Eigentlich hätte es nach der Publikation des Ibiza-Videos nur eine Konsequenz für Heinz-Christian Strache geben dürfen: den sofortigen Parteiausschluss. Keine demokratische Partei kann jemanden behalten, der in Videoaufnahmen stundenlang seine Korruptionsfantasien ausbreitet und vom Umbau des Mediensystems oder heimlichen Parteispenden im Gegenzug für Investitionen schwadroniert. Das hat die FPÖ aber nicht gemacht, wohl wegen einer Mischung aus Angst, Schock und Loyalität – und womöglich auch Toleranz von Korruptionsneigungen.

FPÖ-Obmann Norbert Hofer und Herbert Kickl bei der FPÖ Wahlfeier.
Foto: APA/HANS PUNZ

Das erste Wahlergebnis nach dem Ibiza-Video gab der zaudernden Parteispitze durchaus recht: Bei der EU-Wahl erlitt die FPÖ nur leichte Verluste, Strache schaffte hingegen 40.000 Vorzugsstimmen dank Unterstützung rechtsextremer Kreise. Hofer dachte, mit einem Mandat für Ehefrau Philippa seinen Vorgänger besänftigen und somit auch die Strache-Fans bei der Stange halten zu können.

Doch ihm hätte klar sein müssen, dass das nicht funktionieren wird. Ibiza war kein "Einzelfall" im System Strache, Strache ist kein Einzelfall im System der FPÖ. Der einst in Neonazi-Kreisen unterwegs gewesene Ex-Parteichef hat die FPÖ in den 14 Jahren seiner Obmannschaft enorm geprägt, auf sich zugeschnitten und zu einem Selbstbedienungsladen gemacht. Dasselbe passierte großteils auch mit den blauen Ministerien: In Herbert Kickls Innenministerium gab es Gehalts- und Postenschacherexzesse, in Norbert Hofers Verkehrsministerium fragwürdige Vergaben an Parteifreunde. Und so weiter und so fort.

Hofer und Kickl können nicht so tun, als wären sie selbst die "frischen Gesichter", die die FPÖ braucht. Die Partei muss von Grund auf reformiert werden und sich hinterfragen. Gibt es die enge Kameradschaft unter Burschenschaftern, weil das zu ihrem Ethos gehört – oder hat in der FPÖ jeder gegen jeden etwas in der Hand? Strache zögerte jedenfalls nicht, Material gegen seinen Nachfolger an die Medien weiterzugeben, als er bei ihm Illoyalität vermutete. So viel zu Hofers Strategie, Strache noch kurz vor der Wahl abzubusseln und dessen Ehefrau Philippa ein Mandat zu verschaffen – an sich schon ein Vorgang, der den Geisteszustand in der FPÖ präzise beschreibt.

Die Freiheitlichen müssen verstehen, dass sie wieder einmal vor allem für Korruption stehen und meilenweit von der Regierungsfähigkeit entfernt sind. Genug Zeit also, einen echten Neustart zu wagen. (Fabian Schmid, 30.9.2019)

Es war der harte Kern, die "FPÖ-Familie", die in der Prateralm trotz hoher Verluste gefeiert hat. Viele sehen den Grund des Scheiterns im Timing der Skandalveröffentlichungen. Eine STANDARD-Videoreportage.
DER STANDARD