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Schließt die frischgebackene Mutter ihr Kind nach der Geburt in die Arme, wird ihr ganzer Körper von Endorphinen geflutet, und die Schmerzen sind kurzzeitig vergessen.

Foto: Getty Images/NataliaDeriabina

In diesem Sommer kursierte im Netz das Foto einer Frau, die während der Geburt zwei Kämme in den Händen hält. Darunter der Titel "Wusstest du, dass man während der Wehen einen Kamm verwenden kann? Und nein, es ist nichts für deine Haare." Geteilt wurde das Foto von einer amerikanischen Agentur für Geburts- und Babyfotografie, Fox Vallex Birth and Baby. Es handle sich dabei um eine alte Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin, um Geburtsschmerzen zu lindern. Der Facebook-Beitrag wurde bisher über 21.000-mal geteilt, diverse deutsche Medien wie der "Stern" oder "Brigitte" berichteten darüber.

Ist die Kamm-Methode wirkungsvoll?

Um leichte Schmerzen während der Geburt zu lindern, gibt es für Gebärende die Möglichkeit, Schmerzmittel in Form von Zäpfchen, Injektionen oder Lachgas zu erhalten. Sind die Schmerzen stärker, ist die Epiduralanästhesie (PDA) eine bekannte Maßnahme. Von Hebammen und Geburtshelfern werden aber auch natürliche Methoden wie Akupunktur oder Atemtechniken zur Schmerzlinderung angeboten. Wie ein Kamm gegen Schmerzen bei der Geburt helfen soll, erklärt Hebamme Eva Schranz: "Es handelt sich dabei um ein altes Hausmittel. Der Reiz, der über die Hand ins Gehirn geleitet wird, sorgt dafür, dass die Wehen nicht mehr so intensiv wahrgenommen werden."

Lis Kundegraber ist Shiatsu-Praktikerin und kann das aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin nur teilweise bestätigen: "Akupressur während der Geburt kann grundsätzlich schmerzlindernd und erleichternd wirken, allerdings nicht über den Druck auf der ganzen Handinnenfläche." Kundegraber warnt sogar vor der Kamm-Methode, denn so könnten mehrere Meridiane blockiert werden, die bei der Geburt für den Energiefluss nützlich sind. Dass Frauen von einer Erleichterung berichten, kann lediglich mit dem Aspekt der Ablenkung vom Geburtsschmerz zu tun haben, aber nicht mit Akupressur.

Welche Maßnahmen zur natürlichen Schmerzlinderung sind sinnvoll?

"Sinnvoll ist immer das, was hilft", betont Kundegraber. "Jede Frau hat individuelle Bedürfnisse, weshalb es auch eine aufmerksame Herangehensweise braucht." Die Shiatsu-Praktikerin möchte die Methode mit dem Kamm nicht verteufeln, denn auch ein Placebo-Effekt kann helfen. Dennoch möchte sie schwangere Frauen darauf hinweisen, stets achtsam mit sich umzugehen: "Vor allem während der Geburt ist es wichtig, ganz genau hinzuhören, was Ihnen guttut und was nicht."

Im Kreißsaal ist Eva Schranz zwar bisher noch nie eine Frau mit Kamm in der Hand begegnet, aber über das gleiche Prinzip wirken auch Massagen und Druck am unteren Rücken: "Manche Frauen finden das sehr hilfreich, andere nutzen lieber ein heißes Kirschkernsäckchen am Unterbauch oder in der Kreuzbeingegend." Hier lässt sich außerdem der Partner sehr gut in den Geburtsprozess einbeziehen. Außerdem sollte die Gebärende immer in Bewegung sein und die Position einnehmen, die ihr guttut. Die Liste der schmerzlindernden Alternativen ist lang. Die beiden Expertinnen raten deswegen allen Gebärenden und auch ihren Begleitern dazu, auf das eigene "Bauchgefühl" zu hören, um herauszufinden, was guttut und was nicht. (Nadja Kupsa, 4.10.2019)