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Ist seine Zeit abgelaufen? Für Benjamin Netanjahu geht es auch ums politische Überleben.

Foto: REUTERS/Amir Cohen

Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Drei Worte, die zusammen mit dem Namen Benjamin Netanjahu in den vergangenen Monaten immer wieder zu lesen waren. Drei Vorwürfe, die dem israelischen Premier zum Verhängnis werden könnten. Um sie geht es in den drei Korruptionsfällen, in denen Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit den Premier anklagen möchte.

Dass Mandelblit dies plant, hatte er bereits im Februar angekündigt. Am Mittwoch beginnt nun die dafür nötige Anhörung. Immer wieder hatten der Premier und seine Anwälte versucht, den rechtlichen Prozess zu Netanjahus Gunsten zu beeinflussen. Erst wurde der Termin von Juli auf Oktober verlegt, zuletzt trat der Premier vergangene Woche an die Öffentlichkeit und verlangte, die Anhörung müsse live übertragen werden: "Es ist an der Zeit, dass die Öffentlichkeit alles hört. Auch meine Seite, komplett und in voller Länge, direkt, ohne Zensur, ohne Verzerrung."

Der Generalstaatsanwalt wies die Forderung zurück, sie entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage. Immerhin aber ging Mandelblit auf den Antrag der Anwälte ein, die Dauer der Anhörung von zwei auf vier Tage zu verlängern. Angeblich wollen Netanjahus Anwälte mehr Zeit, um ihre Argumente vorzutragen.

Mehrere Vorwürfe

Es geht um drei Korruptionsfälle: Im Fall 4.000 soll Netanjahu einem Telekommunikationsunternehmen für positive Berichterstattung rechtliche Vorteile verschafft haben. Im Fall 1.000 wird Netanjahu vorgeworfen, teure Geschenke wie Champagner und Zigarren von reichen Gönnern angenommen zu haben. Im Fall 2.000 soll Netanjahu mit dem Herausgeber der Tageszeitung "Jediot Achronot" über einen Deal verhandelt haben: Wenn das Blatt freundlicher über Netanjahu berichte, wolle der ihnen den größten Konkurrenten vom Leibe halten.

Bis heute beteuert Netanjahu seine Unschuld und spricht von einer Hetzjagd gegen ihn. Kritiker werfen ihm und seinen Anwälten vor, den rechtlichen Vorgang zu verspotten: Anstatt – wie von Generalstaatsanwalt Mandelblit gefordert – im Vorfeld die vollständigen Verteidigungsargumente vorzulegen, hatten Netanjahus Anwälte nur eine einzige Seite eingereicht.

Politisches Überleben

Dabei geht es um Netanjahus politisches Überleben. Für ihn sind es derzeit in vielerlei Hinsicht angespannte Tage. Bereits im Mai war er mit der Regierungsbildung gescheitert. Und auch jetzt, nach der Neuwahl Mitte September, sieht es so aus, als würde er keine Koalition zustande bringen. Den Auftrag dazu hatte ihm Präsident Reuven Rivlin zwar vergangene Woche erteilt, doch Netanjahu kommt derzeit nur auf 55 der nötigen 61 Sitze. Möglich wäre eine große Koalition mit dem Bündnis Blau-Weiß von Herausforderer Benny Gantz, doch der hatte im Wahlkampf versprochen, in keine Koalition mit Netanjahu an der Spitze einzutreten – eben wegen der drohenden Anklage in drei Korruptionsfällen. Am Dienstag hatte er erklärt, die Voraussetzungen für neue Verhandlungen über eine mögliche Einheitsregierung seien derzeit nicht gegeben.

Netanjahu wiederum hatte immer wieder angekündigt, auch im Fall einer Anklage weitermachen zu wollen. Rücktritt? Ausgeschlossen. Beobachter gehen davon aus, dass Netanjahu versuchen will, ein Immunitätsgesetz auf den Weg zu bringen und den Obersten Gerichtshof zu schwächen, um einem Prozess zu entgehen. Dafür müsste er allerdings im Amt bleiben. Für Netanjahu hängen Anhörung, Anklage und Koalitionsbildung somit unmittelbar zusammen. Wann genau der Generalstaatsanwalt seine Entscheidung über eine Anklage fällen wird, ist ungewiss. Es könnte noch bis Dezember dauern. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 1.10.2019)