Die Digitalisierung lokaler Prozesse war gestern. Künftig führt man Daten aus unterschiedlichen Unternehmen und Branchen zusammen.

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Neue Technologien schaffen neue Märkte und können ganze Wirtschaftssysteme auf völlig neue Beine stellen. Man denke an das beginnende 20. Jahrhundert, als ein noch junger Ölboom auf den Energiedurst der neu entwickelten Fahrzeugindustrie traf. Heute ist man wieder in einer Pionierphase, die die Wirtschaft nachhaltig verändern wird. Daten gelten als das "Öl der Zukunft". Wieder muss die Gesellschaft zu neuen Regeln finden, um mit der Ressource umgehen zu lernen – am besten in einer sozial gerechten und transparenten Weise.

In verschiedenen Wirtschaftsräumen geht man allerdings recht unterschiedlich mit dem neuen Rohstoff um. Zwischen den USA, wo sich die Datenmacht in Tech-Konzernen akkumuliert, und China mit seiner strikten staatlichen Überwachung steht Europa. Hier stellt man vergleichsweise stark gesellschaftliche Werte in den Vordergrund. Man will den Datenmarkt, man will ihn aber auch gut reglementiert haben.

Vor diesem Hintergrund wurde kürzlich der Data Market Austria (DMA) präsentiert – das Ergebnis eines dreijährigen Projekts, das von der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft geführt und vom Verkehrsministerium gefördert wurde. Es wurden prototypische Technologien vorgestellt, die den Datenhandel auf einer nationalen Plattform automatisiert, sicher und allen Regulativen entsprechend abwickeln können. Bei einer Umsetzung für die wirtschaftliche Praxis müssen aber neben den technischen Herausforderungen auch die Unsicherheiten, die in Bezug auf die Datenökonomie bestehen, adressiert werden.

Innerhalb der EU auf dem letzten Platz

"Wir sehen, dass die Digitalisierung stärker in ihren Negativaspekten erlebt wird. Man hat das Gefühl, dass man nicht damit umgehen kann, sondern dass mit einem umgegangen wird", sagt Peter Bruck, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Gesamtleiter der Research Studios Austria. Das betrifft auch das heimische Wirtschaftsleben: "Österreichs Unternehmen sind bei der Digitalisierung ihrer innerbetrieblichen Prozesse sehr weit fortgeschritten. Doch bei einer weiteren Verwendung von Big Data zum Lukrieren eines Wettbewerbsvorteils ist das Land innerhalb der EU auf dem letzten Platz", sagt Bruck.

In diesem Kontext soll das Konzept der Datensouveränität helfen, Vorbehalte auszuräumen. Anders als bei den Datensammlern aus dem Silicon Valley soll in Europa die Autorität über eigene Daten im Fokus stehen. "Datensouveränität im Datenhandel meint, dass ich die Kontrolle über die Daten in meinem Eigentum nicht aufgebe", sagt Bruck. Dieses Prinzip sei nicht nur ein theoretischer Grundsatz, sondern werde in die Systemarchitekturen eingeschrieben. So auch in den Data Market Austria: Die Daten verbleiben immer auf den Servern des Eigentümers, der auch die Kontrolle darüber behält, welche Auswertungsmöglichkeiten freigegeben werden. Smart Contracts sorgen per Programmcode für vertragliche Absicherung und Dokumentation. Blockchain-Architektur organisiert die Plattform als verteiltes System, das von keiner zentralen Autorität beeinflusst werden kann.

Pilotanwendung

Auf diese Art sollen, wie Pilotanwendungen des DMA illustrieren, etwa Erdbeobachtungs-, Klima-, Sensor- und Wirtschaftsdaten zusammenfließen, um mithilfe von Artificial Intelligence die Waldzusammensetzung zu prognostizieren. Bis derartige Nutzungen zur selbstverständlichen Praxis werden, ist noch einiges zu tun. Verschiedene Aspekte der DMA-Initiative werden in weiteren Projekten weitergeführt. Systeme, die die Anonymisierung kontrollieren und spezielle Verschlüsselungen bereitstellen, werden etwa im EU-Projekt Safe-DEED entwickelt. Auch die europaweite Vernetzung der jeweiligen Datenmärkte ist ein großes Thema, um das sich das 2020 anlaufende EU-Projekt Trusts kümmern wird. Und natürlich soll Vertrauen in die neue Form der Datennutzung hergestellt werden. Die Data Intelligence Offensive soll hier aufklären und für Vernetzung von ersten Nutzern sorgen. (Alois Pumhösel, 29.9.2019)