Wien – Einen Rekord von 925.090 abgegebenen und 917.927 gültigen Stimmen haben die Briefwähler bei der Nationalratswahl erreicht – und sie haben viel bewirkt. Die Mandatsstände aller Parteien haben sich gegenüber Sonntag verändert. Der Wahlsieger ÖVP verlor zwei auf 71 Mandate. Die Grünen profitierten stark: Sie bekamen noch drei Mandate auf 26 dazu – und haben jetzt ihr bestes Nationalratswahlergebnis aller Zeiten.

Um eine Spur wird sich das Ergebnis noch ändern. Denn am Donnerstag sind noch – nach Schätzung der Hochrechner – 30.000 bis 40.000 Wahlkarten auszuwerten, die in regionalwahlkreisfremden Wahllokalen abgegeben wurden. Dann steht das Ergebnis der Nationalratswahl endgültig fest. Amtlich wird es allerdings erst mit der Sitzung der Bundeswahlbehörde am 16. Oktober.

Wie es am Dienstag nach der Wahl weitergeht.
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Auch die Neos schnitten bei der Briefwahl überdurchschnittlich gut ab und stockten um ein Mandat auf 15 auf. Die Wahlverlierer verloren noch jeweils einen weiteren Nationalratssitz – sodass die SPÖ künftig nur mehr 40 und die FPÖ 31 Abgeordnete stellen wird.

Koalitionsmehrheiten unverändert

Die Verschiebungen änderten jedoch nichts an den möglichen Koalitionsmehrheiten: Die ÖVP hätte sowohl mit dem bisherigen Partner FPÖ, als auch mit der SPÖ und den Grünen die Mehrheit im Parlament. Eine rot-blaue Koalition – vor der die ÖVP im Wahlkampf immer warnte – ist weit entfernt davon, die Hälfte (92) der 183 Abgeordneten zu stellen. SPÖ und FPÖ kommen zusammen nur auf die 71 Mandate, die die ÖVP jetzt schon alleine hat.

Ungewöhnlich an diesem Briefwahlergebnis war, dass die SPÖ – die zuletzt immer profitierte – diesmal ein wenig verlor. Sie liegt nun bei 21,22 Prozent. Bei der ÖVP setzte sich das schon bei der EU-Wahl beobachtete Muster fort, dass sie durch die Wahlkartenauswertung im Stimmenanteil sinkt. Dies fiel mit jetzt 37,54 (statt zuvor 38,35) Prozent recht kräftig aus. Die FPÖ verlor wie immer auf nur mehr 16,21 Prozent.

Die Grünen haben – zwei Jahre nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat – mit 13,80 Prozent ihr bestes Nationalratswahlergebnis seit der Gründung geschafft. Auch die Neos holten (in ihrer dritten Wahl) mit 8,06 Prozent ihren Topwert. Die Liste Jetzt – die 2017 noch acht Mandate geholt hatte – blieb heuer samt Briefwahl mit 1,85 Prozent weit unter der Vierprozenthürde.

Zweitschlechteste Wahlbeteiligung seit 1945

Die 925.090 vor dem Wahlsonntag am Postweg oder direkt bei Bezirkswahlbehörden abgegebenen Briefwahlstimmen haben die Wahlbeteiligung zwar noch kräftig erhöht – von 60,61 Prozent in der Urnenwahl am Wahlsonntag auf nunmehr 75,07 Prozent. Das ist dennoch der zweitschlechteste Wert der Zweiten Republik. Nur 2013 war die Beteiligung mit 74,91 Prozent noch geringer.

Bei der ersten von ÖVP-Chef Sebastian Kurz ausgerufenen vorzeitigen Wahl im Jahr 2017 war das Interesse kräftig auf 80,00 Prozent gestiegen. Als Kurz jetzt – nach dem Ibiza-Gate-Crash der türkis-blauen Regierung – schon nach zwei Jahren wieder zu den Urnen rief, blieben wieder deutlich mehr Wahlberechtigte zu Hause.

Zehn grüne Bezirke in Wien

In Wien bescherten die Briefwähler den Grünen eine Premiere: Mit 20,60 Prozent nach Auswertung der ersten Wahlkartentranche schafften sie dort ihr erstes Nationalratswahlergebnis über der 20er-Marke. Wien-weit blieb die Reihenfolge – SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ, Neos – zwar gleich. Aber auf Bezirksebene nahmen die Grünen der SPÖ noch vier erste Plätze ab. ÖVP und Neos bekamen durch die Briefwahl ein Wien-Mandat dazu.

Nach der Montagsauszählung liegen die Grünen nun in zehn Wiener Bezirken vorne. Das ist mehr, als die SPÖ oder die ÖVP für sich reklamieren dürfen, die in acht beziehungsweise fünf Bezirken den ersten Platz erringen konnten. (red, APA, 30.9.2019)