Wildberries will Platzhirschen wie Amazon, Otto oder Zalando Konkurrenz in Europa machen.

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Moskau – Der russische Onlinehändler Wildberries expandiert nach Europa. Das Unternehmen plane, ein großes Logistikzentrum in der Slowakei zu errichten, teilte Russlands Industrieminister Denis Manturow mit. Laut Manturow investiert das Unternehmen in den Bau rund 200 Millionen Euro.

Wildberries-Gründerin Tatjana Bakaltschuk bestätigte die Pläne. Ihren Angaben nach war ursprünglich ein Start rein in Osteuropa geplant – russischen Medienberichten nach wollte Wildberries nach Polen – weil die Mentalität der Menschen dort der russischen näher sei, doch dann habe es das Angebot der slowakischen Handelskammer gegeben, so die Unternehmerin.

Verkäufe sollen heuer losstarten

Auch wenn der Bau des Logistikzentrums eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt, sollen die ersten Verkäufe schon heuer beginnen. Bakaltschuk rechnet in den kommenden fünf Jahren mit einem Umsatz von knapp drei Milliarden Euro, die allein über das slowakische Logistikzentrum abgewickelt werden.

Damit macht Wildberries den Platzhirschen wie Amazon, Otto oder Zalando ernsthafte Konkurrenz in Europa. Schon jetzt ist Wildberries Russlands größter Onlinehändler. 2018 machte das Unternehmen einen Umsatz von umgerechnet 1,6 Milliarden Euro, ein Plus von 72 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Anfänge mit Quelle-Katalog

"Ich und mein Mann, wir hätten selbst damals nicht gedacht, dass das so ein Superprojekt wird", erinnerte sich die 43-jährige Mutter von inzwischen drei Kindern. Abzusehen war das tatsächlich nicht, als Bakaltschuk vor 15 Jahren in das Geschäft einstieg – als Englisch-Nachhilfelehrerin ohne Erfahrung und Protektion.

Bakaltschuk ersetzte dies durch ein feines Gespür für die Bedürfnisse von Müttern und berufstätiger Frauen. Die hätten keine Zeit für ausgiebiges Shoppen, außerdem habe sie es selbst nie geliebt, vor drängelnden Verkäufern Kleider anzuprobieren, gestand sie einmal. Also gründete sie einen Online-Kleiderhändler mit der Möglichkeit der Anprobe bei Lieferung – und Rückgabe bei Nichtgefallen. Die ersten Sachen kamen aus den Katalogen von Otto und Quelle. Die arbeiteten in Russland zu der Zeit mit Vertretern, aber ohne Internet.

Mehr als Kleidung

Die Vertreter nahmen 15 Prozent, Bakaltschuk zehn Prozent. Eine Vorauszahlung von den Kunden verlangte sie nicht. Das Konzept ging auf: Nach einem Jahr schon mussten die Bakaltschuks einen Lagerraum anmieten. Über Kleidung ist das Angebot von Wildberries längst hinaus. Auf der Webseite gibt es von Modeartikeln über Schmuck und Bücher bis hin zu Haushaltswaren und Einrichtungsgegenständen alles. Mehr als 20.000 Mitarbeiter bearbeiten täglich mehr als 400.000 Bestellungen.

2019 nahm das Forbes-Magazin sie in die Liste der russischen Dollar-Milliardäre auf. Als zweite Frau überhaupt. Im Gegensatz zur in Österreich sehr aktiven Baulöwin Jelena Baturina war ihr Ehemann allerdings stets nur Kompagnon und nie Bürgermeister von Moskau. (ab, 1.10.2019)