Ein lautes Grunzen hallt aus dem Gehege der Panzernashörner im Tiergarten Schönbrunn in Wien. Sundari hat schon die Stimmen ihres Arztes und der Pfleger aus dem Vorraum vernommen und macht auf sich aufmerksam. Sie steht bei den Pfosten und wartet. Für das Tier steht medizinisches Training auf dem Programm. Zu Beginn bekommt Sundari ein paar Stückchen Rote Rüben gefüttert. Ihr Pfleger tippt ihr auf die Oberlippe und ruft "Maul". Sundari präsentiert Tierarzt Thomas Voracek die Zähne. Alles gut. Als Belohnung gibt es Banane.

Maul auf und Zähne zeigen: Das üben die Panzernashörner seit Jahren.
Foto: Christian Fischer

Mehrmals pro Woche wird mit den Nashörnern geübt, wie man sich beim Tierarzt richtig verhält. Seit 2006 ist Sundari im Training, ebenso ihr Nachbar Jange. Die beiden Nashörner kamen damals als Geschenk aus Nepal nach Wien. Davor waren sie Problemtiere. Als Babys gefunden, wurden sie per Hand von Menschen aufgezogen und haben sich so sehr daran gewöhnt, dass Auswilderungsversuche scheiterten. Sie verfolgten Touristen und besorgten sich Futter aus Restaurantküchen.

Jange ist auf dem rechten Auge blind. "Vermutlich ein Tigerangriff", so die Vermutung im Zoo. Mittlerweile sieht das 1500 Kilo schwere Nashorn kaum noch etwas. "Im Gehege darf nicht viel verändert werden, so findet er sich zurecht", sagt sein Pfleger. Bei Jange werden die Augen kontrolliert. Auf Licht reagiert er nicht.

Jange bei der Augenkontrolle. Viel sieht das Nashorn nicht mehr, aber sonst sind die Augen in Ordnung.
Foto: Christian Fischer

Eveline Dungl ist für die Trainingspläne verantwortlich. Gelernt wird mit Belohnungen, Strafen gibt es nicht. "Wir wollen positives Verhalten verstärken. Wenn ein Tier kooperiert, bekommt es etwas, tut es das nicht, ignorieren wir das Verhalten", sagt Dungl. Lernfähig sei jedes Tier, man müsse nur wissen, wie man es motivieren und was man verlangen kann. "Bei den Giraffen braucht man am meisten Geduld. Da gibt es immer wieder einen gewissen Stillstand in der Lernkurve, während der sie alles verarbeiten."

Die Giraffen sind nicht die Musterschüler im Zoo.

Dungl schiebt einen schwarzen Würfel durch die Pfosten in Sundaris Gehege. Ein kurzer Zuruf, und sie legt ihr Bein auf den Klotz und zeigt den Fuß. "Nashörner haben sehr empfindliche Sohlen", sagt Voracek und kontrolliert, ob eine Salbe gebraucht wird.

Nashorn Sundari muss das richtige Verhalten beim Tierarzt üben, zwischendurch stehen aber auch Spielchen auf dem Programm. Zur Belohnung gibt's Bananen, Äpfel und Rüben.
Foto: Christian Fischer

Seit 20 Jahren ist Voracek für die Tiere im Zoo zuständig. Seine Praxis befindet sich neben dem Zoo, dort versorgt er Katzen, Hunde und andere Kleintiere. Die Tiergartenbewohner bekommen Hausbesuche. Die Ausrüstung, bis auf das CT, sei mobil. Trainings würden dabei helfen, dass Untersuchungen für alle Beteiligten "so stressfrei wie möglich" ablaufen, sagt Voracek. Bei den Nashörnern könne nach jahrelangem Üben problemlos Blut an den Ohren abgenommen werden, ohne Narkose, sagt Dungl. Gleiches gilt für die Elefanten.

Bei der Geburt des Elefantenbabys war Tierarzt Thomas Voracek dabei. 22 Monate dauerte die Trächtigkeit von Elefantenmama Numbi.
Foto: Christian Fischer

Und dort war dies zuletzt wichtig. In der letzten Phase der 22-monatigen Trächtigkeit von Elefantenkuh Numbi wurde ihr zwei Mal täglich Blut abgenommen, um die Schwangerschaftshormone zu messen, sagt Voracek. Als der Hormonwert im Blut abfiel, wussten die Pfleger, dass das Baby in 24 bis 48 Stunden kommt. Vor der Geburt Kibalis wurde ein Lager aufgebaut, um die intensivmedizinische Versorgung sicherzustellen.

Ins Gehege geht Tierarzt Thomas Voracek nicht. Das wäre auch bei den Elefanten zu gefährlich.
Foto: Christian Fischer

"Bei der Größe braucht man mehrere Hundert Liter an Infusionsflüssigkeit", sagt Voracek. Sicher ist sicher. Denn ein Kaiserschnitt ist bei Elefanten nicht möglich – keine Naht wäre stark genug, um die Wunde zu schließen.

Alltag mit Wehwehchen

Sein Alltag sei aber viel "trockener" und voll mit Routinearbeiten, auch wenn er schon das eine oder andere Raubtier operiert hat oder mit den Pandas um die halbe Welt geflogen ist. Die Tiere im Zoo seien allesamt bis auf ein paar "Wehwehchen" gesund. Geimpft sind einzig die "Haustiere": Pferde, Katzen, Rinder. Bei Wildtieren hängt die Gesundheit von Haltungsbedingungen ab: vom passenden Futter über die Gehegegestaltung bis zur Hygiene und Luftfeuchtigkeit sei jedes Detail wichtig. Das und der Mangel an natürlichen Feinden führt allerdings dazu, dass sie länger als in freier Wildbahn leben. "Wenn ein Tier seine Zähne verliert, stirbt es für gewöhnlich. Hier passen wir das Futter an" , sagt Voracek.

Ein paar "Haustiere" hat der Zoo auch. Diese werden auch geimpft. Etwa die Noriker-Stute. Beim Besuch von Tierarzt Thomas Voracek hat sie aber ein anderes Problemchen: Ein Ausschlag, von der Hitze und den Mücken, die sie geärgert haben.
Foto: Christian Fischer

Freunde hat der Tierarzt im Zoo nicht übermäßig viele. "Der Wasserbüffel sucht das Weite, wenn ich komme", sagt Voracek. Er habe ihm die Ohren wegen einer chronischen Entzündung spülen müssen, das habe der Büffel gar nicht gemocht. Das Gibbon-Männchen stoße hingegen Schreie aus, um alle im Gehege von der Ankunft des Tierarztes zu warnen. Die Abneigung sei in Ordnung, sagt Voracek: "Auch die wenigsten Menschen haben positive Assoziationen mit ihrem Zahnarzt."

Und dann gibt es ja auch die Tiere, die sich freuen, wenn Voracek kommt. Der Orang-Utan zum Beispiel. Er zeige Interesse an Kontakt und Kommunikation mit ihm. Lieber mag Affe Vladimir aber eine andere Ärztin im Team, sagt Voracek: "Wenn Hanna kommt, dann himmelt er sie die ganze Zeit nur noch an." (Oona Kroisleitner, 1.10.2019)