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Wie gut Space Opera und Lovecraft'scher Horror zusammenpassen können, zeigte vor kurzem erst die kanadische Autorin Ada Hoffman in ihrem Roman "The Outside". In dieselbe Kerbe schlägt nun eine deutschsprachige Anthologie, und gleich die erste Kurzgeschichte darin demonstriert, warum die beiden Genres als Partner so kompatibel sind: In "Die Sprache der Alten" von Tobias Habenicht landet ein Linguisten-Duo verbotenerweise auf einem Planeten, den die mysteriösen Alten einst verlassen haben, und hofft, dort eine Art Stein von Rosetta zu finden, der deren Sprache entschlüsselt.

Die beschriebene Umgebung ist schauerlich – der Planet präsentiert sich als einzige Nekropole. Aber lässt man die Grusel-Requisiten mal außer Acht und konzentriert sich auf den Plot, womit haben wir es dann zu tun? Mit den Hinterlassenschaften einer uralten Zivilisation von überragender Macht, mit dem Bemühen, diese zu verstehen, und der potenziellen Bedrohung, die aus der Reaktivierung des hochtechnologischen Erbes entspringt. Das ist klassischer Space-Opera-Stoff. Und zugleich das Garn, aus dem H. P. Lovecraft seine Erzählungen gesponnen hat.

Blaupause in Schwarz

Was den Plot betrifft, kann man diesen Auftakt zugleich als Blaupause für den Rest der Anthologie betrachten. Insgesamt sind es 16 Erzählungen (für diejenigen, die an Regionalität interessiert sind: knapp ein Drittel davon stammt von österreichischen Autoren), und mit ganz wenigen Ausnahmen schlagen alle denselben Weg ein: Die Autoren schicken Erkundungsmissionen auf die Reise und lassen diese auf etwas Monströses treffen.

Es können Soldaten, Forscher, Piraten oder interstellare Walfänger im Mittelpunkt stehen, ihre Missionen können militärischer, wissenschaftlicher oder kommerzieller Natur sein – der Ablauf bleibt im Kern dennoch der gleiche. Als hätte Cthulhu höchstselbst allen dieselbe zwingende Idee eingegeben. Interessant auch, dass es niemandem eingefallen ist, eine Persiflage zu schreiben. Immerhin erleichtert mir das die Entscheidung, hier nicht auf jeden einzelnen Beitrag einzugehen und mich stattdessen auf einige Auffälligkeiten zu beschränken. Das Highlight kommt übrigens am Ende.

Gute und schräge Ideen

Positiv zu erwähnen ist auf jeden Fall Regine D. Ritter, deren "Auf Kynarth" die Expedition nicht direkt beschreibt, sondern im Interview eines Journalisten mit einem ehemaligen Soldaten Revue passieren lässt. Strategisch war es geschickt, den Plot auf eine Gesprächssituation zu reduzieren – Kurzgeschichten werden ja gerne mal mit einem Übermaß an Ereignissen überfrachtet und lesen sich dann entsprechend kursorisch. Diese hier kann noch atmen. Außerdem verdient sich Ritter einen Orden dafür, dass sie in der Conclusio ihrer Geschichte das Wagnis eingegangen ist, endlich(!!!) einmal die Vernunft siegen zu lassen.

Interessant ist auch "Schöpfungsfehler – die Korrektur" von Anna Noah, das einen Schläfer in einer albtraumhaften Umgebung erwachen lässt, in der offenbar Menschenversuche durchgeführt werden. Und als wären die Echtzeit-Eindrücke nicht schon halluzinogen genug, mischen sich auch noch verstörende Erinnerungen ins Denken des Protagonisten. Supercheesy fand ich zunächst Christoph Frischers Idee, die Expedition zum Plutomond Nyx, die er in "Der augenlose Kapitän" beschreibt, einen Lovecraft-Klon(!) an Bord mitnehmen zu lassen. Allerdings wird das am Ende zu einem hübschen Ergebnis führen, das mich irgendwie an die "Drawing Hands" von M. C. Escher (immerhin ein Zeitgenosse Lovecrafts) erinnert hat.

Wie die Alten sprachen

Ronja Gerdes war die eine Autorin, die das Thema Space Opera verweigert hat und in "Der Seelenstein" lieber auf der Erde geblieben ist. Wie es der Titel vermuten lässt, wirkt ihre Geschichte um ein altes Artefakt und die Wiedererweckung eines Toten eher fantasyesk als SFisch (mag sie auch in einer postapokalyptischen Zukunft angesiedelt sein). Und wenn sie eine Botschaft aus tiefster Vergangenheit in die Sprache der Gegenwart übersetzt, erinnert sie an etwas, das eine Grundregel für Erzählungen sein sollte: Reimen ist so gut wie immer nur die zweitbeste Idee ...

Und apropos sprachliche Entkrampfung: Die hätte auch dem Beitrag "Die Ehre des Piraten oder: Was geschah mit Charlie Thompson?" von Gard Spirlin gutgetan. Präsentierte sich die Landschaft schon zuvor alles andere als lieblich, so offenbarte sie in dieser neuen Perspektive die Qualität eines Albtraums. Ja, so kann man sich in einem launigen Vortrag am Podium ausdrücken – aber in einem Actionreißer um Weltraumpiraten? Von denen einer übrigens eine "Railgun" am Gürtel trägt. Dicke Hose offenbar!

Das Highlight

Während uns die Mehrzahl der Geschichten in "Biomechanomicon" in Umgebungen irgendwo zwischen "Event Horizon" und "Alien(s)" versetzt, ragt eine für mich heraus, und das ist "Die Tiefe hinter den Sternen" von David Grade. Ja, auch hier geht es letztlich um eine interstellare Reise von X nach Y, wo bereits das Monströse Z lauert. Der Unterschied liegt im Dichtegrad. "Die Tiefe hinter den Sternen" liest sich, als würde es aus einem fertig durchkonzipierten fiktiven Universum stammen, das bereits etabliert genug ist, um auf eine Vorstellung via plumpe Infodumps zu verzichten. Stattdessen vermitteln sich uns seine Eckdaten über Andeutungen und Bilder.

Konkret geht es um eine traumatisierte und dauerhaft drogenumnebelte Kapitänin, die Arbeiter für eine Minenkolonie rekrutiert. Weitaus faszinierender ist jedoch die Umgebung, in der das stattfindet. Ich würde wirklich gerne mehr über das Katholische Imperium und die Kreuzlegionäre lesen. Über die Droge "Gelb" und die neuen Mutanten. Über den feindseligen Kosmos und die sterbenden Städte aus gotischen Wolkenkratzern, zwischen denen der Bromstaub durch die Straßen weht. Das alles sind tolle Bilder – und locker Stoff genug für einen Roman!