Gianmaria Gava fragt mit "Hirohito's new Clothes" (2019) nach der Verantwortung des japanischen Kaisers (erste Reihe, Mitte) in den Kriegen gegen China und während des Zweiten Weltkriegs als Vertragspartner von Deutschland und Italien.

Foto: Gianmaria Gava

Amaterasu gilt als wichtigste Gottheit des Shinto. Ryts Monet verquickt sie mit einer 2011 vom Tsunami zerstörten Kopie der Freiheitsstatue: ein leeres Gehäuse als kritisches Statement.

Foto: Ryts Monet alias Enricomaria De Napoli

Der österreichische Künster Edgar Honetschläger hat mehr als ein Jahrzehnt in Japan gelebt und zeigt – als einziger heimischer Künstler in der Ausstellung – eine Fotografie einer Betonfabrik in einem Wald nahe Tokio. Damit fragt er sich nach dem westlichen Einfluss auf das Land,

Foto: Edgar Honetschläger

Sachiko Kazama verschmilzt die traditionelle Technik des Holzschnitts mit zeitgenössischer Ästhetik und kritischen Themen wie Golfplätzen, die für die Oberschicht angelegt wurden.

Foto: Kei Miyajima

Das Tokioter Künstlerkollektiv Chim Pom macht mit gelb eingefärbten Ratten auf die Menschen aufmerksam, die in nach dem Reaktorunfall von Fukushima verstrahlten Gebieten leben müssen.

Foto: Kei Miyajima

In Japan ist die Technologie so weit entwickelt, da gibt es sogar Menstruationsmaschinen. Nicht für den Massenmarkt, aber zumindest die Künstlerin Sputniko! hat sich eine solche gebaut und umgeschnallt: ein spacig aussehender silberner Gürtel, der die monatliche Regel mit Blut aus einem Tank am Rücken und mit Elektroden simuliert, die Schmerzen im Bauch verursachen. Könnten Technologien unser Verständnis füreinander verbessern? Japan ist eine Nation der Hochtechnologie, die oft nur Kompensation ist.

Österreich und Japan feiern heuer 150 Jahre diplomatische Beziehungen. Deshalb richtet das Q21 im Wiener Museumsquartier eine Schau zum Nippon aus. Ein Drehpunkt ist das Begriffspaar "honne" und "tatemae" für persönliche Gefühle versus gesellschaftskonformes Verhalten. Tabus sind körperlicher und sexueller Natur aber auch emotionaler. Japan unlimited ist so aufschlussreich, weil es kritisch Einblick gibt. Die Galerie eines Künstlers bat bei einem Werk gar, im Erklärtext nicht zu kritisch zu werden.

Politisierung seit Fukushima

Zu sehen ist etwa Makoto Aidas skandalöses Video der Rede eines fiktiven japanischen Premiers, der die nationalistischen Tendenzen seiner Regierung offenlegt. Anderswo geht es um Todesstrafe und staatlich forcierte Heteronormativität. Auf Tod durch Überarbeitung spielt Jake Knights Video an, in dem ein Angestellter vor Erschöpfung im Büro zusammenbricht. Als er sich eine Kamera umhängt, entdeckt er erst die Monotonie seines Alltags: kaum menschlicher Kontakt, Neonlicht.

Makoto Aida inszenierte die Rede eines fiktiven japanischen Premiers, der nationalistische Tendenzen seiner Regierung offenlegt.
Foto: Makoto Aida

Kurator Marcello Farabegoli beschäftigt sich schon lange mit zeitgenössischer und kritischer japanischer Kunst. Starke Traditionen und soziale Kontrolle machen es kritischen Positionen nicht leicht. Nachdem in den letzten Jahrzehnten Mangas als wichtigster Kulturexport eine Infantilsierung der Kunst vorantrieben, bemerkt Farabegoli seit dem Reaktorunfall von Fukushima eine Politisierung japanischer Künstler – auch wenn Zensur und Selbstzensur Kritik oft zwischen die Zeilen drängen.

Leere Gesten

Dafür hat er einige sehr explizite Werke international wahrgenommener japanischer Künstler versammelt. Miese Informationspolitik und solches Krisenmanagement bei Fukushima beschäftigt Arbeiten wie einen Trickfilm, der leere Entschuldigungsgesten der Manager des AKW-Betreibers zeigt, die wie den Gesetzen enthoben niederschweben und nach drei Verbeugungen wieder jeder Verantwortung entschwinden.

Künster Edgar Honetschläger, der lange in Japan gelebt hat und sich mit dem Foto einer Betonfabrik in einem Wald nahe Tokio über den westlichen Einfluss Gedanken macht, meint, hierzulande würde Japan wegen seiner Ästhetik und des Essens verherrlicht und darüber verharmlost. (Michael Wurmitzer, 30.9.2019)