sachlich gerechtfertigt sein oder durch Festlegung einer Höchstzahl der Befristungen bzw. einer Maximaldauer beschränkt werden. Dieser Grundgedanke entspricht auch einer langjährigen österreichischen Judikatur und der herrschenden Lehre.

Nicht nur für ein Projekt

Die Ausnahme im Universitätsgesetz wurde mit den Notwendigkeiten bei zeitlich befristeten Forschungsprojekten begründet. Dieses Ziel würde den EU-rechtlichen Vorgaben ja entsprechen. Aber § 109 Abs. 2 UG verlangt gerade eben nicht, dass ein Arbeitnehmer nur bei einem bestimmten Projekt eingesetzt werden darf.

Es steht den Universitäten somit grundsätzlich frei, ein und denselben Arbeitnehmer fortlaufend im Rahmen mehrerer Projekte zu beschäftigen – und dies bis zu zwölf Jahre. Und die Praxis an den Hochschulen zeigt, dass von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht wird.

Nach Ansicht des Generalanwaltes beugt diese Bestimmung daher dem Missbrauch von Kettenarbeitsverträgen nicht vor. Im Gegenteil, es wird hierdurch nicht bloß ein zeitweiliger, sondern ein ständiger und dauerhafter Bedarf der Universitäten in einem der Schlüsselbereiche ihrer Tätigkeit – der Forschung – gedeckt. Die vom Gesetzgeber ins Treffen geführten Ziele würden in Wirklichkeit gar nicht verfolgt.

Sollte sich der EuGH der Meinung des Generalanwalts – wie so oft – in diesem Fall anschließen, hätte dies weitreichende Auswirkungen nicht nur für den Gesetzgeber, sondern vor allem auch für die Hochschulen. Ohne Kettenverträge könne der Betrieb mit bestehenden Mitteln gar nicht aufrechterhalten werden, ist dort oft zu hören.

Die Entscheidung würde nicht nur künftige Arbeitsverträge betreffen, sondern auch die bestehenden Dienstverhältnisse. Tausende Hochschulmitarbeiter mit befristeten Verträgen könnten – wie auch die Chemikerin im Ausgangsfall – die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses einfordern.

Und die Lehrbeauftragten?

Die Causa vor dem EuGH betrifft nur Forschungspersonal. Befristete Arbeitsverträge dürfen an Österreichs Hochschulen jedoch auch mit Lehrbeauftragten und Ersatzkräften geschlossen werden. Die zu erwartende Entscheidung gäbe dem Gesetzgeber Anlass, auch bei dieser Gruppe die Kettenbeschäftigung zu überprüfen.

Ob eine umfassende Novellierung erfolgt oder man es bei einer punktuellen Änderung belässt, bleibt offen. Gewissheit besteht jedenfalls über die prekäre Situation der Forscher und Lehrer an unseren Hochschulen. (Dany Boyadjiyska, 30.9.2019)